26. September 2023

Ist ihre Schweizer (Verwaltungsrat) Governance bereit für die ESG-Berichtspflichten 2024?

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Ab dem neuen Jahr müssen Verwaltungsräte grosser Schweizer Unternehmen nicht-finanzielle Berichte und Sorgfaltspflichtberichte abnehmen und unterzeichnen, einige setzen ESG-Ziele, daher sollten sie die neuen Gesetze einhalten und angemessene Prozesse und Dokumentationen haben, um rechtliche Folgen zu vermeiden.

Zusammenfassung

Ab 2024 müssen die Verwaltungsräte bestimmter grosser Schweizer Unternehmen den nicht-finanziellen Bericht sowie die Berichte über die Sorgfaltspflicht in Bezug auf Konfliktmineralien und Kinderarbeit abnehmen und unterzeichnen. Diese Berichte müssen vom Verwaltungsrat und, der nicht-finanziellen Bericht, auch von der Generalversammlung genehmigt werden.

Einige Unternehmen haben sich öffentlich zu ihren ESG-Zielen geäussert, insbesondere zu den Netto-Null-Zielen.

Ist ihr Verwaltungsrat auf dem neuesten Stand, um die neuen gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen und mit den angekündigten Zielen Schritt zu halten? Verfügen sie über angemessene Prozesse und Dokumentationen, die es dem Verwaltungsrat ermöglichen, seinen Verpflichtungen nachzukommen?

Das sollte der Fall sein, denn die Folgen eines Versäumnisses können für einzelne Verwaltungsratsmitglieder strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen!

Einleitung

In der heutigen globalisierten und vernetzten Welt sind Umwelt-, Sozial- und Governance-Überlegungen (ESG) zu grundlegenden Faktoren für die Entscheidungsfindung von Unternehmen geworden. ESG umfasst ein breites Spektrum an Themen, vom Klimawandel über Menschenrechte bis hin zu ethischen Geschäftspraktiken.

Während die Geschäftsleitung unter ständigem Druck steht, kurz- und mittelfristig eine starke finanzielle Leistung zu erbringen, haben Verwaltungsratsmitglieder einen anderen Zeithorizont. Verwaltungsräte spielen eine entscheidende Rolle bei der langfristigen Steuerung von Unternehmen. Und die ESG-Herausforderungen, mit denen Unternehmen heute konfrontiert sind, erfordern nachhaltige, langfristige Massnahmen und Strategien.

Die Schweiz, die für ihren robusten Corporate-Governance-Rahmen bekannt ist, hat sich mit ihrem Gesellschaftsrecht und ihrem «Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance, 2023», proaktiv mit diesen Anliegen auseinandergesetzt: "Eine gute Corporate Governance dient folglich dem Ziel des nachhaltigen Unternehmensinteresses. Sie ist wesentliche Voraussetzung für den unternehmerischen Erfolg und die nachhaltige Steigerung des Unternehmenswerts. Eine nachhaltige Steigerung des Unternehmenswerts ist nicht nur im Interesse der Aktionärinnen und Aktionäre als wirtschaftliche Eigentümerinnen und Eigentümer bzw. Risikokapitalgebende der Gesellschaft, sondern auch im Interesse der übrigen Anspruchsgruppen.»

In einer Studie des INSEAD Corporate Governance Center (ICGC) und der Boston Consulting Group* aus dem Jahr 2022 gaben 91 Prozent der Verwaltungsratsmitglieder an, dass sie mehr Zeit für strategische Überlegungen zur Nachhaltigkeit aufwenden wollen. Dennoch gaben 70 Prozent an, dass ihre Verwaltungsräte ESG nur mässig oder gar nicht effektiv in die Unternehmensstrategie und -führung integrieren. Tatsächlich gaben 43 Prozent der Verwaltungsräte an, dass die Fähigkeit des Unternehmens, ESG-Strategien umzusetzen, eine der grössten Bedrohungen für die Erreichung von ESG-Zielen darstellt.

*directors-can-up-their-game-on-environmental-social-and-governance-issues-march2022.pdf (insead.edu)

Die Studie stellte fest, dass die Verwaltungsräte aus zwei Hauptgründen mit ESG-Problemen zu kämpfen haben: Zum einen gibt es eine Qualifikationslücke, da die Verwaltungsratsmitglieder möglicherweise nicht über das erforderliche ESG-Fachwissen verfügen. Der andere ist die Konvergenz der hohen Veränderungsgeschwindigkeit und der Komplexität des Wandels bei ESG-Themen.

Die Studie skizzierte sechs zentrale Modelle der «Board Governance», die die ESG-Agenda unterstützen. Zu den Modellen gehören die vollständige Integration, die Ernennung von ESG-Ausschüssen, ESG-Vertreter in Ausschüssen oder Verwaltungsrats-Champions und keine formale Einbindung. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass es keine Einheitslösung gibt, die für alle passt.

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Sechs mögliche Board Governance Strukturen. Quelle: BCG-INSEAD ESG Pulse Check (März 2022).

Hat Ihr Verwaltungsrat seine Kompetenzmatrix und seine Board Governance im Hinblick auf die neuen Offenlegungspflichten in der Schweiz überprüft?

Nicht-finanzielle Offenlegung in der Schweiz:

Ab dem Geschäftsjahr 2023 sind Publikumsgesellschaften, Banken und Versicherungen mit 500 oder mehr Mitarbeitenden und einer Bilanzsumme von mindestens 20 Mio. CHF oder einem Umsatz von mehr als 40 Mio. CHF verpflichtet, öffentlich über nicht-finanzielle Angelegenheiten zu berichten. Ab 2024 müssen die Unternehmen auch über ihre Klimaauswirkungen berichten, wie in der Verordnung über die Offenlegung von Klimadaten festgelegt, die sich auch auf die Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) bezieht. Der Bericht über die nichtfinanzielle Offenlegung muss ab 2024 vom Verwaltungsrat und der Generalversammlung des Unternehmens genehmigt werden.

Schweizerische Sorgfaltspflichten:

Darüber hinaus wurden mit dem Schweizer Obligationenrecht Sorgfalts- und Transparenzpflichten in Bezug auf Mineralien und Metalle aus Konfliktgebieten und Kinderarbeit eingeführt. Die Anforderungen und Ausnahmen, die ab dem Geschäftsjahr 2023 gelten, sind in einer Verordnung festgelegt. Unter anderem müssen die betroffenen Unternehmen eine Lieferkettenpolitik und ein Managementsystem einrichten, das die Rückverfolgbarkeit gewährleistet. Darüber hinaus ist für die Sorgfaltspflicht bei Mineralien und Metallen ein Audit erforderlich.

Beide Berichte über die Sorgfalts- und Transparenzpflichten in Bezug auf Mineralien und Metalle aus Konfliktgebieten und Kinderarbeit müssen vom Schweizer Verwaltungsrat genehmigt und unterzeichnet werden.

Der wachsende ESG-Rechtsrahmen der Europäischen Union

Das Engagement der Schweiz für ESG-Prinzipien steht im Einklang mit den breiteren internationalen Bemühungen zur Förderung von Nachhaltigkeit und verantwortungsvollen Geschäftspraktiken. Ein wesentliches Element dieser globalen Bewegung sind die jüngsten Initiativen der EU, die Auswirkungen auf die in der EU tätigen Schweizer Unternehmen haben könnten. Die Schweizer Regierung hat angekündigt, dass die Schweiz ihre Gesetzgebung an den neuen ESG-Rechtsrahmen der EU anpassen sollte.

  • Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD):

                Die CSRD weitet den Umfang der nicht-finanziellen Berichterstattung erheblich aus. Sie verpflichtet grosse, in der EU börsennotierte Unternehmen und einige nicht börsennotierte Unternehmen zur Offenlegung umfangreicher ESG-Informationen, einschließlich klimabezogener Daten, Umwelt- und Sozialindikatoren und Informationen über die Sorgfaltspflicht in der Lieferkette.

                Schweizer Unternehmen, die in erheblichem Umfang in der EU tätig sind oder Produkte und Dienstleistungen in der EU verkaufen, müssen möglicherweise die CSRD-Anforderungen erfüllen und damit ihre Berichterstattungspraxis an die EU-Standards anpassen.

  • Richtlinie über die unternehmerische Sorgfaltspflicht im Bereich der Nachhaltigkeit (CSDDD):

                Die vorgeschlagene CSDDD ist eine weitreichende Verordnung, die darauf abzielt, Unternehmen für ihre gesamte Lieferkette zur Verantwortung zu ziehen. Im Falle ihrer Verabschiedung würde sie Unternehmen dazu verpflichten, in ihrer gesamten Lieferkette eine Due-Diligence-Prüfung in Bezug auf ESG-Risiken, einschliesslich Umwelt-, Menschenrechts- und Governance-Fragen, durchzuführen. Diese Richtlinie könnte Auswirkungen auf Schweizer Unternehmen haben, die in der EU tätig sind.

Schlussfolgerung

ESG-Erwägungen haben sich über die soziale Verantwortung von Unternehmen hinaus entwickelt und sind heute integraler Bestandteil einer soliden Entscheidungsfindung und Unternehmensführung. Das starke Corporate-Governance-Rahmenwerk der Schweiz, das durch den Swiss Code of Best Practice on Corporate Governance veranschaulicht wird, unterstreicht die Bedeutung von ESG-Aspekten im Geschäftsbetrieb.

Die Sorgfaltspflichten in Bezug auf Konfliktmineralien und Kinderarbeit, die nach Schweizer Recht obligatorisch sind, spiegeln das Engagement der Schweiz für verantwortungsvolle Geschäftspraktiken wider. Schweizer Unternehmen müssen ihre Geschäftstätigkeit jährlich überprüfen, um die Einhaltung dieser Verpflichtungen zu gewährleisten.

Da die EU ihren ESG-Rechtsrahmen durch Initiativen wie die CSRD und die vorgeschlagene CSDDD stärkt, müssen Schweizer Unternehmen, die in der EU tätig sind, auf dem Laufenden bleiben, sich an diese sich entwickelnden Standards anpassen und auf die künftige Schweizer Gesetzgebung vorbereitet sein.

Die Anpassung an diese internationalen ESG-Trends fördert nicht nur die Nachhaltigkeit, sondern stärkt auch den Ruf und die Wettbewerbsfähigkeit von Schweizer Unternehmen auf dem globalen Markt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ESG nicht nur ein Trend, sondern ein grundlegender Aspekt der modernen Governance ist und dass es für den langfristigen Erfolg des Unternehmens unerlässlich ist, in der (Board) Governance auf dem neuesten Stand zu sein.