16. Juli 2025

Nacht- und Sonntagsarbeit – rechtliche Grundlagen und praktische Herausforderungen

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Nacht- und Sonntagsarbeit unterliegen spezifischen Vorgaben und Prozessen, die sowohl den betrieblichen Erfordernissen als auch dem Schutz der Arbeitnehmer gerecht werden sollen. Gerade im Kontext der zunehmenden Flexibilisierung von Arbeitszeitmodellen ist es für Arbeitgeber unerlässlich, die gesetzlichen Vorgaben genau zu kennen und sorgfältig umzusetzen. Nur so können rechtliche Risiken minimiert und gleichzeitig die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitarbeitenden sichergestellt werden.

  • Martina Aepli

    Legal Partner
  • Manuela Fuchs

    Senior Legal Associate

Die Regelung der Arbeits- und Ruhezeiten ist ein zentraler Aspekt des Schweizer Arbeitsrechts. Die gesetzlichen Bestimmungen bezwecken, die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen. Dies gilt insbesondere für Nacht- und Sonntagsarbeit, welche aufgrund ihrer potenziell negativen Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit strengen gesetzlichen Vorgaben unterliegt.

Die Einführung von Nacht- und Sonntagsarbeit kann verschiedene Hintergründe haben. Einerseits sind gewisse Betriebe zur Erfüllung ihres Zwecks oder um wirtschaftlich erfolgreich tätig sein zu können auf eine Erweiterung der Arbeitszeit angewiesen (s. Beispiel 1). Andererseits ist der Wunsch von Arbeitnehmern nach flexiblen Arbeitszeiten in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Viele Arbeitnehmer möchten ihre Arbeitszeit wenn möglich freier einteilen, was die Arbeitgeber vor gewisse Fragen stellt (s Beispiel 2).

Beispiele:

  1. Ärzte und Pflegende eines Spitals müssen rund um die Uhr für die Patienten im Einsatz sein.
  2. Ein kaufmännischer Mitarbeiter wünscht, seine Arbeit neu statt um 18.00 Uhr bereits um 16.00 Uhr zu beenden (sei es wegen der Kinderbetreuung, Hobbies etc.), die fehlenden zwei Stunden aber am Abend oder am Wochenende zu erbringen.

Nachfolgend soll ein Überblick über die rechtlichen Grundlagen und den Bewilligungsprozess vermittelt werden. Dabei ist zu beachten, dass die Bestimmungen zur Nacht- und Sonntagsarbeit im Arbeitsgesetz und den Verordnungen teilweise etwas unübersichtlich sind und ausführliche Wegleitungen des Bundes dazu bestehen. Es ist somit nicht möglich, im Rahmen dieses Artikels sämtliche Aspekte zu beleuchten. Auch kann aus diesem Artikel keine Beratung für spezifische Situationen abgeleitet werden, da für eine verlässliche Einschätzung immer alle Aspekte des Einzelfalls berücksichtigt werden müssen.


1. Grundsatz und Ausnahmen

Als Nachtarbeit gilt die Beschäftigung von Arbeitnehmern zwischen 23 Uhr und 6 Uhr. Unter Sonntagsarbeit ist die Tätigkeit von Samstag, 23 Uhr bis Sonntag, 23 Uhr sowie an gesetzlichen Feiertagen (d.h. der Nationalfeiertag am 1. August + bis zu 8 weitere kantonal festgelegte gesetzliche Feiertage) zu verstehen. Feiertagsarbeit wird in diesem Artikel jeweils nicht separat genannt, sondern ist im Begriff der Sonntagsarbeit enthalten.

Nacht- und Sonntagsarbeit sind in der Schweiz grundsätzlich verboten. Aber wie so oft gilt auch dieser Grundsatz nicht absolut. Es ist möglich, Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen in der Nacht oder am Sonntag einzusetzen. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob die Betriebsart von der Bewilligungspflicht befreit ist. Liegt keine solche Ausnahme vor, kann bei den Behörden eine Bewilligung beantragt werden (zum Vorgehen s. Ziffer 2.c unten).

Wichtige Ausnahmen bestehen z.B. im Gesundheitsbereich, in der Gastgewerbe, dem Tourismussektor oder bei Versorgungsbetrieben. So benötigen beispielsweise Kliniken, Heime, Spitexbetriebe und Gastbetriebe, aber auch Bewachungsfirmen in der Regel keine Bewilligung, um Arbeitnehmer in der ganzen Nacht und am Sonntag einsetzten zu dürfen. Sodann gibt es für verschiedene Betriebsgruppen sehr spezifische Regelungen. Z.B. darf ein Milchverarbeitungsbetrieb zur Verhinderung des Verderbs der Milch einen Mitarbeiter nicht für die ganze Nacht, sondern erst ab 2 Uhr sowie am Sonntag beschäftigen. Ein Bäcker darf ohne Bewilligung am Sonntag sowie an zwei Tagen pro Woche während der ganzen Nacht, sonst aber erst ab 01 Uhr im Einsatz sein.

Beispiele:

  1. Das Spital benötigt somit keine Bewilligung, um Ärzte und Pflegepersonal am Sonntag oder in der Nacht einsetzen zu dürfen.
  2. Der kaufmännische Mitarbeiter aus Beispiel 2 darf somit die zwei Arbeitsstunden zwar am Samstag erbringen, nicht aber am Sonntag. Am Abend darf er z.B. von 20-22 Uhr arbeiten*, nicht aber von 23 bis 01 Uhr. *Bei Arbeiten am Abend sind stets die gesetzlichen Ruhezeiten zu beachten (grundsätzlich 11 aufeinanderfolgende Stunden, wobei es wiederum Ausnahmen gibt).


2. Ausnahmebewilligungen: Voraussetzungen und Prozess

Arbeitgeber, die ihre Arbeitnehmer nicht bewilligungsfrei am Sonntag und in der Nacht beschäftigen dürfen, können bei den zuständigen Behörden Bewilligungen beantragen. Es ist zu unterscheiden, ob es sich um vorübergehende oder eine dauernd oder regelmässig wiederkehrende Nacht- oder Sonntagsarbeit handelt.

a) Vorübergehende Nacht- oder Sonntagsarbeit

Vorübergehend ist Nacht- oder Sonntagsarbeit, wenn es sich um zeitlich befristete Einsätze von nicht mehr als sechs Monaten handelt. In Bezug auf Sonntagsarbeit gilt ferner, dass diese an maximal sechs Sonntagen pro Kalenderjahr geleistet wird.

Vorübergehende Nacht- oder Sonntagsarbeit wird bewilligt, sofern ein dringendes Bedürfnis nachgewiesen wird. Ein dringendes Bedürfnis liegt insbesondere vor, wenn es weder mit planerischen Mitteln noch mit organisatorischen Massnahmen möglich ist, die Arbeiten tagsüber oder abends an Werktagen durchzuführen, bei zusätzlich anfallenden und zeitlich nicht aufschiebbaren Arbeiten (also bei Vorliegen aussergewöhnlicher Umstände) oder wenn Arbeiten aus Gründen der Gesundheit oder Sicherheit der Arbeitnehmer in der Nacht oder am Sonntag erledigt werden müssen.

Kein dringendes Bedürfnis liegt z.B. bei Neubauten, neuen Strassen oder ordentlichen Instandhaltungsarbeiten vor, da diese Arbeiten planbar sind. Zu bejahen wäre ein dringendes Bedürfnis aber beispielsweise, wenn ein Unternehmen für einen Kunden einen weiteren grösseren Auftrag mit kurzer Lieferfrist ausführen soll, was neben der normalen Produktion mit den vorhandenen Mitten nicht möglich ist und bei dessen Ablehnung der Verlust des (grossen) Kunden droht. Weiter liegt i.d.R. z.B. ein dringendes Bedürfnis vor, wenn Arbeiten auf Baustellen an stark befahrenen Hauptverkehrswegen auszuführen sind.

b) Dauernde oder regelmässig wiederkehrende Nacht- oder Sonntagsarbeit

Dauernd oder regelmässig wiederkehrend ist Nacht- oder Sonntagsarbeit, wenn sie mehr als sechs Monate dauert oder in regelmässigen Einsätzen geleistet wird, die sich während mehreren Kalenderjahren aus dem gleichen Grund wiederholen. In Bezug auf Nachtarbeit gilt ferner, dass diese dauernd und regelmässig wiederkehrend ist, wenn sie in mind. 25 Nächten pro Jahr geleistet wird.

Dauernde oder regelmässig wiederkehrende Nacht- oder Sonntagsarbeit wird bewilligt, falls sie aus technischen oder wirtschaftlichen Gründen unentbehrlich ist. Für solche Arbeit muss die Hürde für eine Bewilligung höher angesetzt werden, als dies bei vorübergehenden Arbeiten auf Grund eines dringenden Bedürfnisses nötig ist (s. oben Ziffer 2.a).

Technische Unentbehrlichkeit liegt vor, wenn ein Arbeits- oder Produktionsprozess nicht unterbrochen, aufgeschoben oder anders organisiert werden kann, ohne dass dadurch die Produktionsanlagen, das Resultat der Arbeit, die Sicherheit, die Gesundheit oder das Leben der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen oder die Unversehrtheit der Betriebsumgebung gefährdet werden.

Eine wirtschaftliche Unentbehrlichkeit ist insbesondere bei Arbeitsverfahren mit unvermeidlich hohen Investitionskosten, die ohne die Leistung von Nacht- oder Sonntagsarbeit nicht amortisiert werden können, gegeben. Ohne Nacht- oder Sonntagsarbeit wäre der Betrieb somit nicht konkurrenzfähig.

Der wirtschaftlichen Unentbehrlichkeit gleichgestellt sind besondere Konsumbedürfnisse. Es geht dabei um die Befriedigung von Bedürfnissen, die im öffentlichen Interesse liegen und die ohne Nacht- oder Sonntagsarbeit nicht sichergestellt werden können, z.B. das Verteilen von Tages- oder Sonntagszeitungen.

Beispiel: Der Arbeitgeber des kaufmännischen Angestellten wird auf Grund des Wunschs des Arbeitnehmers keine Ausnahmebewilligung erhalten, da der Wunsch des Arbeitnehmers nach flexibleren Arbeitszeiten weder ein dringendes Bedürfnis darstellt noch eine technische oder wirtschaftliche Unentbehrlichkeit vorliegt. Diese Voraussetzungen müssten also anders begründet werden, als über die Präferenzen der Arbeitnehmer.

c) Bewilligungsprozess

Die Bewilligung von Nacht- und Sonntagsarbeit erfolgt nur unter engen Voraussetzungen, um den Interessenausgleich zwischen den betrieblichen Bedürfnissen und dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmenden sicherzustellen.

Die Bewilligung für dringende vorübergehende Bedürfnisse werden vom kantonalen Arbeitsinspektorat erteilt. Dauernde oder regelmässig wiederkehrende Nacht- oder Sonntagsarbeit bewilligt das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO). Gesuche können über die Onlineplattform EasyGov eingereicht werden, die den Prozess digitalisiert und vereinfacht. Das jeweilige Gesuch muss mit einer bestimmten Frist vor dem geplanten Arbeitsbeginn eingereicht werden.


3. Auswirkungen auf die Arbeitszeit, Lohn etc.

Nacht- und Sonntagsarbeit führen dazu, dass weitere Bestimmungen zum Schutz des Arbeitnehmers eingehalten werden müssen, wie Lohn- und Zeitzuschläge oder Ersatzruhetage und unter Umständen medizinische Untersuchungen.

So hat zum Beispiel ein Arbeitnehmer, der vorübergehend Nachtarbeit verrichtet Anspruch auf einen Lohnzuschlag von 25%. Für dauernde oder regelmässig wiederkehrende Nachtarbeit steht dem Arbeitnehmer ein Zeitzuschlag von 10% zu. Diese Zuschläge sind zwingend und können vertraglich nicht wegbedungen werden.

Für vorübergehende Sonntagsarbeit beträgt der Lohnzuschlag 50% (ebenfalls zwingend). Interessant ist, dass für dauernde oder regelmässig wiederkehrende Sonntagsarbeit kein Zuschlag geschuldet ist, da in diesen Fällen der Zuschlag in der Regel in einen bereits höheren Grundlohn eingerechnet ist. Ersatzruhe ist in beiden Fällen zu gewähren.


4. Konsequenzen bei Verstössen

Verstösse gegen die Vorschriften zu Nacht- und Sonntagsarbeit können für Arbeitgeber verschiedene Folgen haben. Zum einen können die zuständigen Behörden Geldstrafen verhängen. Es drohen aber auch zivilrechtliche Ansprüche der betroffenen Arbeitnehmer beispielsweise auf Lohnzuschläge.

Unser MME Arbeitsrechtsteam unterstützt sie gerne bei der Abklärung der Bewilligungspflichten sowie der Bewilligungsbeantragung.

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