07. Mai 2025

Interne Untersuchungen in der Schweiz: Teil II

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Gegen mich wird eine interne Untersuchung eingeleitet: Was nun?

  • Filippo Börner

    Junior Legal Associate
  • Marcel Stucky

    Senior Legal Associate
  • Michèle Stutz

    Legal Partner

 

Immer häufiger führen Unternehmen so genannte interne Untersuchungen durch, um ihnen gemeldete Vorwürfe intern nachzugehen, d.h. aufzuklären. Für die betroffenen Arbeitnehmer, gegen die solche Untersuchungen eingeleitet werden, kann dies aus heiterem Himmel kommen. Da sich solche Untersuchungen auch in die Länge ziehen können, kann dies für die betroffenen Arbeitnehmer sehr belastend sein.

In diesem Artikel werden zwei Aspekte behandelt: Zum einen die Rechte der betroffenen Arbeitnehmer, zum anderen die Auswirkungen interner Untersuchungen auf das Anstellungsverhältnis.

1. Welche Rechte habe ich? Kann ich die Aussage und Mitwirkung verweigern?

Werden betroffene Arbeitnehmer erstmals mit Vorwürfen konfrontiert, stellen sich meist folgende Fragen: Wer hat mich beschuldigt? Was genau wird mir vorgeworfen und wie soll ich auf diese Vorwürfe reagieren? Antworten auf diese Fragen gibt die jüngste Rechtsprechung des Bundesgerichts. In seinem Urteil 4A_368/2013 vom 19. Januar 2024 hat das Bundesgericht festgehalten, dass die strafprozessualen Garantien keine Anwendung finden.

Dies hat weitreichende Auswirkungen auf die Rechte der betroffenen Arbeitnehmer im Rahmen interner Untersuchungen. Insbesondere steht dem betroffenen Arbeitnehmer kein umfassendes Recht auf Akteneinsicht zu. Auch ist die Arbeitgeberin zwar verpflichtet, die betroffenen Arbeitnehmer über die Vorwürfe zu informieren. Die Arbeitgeberin ist aber nicht verpflichtet, die Personalien der Person, welche die Vorwürfe erhoben hat, bekannt zu geben. Schliesslich besteht auch kein garantiertes absolutes Aussage- und Mitwirkungsverweigerungsrecht wie im Strafverfahren: Arbeitnehmer sind grundsätzlich verpflichtet, ihrer Arbeitgeberin umfassend und wahrheitsgetreu über alle geschäftlichen Vorgänge Auskunft zu geben und bei internen Untersuchungen mitzuwirken (vgl. Art. 321a Abs. 1 OR).

Die Nichtanwendung strafprozessualer Garantien bedeutet jedoch nicht, dass die betroffenen Arbeitnehmer internen Untersuchungen gewissermassen schutzlos ausgeliefert sind und die Arbeitgeberin sich an keinerlei Vorgaben zu halten braucht.

So wird in der arbeitsrechtlichen Literatur der Ansatz vertreten, dass ein Aussageverweigerungsrecht zumindest in den Fällen zulässig sein soll, in denen der betroffene Arbeitnehmer vernünftigerweise damit rechnen muss, dass neben der internen Untersuchung auch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen ihn anhängig ist oder eingeleitet wird. In diesen Fällen sollte der Arbeitnehmer nach Auffassung einiger Autoren nicht verpflichtet sein, sich strafrechtlich selbst zu belasten (sog. nemo-tenetur-Grundsatz). Ebenso sollten die betroffenen Arbeitnehmer (proaktiv) verlangen, dass sie von einer Person ihres Vertrauens (z.B. einem Rechtsanwalt) zu den Befragungen begleitet werden können (was aber umstritten ist).

2. Mit welchen Folgen einer internen Untersuchung muss ich rechnen?

Nach Durchführung der internen Untersuchung und bei Bestätigung der gemeldeten Vorwürfe entscheidet die Arbeitgeberin, welche Konsequenzen zu ziehen sind. Sie kann z.B. eine Verwarnung aussprechen. Sie kann dem betroffenen Arbeitnehmer aber auch fristlos oder ordentlich kündigen. Es gilt der Grundsatz der Kündigungsfreiheit. In beiden Fällen ist die Kündigung wirksam, auch wenn sie ungerechtfertigt oder missbräuchlich ausgesprochen wurde.

Eine fristlose Kündigung kann ungerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeberin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich die Vorwürfe als nicht schwerwiegend genug erweisen. Umgekehrt kann eine Kündigung missbräuchlich sein, wenn die Arbeitgeberin die ihr gemeldeten Vorwürfe ohne genügende Abklärungen als erwiesen hinnimmt oder die betroffenen Arbeitnehmer nicht ausreichend über die Vorwürfe informiert. In beiden Fällen sind die Folgen finanzieller Natur; eine Wiedereinstellung kann nicht verlangt werden (eine Ausnahme ist einzig gemäss Gleichstellungsgesetz möglich).

3. Fazit: Sich über die Spielregeln klar sein und eine Strategie festlegen

Die Herausforderungen interner Untersuchungen aus Sicht der betroffenen Arbeitnehmer liegen vor allem darin, dass sie im Gegensatz zu strafrechtlichen Ermittlungen nicht in ein enges gesetzliches Gewand gekleidet sind. Die Arbeitgeberin ist in der Ausgestaltung relativ frei und die betroffenen Arbeitnehmer können nicht ohne weiteres auf strafprozessuale Garantien vertrauen. Vielmehr bedarf es häufig einer Interessenabwägung, um konkrete Fragen wie z.B. den Umfang der Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung zu beantworten. Es empfiehlt sich, frühzeitig eine Fachperson hinzuzuziehen, um sich mit den Spielregeln vertraut zu machen und eine Strategie festzulegen, die über das Ende der internen Untersuchung hinausgeht.

Gerne beraten und vertreten wir Sie als betroffene Arbeitnehmerin oder betroffener Arbeitnehmer im Rahmen von internen Untersuchungen und damit zusammenhängenden Gerichtsverfahren.

In einer dreiteiligen Magazinbeitragsserie werden «Interne Untersuchungen in der Schweiz» aus drei verschiedenen Blinkwinkeln rechtlich thematisiert: aus den Blickwinkeln von Whistleblowern (Teil I), der «beschuldigten Person» (Teil II) und der Arbeitgeberin (Teil III).

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