Am 13. April 2021 wurde die EVER GIVEN, geladen mit 20'000 TEU von einem ägyptischen Gericht auf Grund von Forderungen der Suez Canal Authority (SCA) mit Arrest belegt. Dies führt zu grosser Verunsicherung bei den ladungsinteressierten Parteien. Wie geht es weiter? Welche Risiken bestehen? Was ist vorzukehren?
Nachdem die EVER GIVEN vom 23. März 2021 bis zum 29. März 2021 im Suez Kanal auf Grund war, haben die Eigentümer der EVER GIVEN, Shoei-Kisen Kaisha, gegenüber den Reedereien Bernhard Schulte Shipmanagement (BSM, technical management) und der Evergreen Marine (Betreiberin) am 1. April 2021 Havarie-Grosse (General Average) erklärt. Als General Average Adjuster wurde Richards Hogg Lindley eingesetzt (https://rhlclientarea.ctplc.com).
Das Schiff befindet sich zurzeit im Great Bitter Lake unter Anker. Technische Inspektionen (auch unter Wasser) sind durch BSM und die Klassifikationsgesellschaft American Bureau of Shipping abgeschlossen worden. Die Seetüchtigkeit des Schiffes konnte dabei offenbar bestätigt werden (BSM Media Statement; bs-shipmanagement.com).
Im Zusammenhang mit den Bergungskosten und den voraussichtlichen Reparaturkosten am Kanal hat die Suez Canal Authority (SCA) gegenüber der Schiffseigentümerin bereits am 7. April 2021 eine Forderung in der Höhe von 916 Millionen USD gestellt. Am 13. April 2021 wurde die EVER GIVEN auf Grundlage dieser Forderung vom zuständigen ägyptischen Gericht unter Arrest gelegt. Die Forderung scheint massiv überrissen zu sein (z.B. USD 300 Millionen als «Salvage Bonus» und USD 300 Millionen für «Reputationsverlust»; vgl. EVERGREEN LINE (evergreen-line.com) und “Ever Given” re-floated in Suez Canal | UK P&I Club (ukpandi.com)).
Wann die EVER GIVEN ihre Reise wieder wird aufnehmen können, ist damit offen. Eine Aufhebung des Arrestes wäre denkbar, wenn die Haftpflichtversicherung der EVER GIVEN, der UK P&I Club, ev. zusammen mit dem General Average Adjuster, gegenüber der SCA entsprechende Garantien aussprechen würde. Angesichts der überrissenen Forderung dürfte dies jedoch nicht ohne weiteres geschehen.
General Average (Havarie Grosse) bedeutet grundsätzlich, dass bei einer Gefahr für die gesamte Ladung der Schiffseigentümer bzw. der Kapitän Massnahmen ergreifen darf, um das Schiff und die Ladung zu «retten». Die Kosten dieser Massnahmen bzw. der daraus z.B. an einem Teil der Ladung entstandene Schaden, soll dann proportional von allen Interesseinhabern (Beitragspflichtige) getragen werden. Zu diesem Schaden gehören im vorliegenden Fall die Bergungskosten wie auch allfällige Schäden am Suez Kanal.
Der General Average Adjuster hat die Aufgabe, sämtliche Beitragspflichtige (e.v. Owner, Reedereien, Manager, Ladung), den Schaden und die Aufteilung des Schadens festzustellen. Dieser Prozess wird einige Zeit in Anspruch nehmen (EVER GIVEN hatte 20'000 TEU geladen).
Der Prozess richtet sich grundsätzlich nach den York Antwerp Rules (York Antwerp Rules (YAR) - Comite Maritime International - CMI ).
Der General Average Adjuster hat bereits erklärt, dass allfällige bereits ausgestellte Container-Freigaben (Release Notices) von Evergreen bereits annulliert worden sind. Wann und sobald die EVER GIVEN an ihren Zielhäfen (insb. Hamburg) anlaufen können wird, wird ausschliesslich der General Average Adjuster über die Freigabe der Container entscheiden. Dieser wird die Container unter Kostenfolge zu Lasten des Shippers oder Empfängers ein Retentionsrecht (lien) an den Containern geltend machen, bis der Shipper oder Empfänger genügende Sicherheiten für seinen allfälligen Beitrag an der Havarie Grosse (General Average Contribution) geleistet hat.
Bei Gütern, welche über eine Warenversicherung (Maritime Insurance Policy) versichert sind, genügt als entsprechende Sicherheit eine Bestätigung des Versicherers, sich an einer allfälligen General Average Contribution zu beteiligen. Diese Bestätigung ist in der vom General Average Adjuster vorgegebenen Form (Average Guarantee) abzugeben. Für nicht versicherte Güter muss der Eigentümer der Güter einen sogenannten «Average Bond» ausstellen und zusammen mit der Handelsrechnung dem General Average Adjuster einreichen. Zudem wird der General Avarage Adjuster von entsprechenden Shipper oder Empfänger eine Vorauszahlung (Cash Deposit) verlangen. Die Höhe dieser Vorauszahlung ist bisher noch nicht bestimmt worden.
Zum gegebenen Zeitpunkt ist es noch etwas verfrüht, darüber zu entscheiden, ob und gegebenenfalls wer wem für Schäden aus dieser Havarie haftet.
Die Haftung des ausführenden Carriers (Evergreen Marine) oder eines vertraglichen Carriers (NVOCC oder Multimodal-Carrier) Richtet sich nach den Terms and Conditions der Bill of Lading (BL; Konnossement). Diese orientieren sich häufig an den Hague-Visby Rules oder an den Hamburg Rules, deren zwingenden Bestimmungen je nach anwendbarem Recht ohnehin zur Anwendung kommen.
Auf Grundlage der meisten BL-Terms dürfte sich in Bezug auf die Haftung in den meisten Fällen folgendes ergeben:
Zur Sicherung ihrer Ansprüche und zur möglichst reibungslosen weiteren Abwicklung können Empfänger von Gütern, welche sich zurzeit auf der EVER GIVEN befinden, folgendes vorsehen:
MME Legal | Tax | Compliance unterstützt Sie gerne in allen Fragen in Zusammenhang mit der Havarie der EVER GIVEN im Suezkanal und deren Folgen.