11. Januar 2021

Coronavirus: Impfpflicht am Arbeitsplatz?

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Am 19. Dezember 2020 hat Swissmedic die Zulassung für den ersten Covid-19-Impfstoff erteilt. In diesem Zusammenhang stellen sich diverse rechtliche Fragen, u.a. ob und unter welchen Voraussetzungen eine Impfpflicht in der Schweiz möglich ist.

Beitrag zufolge Aufhebung der COVID-Massnahmen nicht mehr aktuell, jedoch für auf die Vergangenheit bezogene Fragen noch von Relevanz.

I. Ausgangslage

Am 19. Dezember 2020 hat Swissmedic die Zulassung für den ersten Covid-19-Impfstoff erteilt. Die Impfung bietet einen raschen und hohen Impfschutz – so soll der Impfschutz sieben Tage nach der zweiten Verabreichung bei Erwachsenen über 90 Prozent betragen. In diesem Zusammenhang stellen sich diverse rechtliche Fragen, u.a. ob und unter welchen Voraussetzungen eine Impfpflicht in der Schweiz möglich ist. Es ist unbestritten, dass eine Impfung ein Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Grundrecht) darstellt und somit nur unter ganz besonderen gesetzlichen Voraussetzungen zulässig ist. Dieser Magazinbeitrag beantwortet Ihnen dazu die wichtigsten rechtlichen Fragen.

II. Staatliche Behörden

Seit Beginn der Pandemie hat der Bundesrat immer wieder betont, dass er für die Schweizer Bevölkerung keine Impfpflicht einführen werde. Vielmehr setze er auf transparente und verständliche Informationen, damit jeder selbst entscheiden könne, ob er oder sie sich impfen lassen wolle. Nichtsdestotrotz besteht nach dem Epidemiengesetz (EpG) für den Bundesrat und die Kantone die Möglichkeit, eine Impfung unter gewissen Voraussetzungen als obligatorisch zu erklären. So kann der Bundesrat in der besonderen Lage gem. Art. 6 Abs. 2 lit. d EpG Impfungen bei gefährdeten Bevölkerungsgruppen, bei besonders exponierten Personen und bei Personen, die bestimmte Tätigkeiten ausüben, für obligatorisch erklären. Auch die Kantone können gem. Art. 22 EpG eine Impfung für die genannten Personengruppen als obligatorisch erklären, sofern zudem eine erhebliche Gefahr besteht.

Dies bedeutet, dass ein generelles Impfobligatorium für die breite Bevölkerung in der Schweiz nicht möglich ist. Für bestimmte Bevölkerungsgruppen, wie z.B. für besonders exponierte Arbeitnehmer im Gesundheitswesen besteht jedoch eine gesetzliche Grundlage, welche es dem Bundesrat und den Kantonen ermöglichen würde, eine Impfpflicht einzuführen.

III. Dienstleistungserbringer/Warenanbieter

Anders sieht es bei privaten Dienstleistungserbringern oder Warenanbieter aus. Privaten Anbietern steht es grundsätzlich frei, für die Benützung ihrer Dienstleistungen einen Impfnachweis zu verlangen. Im Bereich der Grundversorgung sind die Anbieter jedoch aufgrund des Kontrahierungszwangs verpflichtet mit Privaten Verträge zu schliessen. Demnach ist es Anbietern im Bereich der Grundversorgung nicht erlaubt, für die Benützung ihrer Dienstleistungen einen Impfnachweis zu verlangen. Auch im öffentlichen Verkehr besteht grundsätzlich eine Transportpflicht.

IV. Arbeitgeber

Im Bereich des Arbeitsrechts stellt sich die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zu einer Impfung verpflichten kann.

A. Arbeitsvertrag

Eine Impfpflicht für den Arbeitnehmer kann sich daraus ergeben, dass dies bereits im Arbeitsvertrag so vorgesehen ist. Dies ist aber in der Praxis sehr selten der Fall. Während eine solche vertragliche Impfpflicht bei gewissen Gesundheitsberufen vorkommen dürfte, wird dies bei anderen Berufen praktisch nicht anzutreffen sein.

B. Weisung durch den Arbeitgeber

Der Arbeitgeber kann gem. Art. 321d Abs. 1 OR gegenüber seinen Arbeitnehmern einseitig Weisungen zur Konkretisierung des Arbeitsverhältnisses erlassen. Im Rahmen einer Verhaltensanweisung kann der Arbeitgeber bei Vorliegen von besonderen Umständen zum Schutz der Gesundheit des einzelnen Mitarbeiters und des gesamten Betriebes auch eine Weisung zur Vornahme einer Impfung erlassen. Eine Impfpflicht für den gesamten Betrieb wäre dabei in den meisten Fällen unverhältnismässig. Zulässig wäre die Impfpflicht jedoch bei Arbeitnehmern, welche eine besonders exponierte Tätigkeit ausüben, d.h. häufigen Kontakt zu infizierten oder vulnerablen Personen haben.

Missachtet ein Mitarbeiter eine gerechtfertigte Anordnung einer Impfung durch den Arbeitgeber, kann er ihn falls möglich auch auf eine andere Position ohne häufigen Kontakt zu infizierten oder gefährdeten Personen versetzen. Auch ist davon auszugehen, dass eine gestützt auf die Weigerung des Mitarbeiters ausgesprochene Kündigung wohl nicht als missbräuchlich qualifiziert würde, falls die Impfung verweigert wird.

C. Freiwilligkeit

In der Regel empfiehlt es sich, die Impfung nicht über Zwang anzuordnen, da dies kontraproduktiv sein könnte. Viele Arbeitgeber auch in exponierten Tätigkeitsfeldern (insb. Pflege etc.) setzen hier vielmehr auf proaktive Information über die Vor- und Nachteile der Impfung und versuchen, die Arbeitnehmer auf diesem Wege zur Impfung zu motivieren.

V. Fazit

Der Bundesrat sowie die Kantone können eine Impfpflicht nur für einen beschränkten Personenkreis, wie z.B. für besonders exponierte Personen im Gesundheitswesen, einführen. Derzeit ist jedoch nicht beabsichtigt, von diesen Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Auch eine generelle Impfpflicht für die Schweizer Bevölkerung wird es laut mehrmaligen Aussagen des Bundesrates nicht geben – auch fehlt ihm dazu die gesetzliche Grundlage. Anders sieht es bei privaten Anbietern aus: Ihnen steht es grundsätzlich frei, für die Benützung ihrer Dienstleistungen einen Impfnachweis zu verlangen, vorausgesetzt sie erbringen keine Dienstleistungen im Rahmen der Grundversorgung. Für Arbeitgeber empfiehlt es sich, die Arbeitnehmer proaktiv über die Vor- und Nachteile der Impfung zu informieren und sie so zu einer Impfung zu motivieren. Einen gewissen Handlungsspielraum kommt dem Arbeitgeber durch das Weisungsrecht zu: So kann sich im Einzelfall eine Weisung zur Vornahme einer Impfung z.B. bei Personen, die einer besonders exponierten Tätigkeit nachgehen, rechtfertigen.

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