10. Juli 2023

Gesetzlich geregelte Stiftungsaufsichtsbeschwerde

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Durch das Inkrafttreten des neuen Stiftungsrechts am 1. Januar 2024, wird die Stiftungsaufsichtsbeschwerde erstmalig gesetzlich geregelt. Dabei wird der Kreis der beschwerdeberechtigten Personen abschliessend definiert.

Geltendes Recht

Unter geltendem Recht ist die Stiftungsaufsichtsbeschwerde nicht explizit gesetzlich geregelt. Lehre und Rechtsprechung leiten die Stiftungsaufsichtsbeschwerde aus Art. 84 Abs. 2 ZGB ab, wonach die Aufsichtsbehörde dafür zu sorgen hat, dass das Stiftungsvermögen seinen Zwecken gemäss verwendet wird. Stiftungen unterstehen aufgrund ihrer Rechtsform unter öffentlich-rechtlicher Aufsicht, welche sicherzustellen hat, dass der Wille des Stifters respektive der Stifterin eingehalten und damit die Verwirklichung des Stiftungszwecks umgesetzt wird. Ebenfalls soll die Aufsicht gewährleisten, dass die Funktionsfähigkeit der Stiftung gegeben ist.

Zusätzlich zur Beaufsichtigung durch die Aufsichtsbehörden, können bestimmte Personen gegen rechts- und statutenwidrige Handlungen beziehungsweise Unterlassungen der Stiftungsorgane bei der zuständigen Aufsichtsbehörde Beschwerde erheben und deren Tätigwerden verlangen.

Die Notwendigkeit einer Stiftungsaufsichtsbeschwerde wird mit dem Umstand begründet, dass ohne eine solche Beschwerdemöglichkeit keine Möglichkeit bestehen würde, pflichtwidriges Verhalten der Stiftungsorgane anzufechten und gerichtlich überprüfen zu lassen. Dies im Gegensatz zur ebenfalls aus Art. 84 Abs. 2 ZGB abgeleiteten Anzeige, bei welcher jedermann, auch ohne Interessennachweis, eine Anzeige an die Aufsichtsbehörden richten kann, ohne dass dem Anzeigenden im Verfahren Parteirechte noch eine Weiterzugsmöglichkeit zustehen.

Das Bundesgericht führte dazu in BGE 107 II 385 aus, dass die Möglichkeit der Stiftungsaufsichtsbeschwerde zu einer sorgfältigeren Ausübung der Stiftungsaufsicht beitrage, was Gewähr für eine wirksame Kontrolle der Stiftungsorgane biete. Die Stiftungsaufsichtsbeschwerde habe folglich die Funktion, einen ausreichenden Rechtsschutz zu gewährleisten, weshalb der Kreis der Beschwerdeberechtigten weit zu ziehen sei und einen genügenden Rechtsschutz für diejenigen Personen gewährleisten soll, die mangels einer entsprechenden gesetzlichen oder statutarischen Regelung auf dem Wege der Zivilklage keine Rechtsansprüche gegen die Stiftung geltend machen können. Von einer Konkretisierung des Kreises der Beschwerdeberechtigten hat das Bundesgericht indes Abstand genommen.

In einem jüngeren Entscheid (BGE 144 III 433) hat das Bundesgericht seine Rechtsprechung zu den Voraussetzungen sowie zur Beschwerdelegitimation im Rahmen der Stiftungsaufsichtsbeschwerde nochmals in Erinnerung gerufen. So setzt die Stiftungsaufsichtsbeschwerde ein eigenes Interesse des Beschwerdeführers an die Anordnung der von ihm geforderten Massnahmen voraus. Folglich muss jede Person, die einmal in die Lage kommen kann, eine Leistung oder einen anderen Vorteil von der Stiftung zu erlangen, zur Beschwerde legitimiert sein. Da bei Stiftungen der Kreis der Destinatäre jedoch sehr gross, mitunter sogar unbegrenzt, sein kann, ist gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung als Destinatär zur Stiftungsaufsichtsbeschwerde nur legitimiert, wer eine «besondere Nähe» zur Stiftung besitzt und durch einen angefochtenen Entscheid «besonders berührt» ist und ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung respektive Änderung vorweisen kann. Mitunter bejaht wird unter denselben Voraussetzungen auch die Legitimation von Stiftungsratsmitgliedern sowie dem Stifter beziehungsweise der Stifterin. Ferner ist es unter Anwendung der massgeblichen Rechtsprechung denkbar, dass auch weitere Personen beschwerdelegitimiert sind, welche in einem besonderen Näheverhältnis zur Stiftung stehen, wobei dies stets im konkreten Einzelfall zu beurteilen ist.

Neues Recht (ab 1. Januar 2024)

Im Rahmen der Revision des Stiftungsrechts sowie der damit verbundenen Kodifikation der Stiftungsaufsichtsbeschwerde, sollte denjenigen Personen, die ein «berechtigtes Kontrollinteresse» haben, dass die Verwaltung der Stiftung mit dem Gesetz und der Stiftungsurkunde in Einklang steht, ein Beschwerderecht zukommen.

Um der Problematik rund um die Legitimation zu entgegen, entschied sich das Parlament jedoch dazu, den Begriff des berechtigten Kontrollinteresses zu verwerfen und eine abschliessende Aufzählung über das Bestehen der Beschwerdelegitimation in das Gesetz aufzunehmen. Demnach können Begünstigte oder Gläubiger der Stiftung, der Stifter, Zustifter und ehemalige und aktuelle Stiftungsratsmitglieder, welche ein Interesse daran haben, dass die Verwaltung der Stiftung mit Gesetz und Stiftungsurkunde in Einklang steht, gegen Handlungen und Unterlassungen der Stiftungsorgane Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde erheben.

Auch wenn eine solche (abschliessende) Aufzählung der beschwerdeberechtigten Personen im Sinne der Rechtssicherheit zu begrüssen ist, vor allem im Vergleich zur bisherigen, oftmals unklaren Beschwerdelegitimation, wird der Wortlaut von Art. 84 Abs. 3 nZGB bereits vor Inkrafttreten in der Lehre teilweise heftig kritisiert. Insbesondere die zu eng gefasste Aufzählung, welche willkürlich erscheine und im Verlaufe der parlamentarischen Verhandlungen nochmals verengt wurde, gibt Anlass zu Diskussionen. So werden unter dem neuen Recht die Erben beziehungsweise Nachkommen des Stifters respektive der Stifterin wie auch sonstige Stiftungsorgane, beispielsweise Kontroll- und Wahlorgane, von der Legitimation zur Erhebung der Stiftungsaufsichtsbeschwerde ausgeschlossen.

Auch dass neu nur noch ein «Interesse» statt eines «berechtigten Interesses» zur Beschwerdelegitimation ausreicht, wird in der Lehre teilweise als unglücklich eingestuft. Statt den Kreis der Beschwerdeberechtigten breit zu halten und ihr Recht an ein berechtigtes Interesse zu binden, um eine Popularbeschwerde zu verhindern, habe sich der Gesetzgeber stattdessen dafür entschieden, den Personenkreis der Beschwerdeberechtigten zu begrenzen, der dafür nur noch ein einfaches Interesse haben muss. Unbesehen davon, wird es letztlich weiterhin der Rechtsprechung überlassen sein, unter welchen Voraussetzungen ein Interesse an der Erhebung einer Stiftungsaufsichtsbeschwerde bejaht wird.