04. Juni 2021

Zuzug in die Schweiz: Sozialversicherungen

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Welche Sozialversicherungen gibt es in der Schweiz und wer ist diesen unterstellt? Mit welchen sozialversicherungsrechtlichen Abzügen muss gerechnet werden, wenn in der Schweiz ein Unternehmen gegründet werden soll? Was ist darüber hinaus zu beachten oder empfehlenswert?

  • Martina Aepli

    Legal Partner

Beispiel: Ein IT-Unternehmen mit Sitz in Deutschland plant, in der Schweiz ein Tochterunternehmen zu gründen. Neben neuen Mitarbeitern sollen mehrere bisherige Mitarbeiter bei der Tochtergesellschaft tätig werden. Letztere sind besorgt, das bisherige Niveau an sozialversicherungsrechtlichem Schutz nicht zu verlieren.

Q: Welche Sozialversicherungen gibt es in der Schweiz?

A: Es besteht ein gut ausgebautes Netz von Sozialversicherungen, das den in der Schweiz lebenden und/oder arbeitenden Menschen und samt Angehörigen einen finanziellen Schutz vor Risiken biete. Dazu gehören die folgenden Bereiche:

  • Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (IV) (Dreisäulenprinzip)
  • Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft (EO)
  • Arbeitslosenversicherung (ALV)
  • Krankheitsversicherung (KV)
  • Unfallversicherung (UV)
  • Familienzulagen

Q: Wer ist den Sozialversicherungen in der Schweiz unterstellt?

A: Versichert sind die natürlichen Personen mit Wohnsitz in der Schweiz und/oder die in der Schweiz eine Erwerbstätigkeit ausüben. Bei grenzüberschreitender Erwerbstätigkeit gelten zwischen der Schweiz und verschiedenen Staaten zahlreiche Sozialversicherungsabkommen. In der Regel besteht eine Unterstellung unter das Sozialversicherungssystem desjenigen Staates, in welchem die Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Dabei bestehen zahlreiche Spezialbestimmungen, denen im konkreten Fall Rechnung zu tragen ist. Zwischen der Schweiz und der EU gilt das sog. Freizügigkeitsabkommen. Werden die bisher in Deutschland tätigen Angestellten für die Tochtergesellschaft in der Schweiz tätig, unterstehen sie und ihre nicht erwerbstätigen Familienangehörigen ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich dem Sozialversicherungssystem der Schweiz. Dies gilt ungeachtet dessen, ob sie als Grenzgänger ihre Tätigkeit in der Schweiz wahrnehmen oder ob sie Wohnsitz nehmen. Ausnahmen bestehen jedoch zum Beispiel bei der vorübergehenden Entsendung. Diese ist im Freizügigkeitsabkommen auf vorübergehende Aufenthalte von bis zu zwei Jahren vorgesehen, kann aber auf Gesuch auf bis zu sechs Jahren erstreckt werden. In diesem Fall kann man sich durch Vorweis einer A1-Bescheinigung der Unterstellung unter das Schweizerische Sozialversicherungssystem entziehen.

Q: Mit welchen sozialversicherungsrechtlichen Abzügen muss gerechnet werden, wenn in der Schweiz ein Unternehmen gegründet werden soll?

A: Die sozialversicherungsrechtlichen Abzüge werden in erster Linie durch Beiträge vom Erwerbseinkommen finanziert, wobei sie prozentual auf das Einkommen erhoben werden. Die Abgaben gehen dabei grundsätzlich hälftig zu Lasten Arbeitnehmer und Arbeitgeber, der Arbeitgeber kann aber auch mehr übernehmen. Die Beiträge werden in der Regel durch den Arbeitgeber an die Sozialversicherungsanstalt überwiesen. Die Höhe der Abzüge ist wie folgt (Stand 1. Januar 2023):

  Lohnabzug Aufteilung
Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) 8.7 %
  • Arbeitgeber: 50 %
  • Arbeitnehmer: 50 %
Invalidenversicherung (IV) 1.4 %
  • Arbeitgeber: 50 %
  • Arbeitnehmer: 50 %
Erwerbsersatz (EO) 0.5 %
  • Arbeitgeber: 50 %
  • Arbeitnehmer: 50 %
Berufliche Vorsorge (BVG)

Obligatorium

  • Obligatorische Beiträge auf sog. koordinierten Lohn (Lohn abzüglich Koordinationsabzug von CHF 25'725)
  • Höhe der Altersgutschriften richtet sich nach dem Alter der Versicherten
Alter Ansätze Mindestprozentsatz des koordinierten Lohnes
25-34 7%
35-44 10%
45-54 15%
55-64/65 18%

Überobligatorium

  • (von CHF 88’200 bis CHF 882’000)
  •  
  • Arbeitgeber: 50 %
  • Arbeitnehmer: 50 %
Unfallversicherung Berufsunfall (UVG BU) Gemäss Police (ca. 0.5%-1%) Arbeitgeber: 100%
Unfallversicherung Nichtberufsunfall (UVG NBU, ab 8h/Woche obligatorisch) Gemäss Police (ca. 1%-2%) Arbeitnehmer: 100%
Krankentaggeld
  • Lohnfortzahlungspflicht bei Erwerbsunfähigkeit (gemäss Gerichtspraxis 3-8 Wochen) oder
  • Versicherung Lohnausfall
  • Arbeitgeber
  • Versicherung: 50%-50% möglich

Anmerkung: Diese Abzüge gelten im Rahmen der unselbständigen Tätigkeit, nicht jedoch für Selbständig- oder Nichterwerbstätige.

Keine Abzüge nach Lohnprozenten gibt es bei der Krankenversicherung. Jede versicherte Person ist hierfür selbst verantwortlich und zahlt eine monatliche Prämie. Die Familienzulagen, insbesondere das Kindergeld von mindestens CHF 200, werden vom Arbeitgeber überwiesen, aber diesem vom Staat zurückerstattet

Q: Was für eine Kranken- und Unfallversicherung brauche ich in der Schweiz?

A: In der Schweiz gilt ein Obligatorium der Grundversicherung. Die Grundversicherung deckt Kosten und Leistungen der medizinischen Grundversorgung bei Krankheit, Unfall oder Mutterschaft ab. Innert dreier Monate nach Zuzug in die Schweiz (oder nach Geburt) muss eine Krankenversicherung obligatorisch abgeschlossen werden. Grundsätzlich gilt dies auch für Arbeitnehmer in der Schweiz.

Jeder Arbeitnehmer in der Schweiz muss darüber hinaus auch gegen die Folgen von Berufsunfällen und Berufskrankheiten nach der obligatorischen Unfallversicherung versichert sein. Arbeitet ein Arbeitnehmer mehr als acht Stunden pro Woche, muss er bei der Unfallversicherung auch gegen die Folgen von Nichtberufsunfällen versichert sein. In diesen Fällen kann der Unfalleinschluss bei der obligatorischen Grundversicherung sistiert werden, was eine Prämienreduktion zur Folge hat. Nicht arbeitstätige Familienmitglieder sind gegen die Folgen von Unfällen umfassend durch die Grundversicherung versichert. 

Q: Was geschieht, wenn die Arbeitnehmer im Herkunftsland über eine grosszügigere soziale Deckung verfügen und diese beibehalten werden soll?

A: Grundsätzlich verfügt die Schweiz über ein grosszügiges Sozialversicherungssystem. Je nach Sozialversicherung und persönlicher Situation kann es aber natürlich vorkommen, dass punktuelle Anpassungen erwünscht sind. Hierbei bestehen verschiedene Möglichkeiten, je nachdem in welchem Bereich und aus welchem Grund der soziale Schutz verbessert werden soll. So kann die oben angegebene Aufteilung insofern angepasst werden, als der Arbeitgeber mehr als die gesetzlich vorgeschriebene Aufteilung übernehmen kann (wobei allfällige steuerrechtlichen Folgen zu beachten sind). Ebenfalls können Beiträge in die berufliche Vorsorge (BV) erhöht werden, wobei gewisse Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Und schliesslich bieten Versicherungsunternehmen Zusatzversicherungen an, um den gesetzlichen Mindestschutz gezielt zu verbessern.

Unser Versicherungsrechts-Expertenteam berät sie gerne zu sämtlichen sozialversicherungsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Ihrem Zuzug in die Schweiz und unabhängig davon. Wir freuen uns auf Ihre Kontakt

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