22. November 2021

Medizinprodukt nach neuem Recht: ja oder nein?

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Die aktuelle Revision des Medizinprodukterechts ist bereits vor einem halben Jahr in Kraft getreten, doch zahlreiche Aspekte der Reform sind noch ungeklärt und verunsichern die Branche. Eine zentrale Frage bei der Regulierung von Medizinprodukten ist, welche Produkte von den Vorschriften überhaupt erfasst sind. Dieser Beitrag bietet deshalb einen Überblick über den Geltungsbereich des revidierten Medizinprodukterechts – mit Fokus auf die angepasste Definition des Begriffs «Medizinprodukt». Er schliesst damit an unsere vorherigen Artikel zum Thema an.

Die aktuelle Revision des Medizinprodukterechts ist bereits vor einem halben Jahr in Kraft getreten, doch zahlreiche Aspekte der Reform sind noch ungeklärt und verunsichern die Branche. Eine zentrale Frage bei der Regulierung von Medizinprodukten ist, welche Produkte von den Vorschriften überhaupt erfasst sind. Dieser Beitrag bietet deshalb einen Überblick über den Geltungsbereich des revidierten Medizinprodukterechts – mit Fokus auf die angepasste Definition des Begriffs «Medizinprodukt». Er schliesst damit an unsere vorherigen Artikel zum Thema an. 

I. Was qualifiziert als Medizinprodukt?

Ein Medizinprodukt kann ein Instrument, ein Gerät, eine Software, Apparate, Implantate, Reagenzien, Materialien oder andere Gegenständemit sein, welche einen medizinischen Zweck haben oder bei welchen ein medizinischer Zweck angepriesen wird. Medizinprodukte werden im Zusammenhang mit der Behandlung oder Prävention von Krankheiten eingesetzt; klassische Medizinprodukte sind auch Geräte zur Erkennung und Überwachung von Krankheiten. Als Medizinprodukte gelten daher etwa Heftpflaster, Fieberthermometer, Krücken und Rollstühle, aber auch Herzschrittmacher oder die COVID-App.

Davon zu unterscheiden sind die ebenfalls im Heilmittelgesetz (HMG) geregelten Arzneimittel, die allerdings detaillierter reguliert sind und restriktiveren Vorgaben unterliegen. «Heilmittel» ist der Oberbegriff, er umfasst sowohl Arzneimittel als auch Medizinprodukte. Während «Arzneimittel» eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung entfalten (medizinische Einwirkung), erfolgt die Anwendung von «Medizinprodukten» auf einem mechanischen, physikalischen oder physiko-chemischen Weg (medizinische Verwendung).

II. Medizinischer Zweck keine zwingende Voraussetzung mehr

Die oben erwähnten Produkte mit medizinischer Zweckbestimmung waren bereits nach altem Recht als Medizinprodukte eingeordnet. Neu kommen aber einzelne Produktegruppen hinzu, die keine medizinische Zweckbestimmung haben. Diese Erweiterung des Geltungsbereichs wurde in Übereinstimmung mit der neuen Rechtslage in der EU vorgenommen.

Der Schweizer Gesetzgeber hat die nunmehr erfassten Produktgruppen in Anhang 1 der revidierten Medizinprodukteverordnung (MepV) aufgelistet. Diese Liste erfasst z.B. Kontaktlinsen ohne Korrektur oder Laser zur Entfernung von Tattoos. Die aufgezählten Produkte sind weisen ähnliche oder gleiche Risiken wie die klassischen Medizinprodukte auf. Sie werden deshalb zur Verbesserung der Qualität der Produkte und der Sicherheit der Patienten nun ebenfalls durch das Medizinprodukterecht reguliert.

III. Software als Medizinprodukt

Mit der Revision soll unter anderem die Qualifikation von Software als Medizinprodukt klarer bestimmt werden können. Mit der Revision wurden auch strengere Vorgaben für Medical Device Software («MDSW») eingeführt.

Ob eine Software als Medizinprodukt gilt, kann unter Umständen schwierig zu beurteilen sein. Doch aufgrund der Bestrebungen, das schweizerische Recht an das Recht der EU anzugleichen, können zur Auslegungshilfe die Grundlagen des EU-Rechts herangezogen werden. Als Hilfsmittel empfiehlt sich z.B. das Dokument «Guidance on Qualification and Classification of Software» (MDCG 2019-11), das verschiedene Hinweise und Beispiele zur Qualifikation von Software als Medizinprodukt aufführt.

Ein MDSW muss für die medizinische Verwendung am Menschen bestimmt sein und eigenständig mindestens einen medizinischen Zweck erfüllen. Von den MDSW zu unterscheiden sind insbesondere Apps, die eine blosse Begleitung für Fitnesstraining oder Diäten anbieten. Ein MDSW muss zudem einen medizinischen Zweck für ein einzelnes Individuum haben. Dieses Kriterium schliesst Software mit reiner Funktion zur Sammlung oder Strukturierung von medizinischen Daten aus dem Geltungsbereich der MepV aus. Eine explizite Erwähnung in der Medizinprodukteverordnung finden indes Produkte für die Empfängnisverhütung oder -förderung. «Fertilitäts-Apps» bzw. «Verhütungs-Apps» gelten somit unabhängig vom medizinischen Zweck als Medizinprodukte.

Gerne steht Ihnen unser auf das Gesundheitsrecht spezialisierte Team in allen Belangen beim Inverkehrbringen, Vertrieb und Import/Export von Medizinprodukten zur Verfügung. Wir unterstützen Sie schnell und praxisnah bei der Klärung offener Fragen im Zusammenhang mit der Regulierung von Medizinprodukten, insbesondere auch mit Medical Device Software.

Ihr Team