22. Dezember 2023

Non-Financial-Report nach dem OR: Pflichten von Generalversammlung und Verwaltungsrat

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Welche formalen Pflichten haben Verwaltungsrat und Generalversammlung in Bezug auf den nichtfinanziellen Bericht nach Art. 964 ff. OR?

  • Dr. Martin Eckert

    Legal Partner
  • Stephan F. Greber

    Legal Associate
  • Adrian Peyer

    Legal Partner

I. Verwaltungsrat: Wie hat die Genehmigung zu erfolgen? Wer hat zu unterzeichnen?

Neben der Genehmigung durch die Generalversammlung verlangt das Gesetz auch eine Genehmigung und Unterzeichnung durch den Verwaltungsrat als oberstes Leitungsorgan einer Aktiengesellschaft.[1]

Die Genehmigung durch den Verwaltungsrat hat durch einen formellen Beschluss zu erfolgen. Dieser richtet sich nach Art. 713 OR und etwaigem internem Organisationsreglement. Die Beschlussfassung ist zum Beispiel mittels Zirkularbeschluss oder physisch an einer Verwaltungsratssitzung möglich, wobei das entsprechende Protokoll vom Vorsitzenden und vom Protokollführer unterzeichnet wird.

Gemäss Wortlaut von Art. 946c OR bedarf es zusätzlich der Unterzeichnung durch das oberste Organ und damit – e contrario – nicht durch die einzelnen Mitglieder des Verwaltungsrates. Unseres Erachtens ist daher, nach der formellen Genehmigung, welche durch einen protokollierten Beschluss des Verwaltungsrates erfolgt, die Unterzeichnung des nichtfinanziellen Berichts durch den Verwaltungsratspräsidenten (sowie eines weiteren Mitglieds je nach Zeichnungsberechtigung) ausreichend.[2]

Die formale Genehmigung des nichtfinanziellen Berichts durch den Verwaltungsrat ist entscheidend. Die Unterzeichnung des Berichts hat in diesem Zusammenhang lediglich deklaratorische und keine über die Genehmigung hinausgehende Wirkung.[3] Der Gesetzgeber betont mit der geforderten Unterzeichnung die persönliche Verantwortlichkeit der Verwaltungsratsmitglieder für die Richtigkeit des Berichts.[4]

II. Generalversammlung: Genehmigung oder Kenntnisnahme?

Es bestehen unterschiedliche Ansichten, ob die Generalversammlung den nichtfinanziellen Bericht wirklich genehmigen muss oder ob womöglich bereits eine Konsultativabstimmung genügt.[5]

Der Gesetzeswortlaut von Art. 964c OR verlangt ausdrücklich eine Genehmigung durch die Generalversammlung. Der Begriff «Genehmigung» entspricht dem Terminus bei der «Genehmigung» der Jahresrechnung durch die Generalversammlung (siehe Art. 698 Abs 2 Ziff. 4 OR). Die Regeln für die Jahresrechnung sind daher, unserer Einschätzung nach, analog anzuwenden.

Der Begriff «Genehmigung» steht denn auch im Gegensatz zum Wortlaut des Art. 735 Abs. 3 Ziff. 4 OR, wo der Gesetzgeber ausdrücklich von einer Konsultativabstimmung beim Vergütungsbericht spricht.[6] Eine Kenntnisnahme durch die Generalversammlung entspräche nicht dem Willen des Gesetzgebers und ist nicht ausreichend.[7] Die Argumentation zugunsten einer reinen Konsultativabstimmung vermag nicht zu überzeugen.

Somit ist unserer Meinung nach der nichtfinanzielle Bericht der Generalversammlung vorzulegen und diese kann diesen mit oder ohne Einschränkung genehmigen oder zurückweisen (vgl. dazu Art. 728b Abs. 2 Ziff. 4 OR).

Die Genehmigung des nichtfinanziellen Berichts durch den Verwaltungsrat und die Generalversammlung ist auch Voraussetzung für die Veröffentlichung.[8] Die Konsequenz einer Nichtgenehmigung ist daher, dass der Bericht nicht wie gesetzlich vorgeschrieben, publiziert werden kann. Daher muss unseres Erachtens der Verwaltungsrat dafür sorgen, dass der Bericht überarbeitet und nochmals zur Genehmigung vorgelegt wird. Bei der Regelung, dass der nichtfinanzielle Bericht innert sechs Monaten nach Jahresabschluss zu publizieren ist, handelt es sich unserer Einschätzung nach um eine Ordnungsvorschrift.

Die Ansicht, dass bei Genehmigungsverweigerung durch die Generalversammlung der Verwaltungsrat erst im nächsten Bericht auf die Ablehnungsgründe eingehen müsse, erscheint uns nicht überzeugend. Ebenso wenig, dass eine erneute Vorlage des Berichts zur Genehmigung dann nicht mehr notwendig sei.[9]

III. Elektronische Veröffentlichung und Aufbewahrung

Umgehend nach der Genehmigung ist der Bericht auf der Website zu veröffentlichen und sollte dort während 10 Jahren zugänglich bleiben (gemäss Art. 964c Abs. 2 und 3 i.V.m. Art. 958f OR).

Unseres Erachtens kann der nichtfinanzielle Bericht aber auch bereits vor der Genehmigung durch die GV auf der Website publiziert werden. Wir empfehlen in diesem Fall einen Hinweis auf der Website anzubringen, dass der Bericht noch von der GV genehmigt werden muss.

 

Lesen Sie das Interview von Dr. Martin Eckert zum Thema "Nachhaltige Unternehmensführung in der Schweiz: Empfehlungen für KMUs vor Klimaberichterstattung".

[1] Art. 964c Abs. 1 OR.
[2] gl. M. Böckli Peter, Schweizer Aktienrecht, 5. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2022, Rz. 714.
[3] Fäh Claudio, Die Anwendbarkeit des Aktienrechts auf die Schweizerische Nationalbank, Zürich/Basel/Genf 2023 (= ZStöR 287), Fussnote 1657.
[4] Art. 325ter StGB, Fäh Claudio, Die Anwendbarkeit des Aktienrechts auf die Schweizerische Nationalbank, Zürich/Basel/Genf 2023 (= ZStöR 287), Fussnote 1657.
[5] Schenker Urs/Schenker Olivier, Praxisleitfaden zum revidierten Aktienrecht, Übersichten, Gestaltungshinweise und Handlungsempfehlungen, Bern 2023, S. 368.
[6] Kaufmann Christine/Biggoer Serge, in: Berner Kommentar, Das Aktienrecht - Kommentar der ersten Stunde, Bern 2023, § 29 Konzernverantwortung Art. 964a–c OR N 34.
[7] Kaufmann Christine/Biggoer Serge, in: Berner Kommentar, Das Aktienrecht - Kommentar der ersten Stunde, Bern 2023, § 29 Konzernverantwortung Art. 964a–c OR N 34; a. M. Böckli Peter, Schweizer Aktienrecht, 5. Aufl., Zürich/Basel/Genf 2022, Rz. 714; a. M. Forstmoser Peter/Küchler Marcel, in: Schweizerisches Aktienrecht 2020, Mit neuem Recht der GmbH und der Genossenschaft und den weiteren Gesetzesänderungen, Bern 2022, Art. 964c OR N 4.
[8] Art. 964c Abs. 2 Ziff. 1 OR; gl. M. SIX-Nachhaltigkeitshandbuch, 11.2023, S. 27.
[9] SIX-Nachhaltigkeitshandbuch, 11.2023, S. 27.