15. Mai 2025

Interne Untersuchungen in der Schweiz: Teil III

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  • Arbeit / Immigration

Umgang der Arbeitgeberin mit gemeldeten Vorwürfen

  • Filippo Börner

    Junior Legal Associate
  • Marcel Stucky

    Senior Legal Associate
  • Michèle Stutz

    Legal Partner

Immer häufiger führen Unternehmen sog. interne Untersuchungen durch, wenn ihnen Vorwürfe oder Missstände gemeldet werden. Der vorliegende Magazinbeitrag greift einige Aspekte in diesem Zusammenhang auf: Aus welchen Gründen kann die Durchführung einer internen Untersuchung angezeigt sein und was haben Unternehmen zu beachten, wenn sie sich zur Durchführung entscheiden? Ist beispielsweise eine Regelung dieser Thematik in einer internen Weisung sinnvoll?

1. Aus welchen Gründen kann die Durchführung einer internen Untersuchung sinnvoll sein?

Interne Untersuchungen bieten die Möglichkeit, gemeldete Vorwürfe oder Missstände intern aufzuklären, d.h. ausserhalb eines staatlichen Verfahrens. Durch die Einleitung einer internen Untersuchung zeigt die Arbeitgeberin, dass sie solche Vorfälle ernst nimmt und transparent aufarbeitet.

Dies kann erstens der Erwartungshaltung von Stakeholdern wie Aktionären und Geschäftspartnern entsprechen, da interne Untersuchungen auch dazu dienen können, etwaige Reputationsrisiken der Arbeitgeberin proaktiv einzugrenzen. Eine Arbeitgeberin kann rasch in ein schlechtes Licht geraten, wenn Vorwürfe oder Missstände öffentlich werden und ihr Tatenlosigkeit vorgeworfen werden kann.

Ernsthaftigkeit zu demonstrieren, indem eine interne Untersuchung eingeleitet wird, schafft zweitens Vertrauen der Arbeitnehmer in ihr Unternehmen. Nicht zuletzt kann dadurch auch die Bereitschaft der Arbeitnehmer gefördert werden, in anderen Fällen interne Meldestellen (Whistleblowing-Stellen) zu nutzen, anstatt die Missstände direkt an die Öffentlichkeit zu tragen – mit damit einhergehenden Reputationsrisiken für die Arbeitgeberin (vgl. in Bezug auf die Einrichtung einer Whistleblowing-Stelle auch unseren Magazinartikel vom 19. November 2020).

Von diesen Reputationsrisken abgesehen können interne Untersuchungen drittens die finanziellen Risiken in Zusammenhang mit Verdachtskündigungen reduzieren. Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn die Arbeitgeberin einen Arbeitnehmer fristlos oder unter Einhaltung der Kündigungsfrist basierend auf Gründen entlässt, deren Existenz die Arbeitgeberin nur vermutet, d.h. die nicht bzw. noch nicht bewiesen sind. Eine solche Verdachtskündigung kann unter Umständen ungerechtfertigt (im Falle der fristlosen Entlassung) oder missbräuchlich (im Falle der ordentlichen Kündigung) sein mit entsprechenden Entschädigungsfolgen für die Arbeitgeberin. Zu denken ist bspw. an den Fall, in welchem der beschuldigte Arbeitnehmer nicht vorab über die ihn betreffenden Anschuldigungen angehört wurde oder die Arbeitgeberin die gegen den ihn vorgetragenen Anschuldigungen ohne nähere Überprüfung als gegeben unterstellte. Es ist aber darauf hinzuweisen, dass Verdachtskündigungen nicht per se unzulässig sind, mithin auch für zulässig befunden werden können, wenn sich der Verdacht im Nachgang an die Kündigung gar als unbegründet erweisen sollte. Eine von der Arbeitgeberin veranlasste interne Untersuchung kann hier aber allgemein insofern einen wichtigen Beitrag leisten, als dass die in den Raum gestellten Verdächtigungen umfassend abgeklärt werden und der Arbeitgeberin eine bessere Grundlage für den Entscheid der Kündigung geliefert wird. Dadurch kann das Risiko von Entschädigungszahlungen verringert werden.

Und schliesslich können interne Untersuchung allgemein die Gelegenheit bieten, systemische Probleme (wie beispielsweise unzureichende Compliance-Prozesse) zu identifizieren und konkrete Änderungsvorschläge zwecks Vermeidung von künftigen Problemen zu formulieren.

2. Was muss ich als Arbeitgeberin beachten, wenn ich mich zur Durchführung einer internen Untersuchung entschieden habe?

Die obigen Ausführungen haben gezeigt, dass es gute Gründe für die Durchführung einer internen Untersuchung gibt. Den Medien konnten in letzter Zeit aber vermehrt kritische Stimmen vor allem aus Sicht des beschuldigten Arbeitnehmers entnommen werden: Die internen Untersuchungen würden ausufern und der beschuldigte Arbeitnehmer sei solchen Untersuchungen schutzlos ausgeliefert, weil die strafprozessualen Garantien keine Anwendung finden würden. Diese Kritik scheint weniger die Frage zu betreffen, ob interne Untersuchungen einzuleiten sind, sondern vielmehr die Frage, wie diese durchzuführen sind.

Es ist zwar zutreffend, dass gestützt auf die neueste bundesgerichtliche Rechtsprechung die strafprozessualen Garantien wie das (absolute) Aussageverweigerungsrecht bei internen Untersuchungen nicht gelten. Das heisst aber nicht, dass interne Untersuchungen in einem rechtsfreien Raum zu verorten sind und der beschuldigte Arbeitnehmer gewissermassen schutzlos ist. Richtig ist einzig, dass es keine eigenständige gesetzliche Regelung von internen Untersuchungen gibt. Die rechtlichen Rahmenbedingungen, welche bei einer internen Untersuchung zu beachten sind, können vielmehr verschiedenen Rechtserlassen entnommen werden.

Eine wichtige, von der Arbeitgeberin zu beachtende Pflicht ist ihre Fürsorgepflicht gemäss Art. 328 OR. Gestützt darauf hat die Arbeitsgeberin dem beschuldigten Arbeitnehmer gewisse Verfahrensrechte zu gewährleisten. So ist dem beschuldigten Arbeitnehmer im Rahmen einer internen Untersuchung das rechtliche Gehör zu gewähren, d.h. es ist ihm die Gelegenheit zu geben, sich zu den Vorwürfen zu äussern und entlastende Beweise vorzubringen. Auch muss die Arbeitgeberin sicherstellen, dass die Untersuchung fair und verhältnismässig durchgeführt wird. Ein übertrieben autoritäres Auftreten sowie übermässiger Druck durch einschüchternde und bedrängende Befragungsmethoden können nötigend sein und unter Umständen rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Schon allein deshalb ist für die Durchführung der Beizug geschulten Personals oder externer Dritter empfehlenswert.

Es ist somit zu betonen, dass die mit internen Untersuchungen Betrauten sehr wohl rechtliche Leitplanken zu respektieren haben. Innerhalb dieser rechtlichen Leitplanken hat die Arbeitgeberin aber einen gewissen Gestaltungsspielraum, wie sie die interne Untersuchung durchführen will. Damit hat es die Arbeitgeberin ein Stück weit selbst in der Hand, sicherzustellen, dass interne Untersuchung nicht ausufern. Nicht jede interne Untersuchung bedarf der umfassenden Auswertung von E-Mails (E-Discoveries) oder der Befragung einer Vielzahl von Zeugen. Vielmehr ist die interne Untersuchung am konkreten Sachverhalt entsprechend aufzugleisen.

3. Ist eine Regelung von internen Untersuchungen in einer speziellen Weisung sinnvoll?

Eine Regelung in einer internen Weisung ist nicht zwingend, kann aber sinnvoll sein, um die Zuständigkeiten, den Ablauf bzw. Prozess der internen Untersuchungen zu standardisieren und klare, transparente Regeln festzulegen. Durch Vorgaben zum Verfahrensablauf, insbesondere mit welchen Mitteln untersucht werden kann (z.B. Zugriff auf die E-Mails eines Arbeitnehmers) und wie die Unabhängigkeit der untersuchenden Personen sichergestellt wird, den Rechten und Pflichten der Beteiligten sowie den datenschutzrechtlichen Anforderungen (insb. Hinweise auf die Auskunftsrechte) wird ein geordnetes Verfahren sichergestellt. Das kann das Vertrauen der Arbeitnehmer in den gesamten Prozess stärken.

Entscheidet sich die Arbeitgeberin zur Aufnahme einer solchen Regelung in einer Weisung, ist es aber entscheidend, dass sich die Arbeitgeberin ein gewisses Mass an Ermessen vorbehält. Ansonsten kann sich eine zu starre Regelung gewissermassen als Eigengoal für die Arbeitgeberin erweisen und zum Beispiel zu einer missbräuchlichen Kündigung führen. Insofern ist es durchaus vertretbar, auf eine entsprechende Regelung gänzlich zu verzichten und das konkrete Vorgehen stattdessen jeweils einzelfallweise zu definieren und kommunizieren.

4. Fazit

Interne Untersuchungen sind ein wichtiges Instrument für Arbeitgeberinnen, um auf Vorwürfe und Missstände im Unternehmen angemessen zu reagieren. Sie bieten die Möglichkeit, Vorwürfe gründlich zu klären und betriebliche Massnahmen rechtlich abzusichern. Die Durchführung solcher Untersuchungen muss jedoch sorgfältig geplant und durchgeführt werden, um rechtliche Fallstricke zu vermeiden und die Rechte der betroffenen Arbeitnehmer zu wahren – ungeachtet der Nichtanwendung der strafprozessualen Garantien. Eine interne Weisung kann als hilfreiches Instrument dienen, um den Ablauf solcher Untersuchungen zu strukturieren und Transparenz zu schaffen, vorausgesetzt, man behält sich ein gewisses Mass an Ermessen vor.

Gerne beraten wir Sie als Arbeitgeberin bei der Untersuchung von Meldungen über Missstände am Arbeitsplatz und bei der Aufsetzung von entsprechenden Weisungen.

In einer dreiteiligen Magazinbeitragsserie werden «Interne Untersuchungen in der Schweiz» aus drei verschiedenen Blinkwinkeln rechtlich thematisiert: aus den Blickwinkeln von Whistleblowern (Teil I), der «beschuldigten Person» (Teil II) und der Arbeitgeberin (Teil III).

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