04. Mai 2023

Konsultationsvereinbarung zwischen der Schweiz und Deutschland betreffend «leitende Angestellte»

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Die zuständigen Behörden der Schweiz und Deutschland haben am 6. April 2023 eine Konsultationsvereinbarung zur Anwendung von Artikel 15 Absatz 4 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Deutschland («DBA CH-DE») abgeschlossen. Danach soll die Regelung des Art. 15 Abs. 4 DBA CH-DE – unter bestimmten Voraussetzungen – auch auf nicht im Handelsregister eingetragene «leitende Angestellte» Anwendung finden.

Bis anhin geltende Regelung

Art. 15 Abs. 4 DBA CH-DE ermöglicht eine Besteuerung der Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat (z.B. Deutschland) ansässige natürliche Person für ihre Tätigkeit als Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist – ein sog. «leitender Angestellter» – einer im anderen Vertragsstaat (z.B. Schweiz) ansässigen Kapitalgesellschaft (Arbeitgeber) bezieht, im anderen Vertragsstaat (d.h. Schweiz). Damit hat der Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft ein Besteuerungsrecht am Lohn des/der leitenden Angestellten, unabhängig vom Ort wo diese(r) tatsächlich arbeitet.

Ist jedoch die Kapitalgesellschaft in der Schweiz steuerlich ansässig aber die Tätigkeit des/der leitenden Angestellten so ausgestaltet, dass er/sie lediglich Aufgaben ausserhalb der Schweiz wahrnimmt, oder falls die Schweiz die Einkünfte nicht besteuert (und vice versa), bleibt das Besteuerungsrecht von Deutschland erhalten.

Ferner wurde mit der Verständigungsvereinbarung vom 18. September 2008 beschlossen, dass ab dem 1. Januar 2009 Art. 15 Abs. 4 DBA CH-DE nur diejenigen Personen als leitende Angestellte qualifizieren sollen, deren:

  • Prokura,
  • Funktion gemäss Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA CH-DE (d.h. Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist), oder
  • Funktion gemäss Verständigungsvereinbarung vom 7. Juli 1997 Ziff. 2 Buchst. a Satz 1 (d.h. stellvertretender Direktor oder Vizedirektor und Generaldirektor)

im Handelsregister eingetragen ist.

Da diese Verständigungsvereinbarung jedoch über den Wortlaut des Art. 15 Abs. 4 DBA CH-DE hinausgeht, war deren Gültigkeit umstritten.

Änderung durch die Konsultationsvereinbarung vom 6. April 2023

Mit der Konsultationsvereinbarung vom 6. April 2023 haben die Schweiz und Deutschland beschlossen, dass es bei einer Eintragung der Vertretungsbefugnis im Handelsregister nicht auf die Funktionsbezeichnung ankommt. Ferner soll Art. 15 Abs. 4 DBA CH-DE auch dann Anwendung finden, wenn auf einen Handelsregistereintrag verzichtet wird. Der/die leitende Angestellte muss jedoch zumindest über umfassende Vertretungsbefugnisse verfügen.

Ob umfassende Vertretungsbefugnisse vorliegen, soll anhand der folgenden Kriterien beurteilt werden:

  • die Höhe des Arbeitslohns,
  • die Einordnung in eine der obersten Gehaltsstufen innerhalb des Unternehmens,
  • die Gewährung und die Höhe einer Gewinnbeteiligung / Gewinntantieme,
  • die Gewährung eines besonderen geldwerten Vorteils,
  • die Anzahl der weisungsgebundenen Personen,
  • Befugnis zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Mitarbeitenden des Unternehmens,
  • Beförderung/Aufstieg verbunden mit einer Änderung oder Erweiterung des Tätigkeitsbereichs,
  • keine Anwendung von gesetzlichen Begrenzungen der Höchstarbeitszeiten.

Bei der Prüfung anhand obiger Kriterien werden die Gesamtumständen des Einzelfalls berücksichtigt. Es müssen daher nicht alle Kriterien kumulativ erfüllt werden.

Auswirkung

Durch die neue Konsultationsvereinbarung wird die Änderung von 2009 faktisch wieder rückgängig gemacht und der Anwendungsbereich von Art. 15 Abs. 4 DBA CH-DE deutlich ausgeweitet.

Natürliche Personen mit Ansässigkeit in der Schweiz oder Deutschland, welche eine leitende Stellung bei einer in der Schweiz oder in Deutschland ansässigen Kapitalgesellschaft innehaben und nicht im Handelsregister eingetragen sind, ist daher zu empfehlen, ihre steuerliche Situation genau zu prüfen. Denn durch die Neureglung ist es möglich, dass sie neuerdings als leitende Angestellte i.S.d. Art. 15 Abs. 4 DBA CH-DE qualifizieren und infolgedessen das Besteuerungsrecht dem Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft (Arbeitgeber) zu fällt. Darüber hinaus stellt sich für betroffene Kapitalgesellschaften die Frage, ob Quellensteuern einzubehalten und abzuführen sind.

Anwendbarkeit

Die Konsultationsvereinbarung vom 6. April 2023 findet auf alle derzeit offenen Fälle Anwendung und ist zeitlich bis zum 31. Dezember 2025 beschränkt, sofern sich die zuständigen Behörden nicht auf eine Weiterführung einigen.

Ihr Team