23. April 2020

Corona-Krise: Die 7 wichtigsten Pflichten des Verwaltungsrates

  • Artikel
  • Compliance
  • Legal
  • Tax
  • Arbeit / Immigration
  • Banken / Versicherungen
  • Blockchain / Digital Assets
  • Gesundheit / Life Sciences
  • Governance / ESG
  • Handel / Logistik
  • Regulatory Compliance
  • Sanierung / Konkurs
  • Transaktionen / M&A

Corona-Krise: Die 7 wichtigsten Pflichten des Verwaltungsrates.

Über ein Monat Corona-Krise – Zeit für einen Marschhalt. Haben Sie als Verwaltungsrat die notwendigen Vorkehrungen getroffen? Nachstehend sind die sieben wichtigsten rechtlichen Empfehlungen für den Verwaltungsrat festgehalten:

1. Einhaltung der Kompetenzordnung

2. Einhaltung neuer Vorschriften zur Bekämpfung des Coronavirus

3. Gesundheit, Sicherheit und Wertschätzung der Mitarbeitenden

4. Oberste Priorität: Monitoring und Sicherstellung der Liquidität

5. Anpassung Reporting und Risikomanagement an ausserordentliche Lage

6. Finanzielle Notfallplanung und Minimierung persönliche Haftung

7. Besonderheiten für die Jahresrechnung 2019 und die Generalversammlung

I. Einhaltung der Kompetenzordnung

Auch in der Krise gilt weiterhin die etablierte Kompetenzordnung des Unternehmens (gemäss Gesetz, Statuten, Organisationsreglement und allenfalls weiteren Dokumenten wie einer Kompetenzordnung). In der Regel wird im Organisationsreglement die Geschäftsführung an die Geschäftsleitung delegiert. Daran sollte festgehalten werden. Die Geschäftsleitung ist verantwortlich für das operative Geschäft und die Corona-Massnahmen. Der Verwaltungsrat ist für die Oberaufsicht und strategische Themen verantwortlich. Wenn sich der Verwaltungsrat plötzlich und ohne konkrete Veranlassung in das operative Geschäft einmischt, verwischt er die Kompetenzabgrenzung und erweitert potenziell seinen Haftungsbereich.

II. Einhaltung neuer Vorschriften zur Bekämpfung des Coronavirus

Aufgrund seiner Pflicht zur Oberaufsicht der Geschäftsführung hat sich der Verwaltungsrat bei der Geschäftsleitung zu vergewissern (und dies sollte auch dokumentiert werden), dass die neuen Vorschriften zur Bekämpfung des Coronavirus (sog. COVID-Verordnungen) eingehalten werden (vgl. dazu Aktuelle Pandemie und behördliche Anordnungen).

III. Gesundheit, Sicherheit und Wertschätzung der Mitarbeitenden

Im Rahmen seiner Oberaufsicht sollte der Verwaltungsrat ferner sicherstellen (und dies auch dokumentieren), dass die Geschäftsleitung die Sicherheit und Gesundheit der Mitarbeitenden gewährleistet (soweit als möglich Anordnung von Homeoffice oder Quarantäne, Einhaltung von Social Distancing, Schutz von Risiko-Patienten, Kontrolle der entsprechenden Weisungen).

Mit einem Zeichen der Wertschätzung an die Mitarbeitenden kann der Verwaltungsrat die Moral in diesen schwierigen Wochen hochhalten. Die Geschäftsführung ist gefordert, wenn nicht überfordert. Vermitteln Sie Ruhe und Vertrauen.

IV. Oberste Priorität: Monitoring und Sicherstellung der Liquidität

Als wichtigste Aufgabe muss der Verwaltungsrat in der aktuellen Lage die Liquidität im Auge behalten und Massnahmen von der Geschäftsleitung einfordern. Das Prinzip Hoffnung genügt nicht. Folgende Punkte sollte die Geschäftsleitung prüfen und dem Verwaltungsrat dazu entsprechend Bericht erstatten:

  • Überwachung der Liquidität (Empfehlung: wöchentlich)
  • Laufende Liquiditätsplanung (Empfehlung: wöchentlich)

Der Verwaltungsrat hat zu prüfen, ob die Geschäftsleitung alle möglichen Massnahmen evaluiert und wenn nötig/möglich umgesetzt hat. Dabei können insbesondere folgende Massnahmen in Betracht kommen:

  • Zahlungsstopp/-verzögerung bis Liquiditätsplanung vorliegt
  • Umsatzplanung (bad/worst-case Szenario)
  • Sofortiger Marschhalt und rigorose Überprüfung aller geplanten Ausgaben, Bestellungen und Anstellungen bis eine neue Umsatz- und Liquiditätsplanung vorliegt; Bestellstopp oder -verzögerung
  • Anpassung des Zahlungsfreigabeprozesses: Welche Zahlungen sind unverzichtbar? Achtung auf Risiken der Gläubigerbevorzugung bei Gefahr der Überschuldung nach Art. 725 Abs. 2 OR bzw. bei Gefahr der Insolvenz durch Illiquidität
  • Finanzierung sicherstellen (Eigen- und Fremdfinanzierung, Bankkredite, Bridge Loans, COVID-19-Kredite)
  • Kurzarbeit und Beantragung Kurzarbeitsentschädigungen
  • Weitere Kostensenkungsmassnahmen (Abbau Überstunden, Anordnung Ferien)
  • Vereinbarungen mit Lieferanten (inklusive Vermietern) und Kunden, vorsorgliche Vertragskündigungen
  • Lohnanpassungen, Pensenreduktion, Entlassungen
  • Aufschub von Kapitalrückzahlung und Dividenden
  • Massnahmen zur Erhöhung von Liquiditätszuflüssen (Debitorenmanagement: Eintreibung fälliger Guthaben, Skontogewährung bei nichtfälligen Guthaben, Vorauskasse, Bridge Loan)
  • Neuverhandlung von Verträgen

V. Anpassung Reporting und Risikomanagement an ausserordentliche Lage

Im Rahmen der Oberaufsicht sollte der Verwaltungsrat anhand der Risikolage die periodische Berichterstattung der Geschäftsleitung an die ausserordentliche Lage zeitlich und inhaltlich anpassen.

In zeitlicher Hinsicht hat sich ein wöchentliches Reporting des CEO an den VRP bewährt (insbesondere bezüglich Liquidität und Liquiditätsplanung).

Inhaltlich sollte der Verwaltungsrat von der Geschäftsleitung eine Risikobeurteilung und Szenarien verlangen. Damit sich der Verwaltungsrat zeitnah ein Bild vom Risikomanagement der Geschäftsleitung verschaffen kann, sind folgende Punkte relevant:

  • Szenarien und Planung: Planung für die Aufrechterhaltung oder Reduktion des Geschäftes bei verschiedenen Szenarien
  • Bad-Case Szenario (z.B. Umsatzeinbruch von 30% für GJ 2020)
  • Worst-Case Szenario (z.B. Umsatzeinbruch von > 40% mit Zahlungsschwierigkeiten ausstehender Debitoren im Rahmen von 10-20% des Jahresumsatzes)
  • Risikoszenarien: Ausfall von Mitarbeitern, Ausfall von Lieferanten, Ausgangssperre, Sperrung der Grenzen, vollständiger behördlicher Lockdown, etc.
  • Analyse und Sicherstellung der Supply Chain
  • Analyse von kritischen Abhängigkeiten
  • IT-Risiken: Durch die Arbeit im Homeoffice (zum Teil auf Basis Bring-Your-Own-Device) ist die Security der IT-Systeme verwundbarer
  • Ausserordentliche Ereignisse: Blockierte Waren am Zoll, Konflikte mit Geschäftspartnern, Einstellung von Vertragsleistungen, vertragsbrüchige Kunden (Force Majeure-Fälle, clausula rebus sic stantibus etc. (vgl. dazu Auswirkungen des Coronavirus auf Vertragsverhältnisse)
  • Einschränkung des Personenverkehrs
  • Staatliche Unterstützung und Versicherungsfragen (steuerliche Entlastung von Unternehmen, Versicherungsschutz bei Epidemien und Pandemien, Liquiditätshilfen und COVID-Kredite)

Massnahmen im Steuerbereich zur Bekämpfung des Coronavirus sind u.a.: Verzicht auf Verzugszinsen bei verspäteter Zahlung von Steuerforderungen (unterschiedliche Regelungen für Steuerforderungen des Bundes und der Kantone), automatische Fristerstreckung von Steuererklärungen (unterschiedlich je nach Kanton), Stundung und Ratenzahlungen von Steuerforderungen (liberale Handhabung von Stundungsgesuchen durch die Steuerbehörden), Mahn- und Betreibungsstopp für Steuerforderungen (unterschiedlich je nach Kanton; für Steuerforderungen des Bundes wird seit dem 20. April 2020 wieder gemahnt und betrieben).

Der Bundesrat hat Liquiditätshilfen für Unternehmen zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen der Ausbreitung des Coronavirus beschlossen. Zu diesem Zweck regeln die am 20. März 2020 erlassenen Notverordnungen des Bundesrates u.a. (i) Soforthilfen mittels verbürgten COVID-Überbrückungskrediten («COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung»), (ii) Zahlungserleichterungen im Steuerbereich durch befristeten Verzicht auf Verzugszinsen («COVID-19-Verzichtsverordnung») sowie (iii) Zahlungsaufschübe bei Sozialversicherungsbeiträgen.

VI. Finanzielle Notfallplanung und Minimierung persönliche Haftung

Um diejenigen Unternehmen vor einem drohenden Konkurs zu schützen, die allein aufgrund der Coronaviruskrise in Liquiditätsengpässe geraten, hat der Bundesrat am 16. April 2020 die «COVID-19-Verordnung Insolvenzrecht» verabschiedet. Die Verordnungsbestimmungen traten am 20. April 2020 in Kraft und sind auf sechs Monate befristet. Vorgesehen sind zwei vorübergehende Regelungen:

(i) Eine befristete Entbindung von der Pflicht zur Überschuldungsanzeige nach Art. 725 Abs. 2 OR:

Von der Pflicht zur Überschuldungsanzeige sollen Unternehmen entbunden sein, die am 31. Dezember 2019 nicht bereits überschuldet waren und bei denen Aussicht besteht, dass die zwischenzeitliche Überschuldung bis am 31. Dezember 2020 behoben werden kann. Die Unternehmen bleiben jedoch verpflichtet, bei begründeter Besorgnis einer Überschuldung eine Zwischenbilanz zu Fortführungs- und Veräusserungswerten zu erstellen. Es entfällt nun aber die Pflicht, das Gericht zu benachrichtigen, wenn die Überschuldung nach dem 31. Dezember 2019 festgestellt wurde. Das gilt unabhängig davon, ob die Zwischenbilanz eine Überschuldung zu Fortführungswerten oder zu Veräusserungswerten zeigt. Auch für die Revisionsstelle entfällt die subsidiäre Anzeigepflicht.

(ii) die Einführung einer befristeten sog. COVID-19-Stundung:

Mit der COVID-19-Stundung kann den KMU in einem raschen Verfahren eine vorübergehende Stundung von drei Monaten gewährt werden, ohne dass ein Sanierungsplan vorliegen muss. Die Stundung kann danach um weitere drei Monate verlängert werden. Zudem gelten – anders als bei der Nachlassstundung – zum Schutz gewisser Gläubiger spezifische Einschränkungen: So werden namentlich Lohnforderungen und Alimentenansprüche nicht von der Stundung erfasst und sind weiterhin voraussetzungslos geschuldet.

Auch wenn der Bundesrat mit der «COVID-19-Verordnung Insolvenzrecht» gewisse temporäre Erleichterungen erlassen hat, muss der Verwaltungsrat unbedingt die im OR vorgesehenen bilanziellen «Alarmglocken» im Auge behalten (Art. 725 OR: Kapitalverlust und Überschuldung) und die gesetzlich vorgesehenen Massnahmen ergreifen: Einberufung GV, Sanierungsmassnahmen, Zwischenbilanz zu Fortführungs- und Veräusserungswerten, Rangrücktritte und als letzter Schritt die Benachrichtigung des Richters (Konkurs oder Nachlassverfahren mit vorangehender Nachlassstundung gemäss Art. 293 ff. SchKG). Für die Einhaltung dieser Massnahmen haften die Mitglieder des Verwaltungsrates persönlich nach Art. 754 OR. Wichtig ist auch hier, dass der Verwaltungsrat seine Bemühungen sauber dokumentiert. Die Dokumentation kann in einem Organhaftpflichtszenario von entscheidender Bedeutung sein. Mehr unter Schuldnerschutz bei Liquiditaetsengpass.

Eine persönliche Haftung des Verwaltungsrates besteht gemäss Gesetz und einer sehr strengen Rechtsprechung auch für die gewisse Steuerforderungen (i.e. Gewinnsteuer bei Ende der Steuerpflicht infolge Liquidation [sowohl bei der direkten Bundessteuer als auch bei Staats- & Gemeindesteuer], Verrechnungssteuer und Mehrwertsteuer) sowie für Sozialversicherungsbeiträge. Zwar werden von der Gesellschaft gestellte Stundungsgesuche um Aufschub der Zahlung von Steuerforderungen bzw. von Sozialversicherungsbeiträgen von den Behörden gegenwärtig sehr grosszügig gehandhabt und geniessen aufgrund der vom Bundesrat erlassenen Notverordnungen einen Verzugszinsverzicht, an der persönlichen Haftung des Verwaltungsrates für die gestundeten Forderungen ändert dies jedoch nichts. Kann eine Gesellschaft ihre gestundeten Steuer- bzw. Sozialversicherungsschulden auch in Zukunft nicht begleichen, droht eine persönliche Haftung des Verwaltungsrates. Daher empfehlen wir dringend, zuerst offene Steuerrechnungen und Sozialversicherungsbeiträge mit erster Priorität zu begleichen (noch vor den Lohnzahlungen), um eine persönliche Haftung zu vermeiden.

VII. Besonderheiten für die Jahresrechnung 2019 und die Generalversammlung

Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Coronavirus haben Folgen für die Rechnungslegung. Nach Auffassung von EXPERTsuisse handelt es sich beim Auftreten des Coronavirus aus Optik des Jahresabschlusses per 31. Dezember 2019 um ein nicht bilanzierungspflichtiges Ereignis. Jedoch ergeben sich gegebenenfalls Offenlegungspflichten im Anhang bzw. Lagebericht. Im Extremfall hat die Ausbreitung des Coronavirus eine so bedeutsame negative Auswirkung auf die Geschäftstätigkeit, dass die Going concern-Annahme in Frage gestellt wird. Mehr unter Coronavirus und Rechnungslegung nach OR.

Planen Sie frühzeitig Ihre Generalversammlung. Der Bundesrat hat öffentliche und private Veranstaltungen bis 10. Mai 2020 verboten. Für die Versammlungen von Gesellschaften (AG, GmbH, Genossenschaften, Vereine, Kollektiv- und Kommanditgesellschaften) gelten Spezialregelung gemäss «COVID-19-Verordnung 2». Der Veranstalter kann anordnen, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer ihre Rechte ausschliesslich auf schriftlichem Weg oder in elektronischer Form (lit. a) oder durch einen vom Veranstalter bezeichneten unabhängigen Stimmrechtsvertreter (lit. b) ausüben können. Die Anordnung muss spätestens vier Tage vor der Veranstaltung schriftlich mitgeteilt oder elektronisch veröffentlicht werden (Art. 6a COVID-19-Verordnung 2). Es ist auch eine kantonale Bewilligung möglich.

Art. 6a COVID-19-Verordnung 2 ermöglicht die Ausübung der Rechte «in elektronischer Form». Generalversammlungen könnten per Video- und Telefonkonferenz erfolgen. Es muss dabei sichergestellt werden, dass jeder Teilnehmende identifiziert/authentifiziert werden und sich an der GV äussern, die Voten anderer Teilnehmenden hören und seine Rechte, namentlich das Stimmrecht, ausüben kann (damit müssen sich auch alle Teilnehmer zum gleichen Zeitpunkt elektronisch zusammenfinden, was etwa per E-Mail nicht möglich wäre). Es wurde aber darauf verzichtet, das Erfordernis des Bildes vorzuschreiben. Auch im Fall einer Telefon- oder eine Videokonferenz muss ein Protokoll der GV erstellt werden. Die Sonderregelung gilt auch für öffentlich zu beurkundende Traktanden. MME unterstützt Sie rechtlich und technisch bei der digitalen Durchführung Ihrer Generalversammlung. Wir sind in der Lage, eine Generalversammlung von A-Z (von der Einladung bis zur Handelsregisteranmeldung) digital durchzuführen (vgl. dazu Neuer MME Service die digitale Generalversammlung).

MME steht Ihnen auch in dieser Krise mit Rat und Tat zur Verfügung.