02. August 2019

Arbeitszeit – eine klare Sache?

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„Arbeitszeiten“ sind für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermassen Alltag. Man dürfte daher annehmen, dass dieses Thema zu keinen kniffligen Fragen Anlass gibt. Leider ist häufig genau das Gegenteil der Fall.

„Arbeitszeiten“ sind für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermassen Alltag. Man dürfte daher annehmen, dass dieses Thema zu keinen kniffligen Fragen Anlass gibt. Leider ist häufig genau das Gegenteil der Fall. Gerade die Planung von Arbeitszeiten erweist sich regelmässig als Geduldsprobe.

Dieser Magazinbeitrag beleuchtet die wichtigsten Themen im Zusammenhang mit Arbeitszeiten. Wichtig ist, dass sich je nach Branche bzw. gesetzlichen und vertraglichen Grundlagen wesentliche Besonderheiten ergeben können, die vorliegend nicht abgedeckt sind bzw. nicht angesprochen werden. Im Einzelfall muss daher stets eine genaue Analyse der Lage vorgenommen werden. Der vorliegende Magazinbeitrag kann nicht als Lösung aller Probleme dienen und erhebt auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Was ist Arbeitszeit?

Die (scheinbar) einfachste Frage vorab: Was Arbeitszeit ist, weiss wohl jeder. Oder doch nicht? Gilt ein ausgedehntes Geschäftsessen als Arbeitszeit? Was ist mit einem Nachtflug in der Business Klasse zu einem geschäftlichen Anlass?

Für den Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes ist Arbeitszeit definiert als Zeit „während der sich der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin zur Verfügung des Arbeitgebers zu halten hat“. Vereinfacht gesagt gilt damit letztlich all diejenige Zeit als Arbeitszeit, während der ein Arbeitnehmer nicht frei entscheiden kann, was er macht, weil irgendein geschäftlicher Grund dem entgegensteht. Das Geschäftsessen und der Flug erfüllen diese Voraussetzungen grundsätzlich – selbst wenn man während des Flugs schlafen kann – und stellen damit unter dem Geltungsbereich des Arbeitsgesetzes Arbeitszeit dar.

Allerdings: Gerade im Ausland gilt das Arbeitsgesetz nach der herrschenden Ansicht nicht. Ausserdem ist es auch auf bestimmte Personenkategorien nicht anwendbar. In diesen Fällen ist es den Parteien überlassen zu definieren, was genau Arbeitszeit ist und was nicht. Beispielsweise ist es möglich zu vereinbaren, dass bei einem Flug nur eine bestimmte Anzahl Stunden angerechnet werden. Um zu vermeiden, dass sehr hohe Arbeitszeitguthaben und allenfalls Überstunden anfallen, ist es empfehlenswert, Fälle, die in einem Unternehmen häufig vorkommen, durch ein Reglement zu regeln.

Wie wird Arbeitszeit aufgeteilt?

Arbeitszeit will – jedenfalls in den meisten Branchen – gut geplant sein. Verfasser von Einsatz- bzw. Dienstplänen stellt das regelmässig vor grosse Herausforderungen.

Das Obligationenrecht sieht bezüglich der Lage bzw. Aufteilung der Arbeitszeiten nichts vor. Dafür enthalten das Arbeitsgesetz und seine Verordnung eine Vielzahl von Vorschriften. Diese Vorschriften sind ausserdem auf einzelne Branchen separat angepasst, so dass ein verworrenes Netz von Regeln, Ausnahmen und Gegenausnahmen besteht. Diese Regeln beziehen sich – unter anderem – auf folgende Themenbereiche:

  • Zu welchen Zeiten darf überhaupt gearbeitet werden? Besonders zu beachten sind diesbezüglich das Nacht- und das Sonntagsarbeitsverbot. Beide Verbote gelten allerdings für gewisse Branchen nicht oder nur eingeschränkt.
  • Welche Pausen muss ein Arbeitnehmer machen? Dazu gehören einerseits die Pausen während des Arbeitstags, aber auch Vorschriften in Bezug auf die Dauer der Nachtruhe, welche wiederum je nach Art der Tätigkeit unterschiedlich ausfallen.
  • Wie viele Stunden darf maximal in einem Tag bzw. einer Woche gearbeitet werden? Dazu gehören Vorschriften zu den Höchstarbeitszeiten sowie Vorgaben dazu, innert welchem Zeitrahmen die tägliche Arbeitszeit maximal verteilt werden darf.

Dazu kommen Vorschriften für besondere Arbeitsformen wie Pikettdienst und Schichtbetrieb, welche wiederum je nach Branche unterschiedlich geregelt werden.

Diese Vorschriften kollidieren in der Praxis häufig mit den Bedürfnissen der modernen Arbeitswelt. Ein Arbeitnehmer, der nach oder vor dem regulären Arbeitstag zusätzliche Arbeit von zu Hause aus über einen Remote-Zugang leistet, verstösst potentiell gegen die Vorschrift, dass die tägliche Arbeitszeit innert einer Zeitspanne von maximal 14 Stunden liegen muss (ohne dass er insgesamt zwingend zu viele Stunden arbeitet) oder seine Nachtruhe ist zu kurz. Ähnliche Probleme bestehen bei Modellen wie Gleitzeitarbeit und Jahresarbeitszeit.

Da es aber immer in der Verantwortung des Arbeitgebers liegt, dass die Arbeitszeitvorschriften eingehalten werden, ist es empfehlenswert, diese Vorschriften auch bei flexiblen Arbeitszeitmodellen präsent zu haben und bei der Regelung des Arbeitszeitmodells zu berücksichtigen.

Überstunden/Überzeit

Jeder Betrieb hat eine sogenannte Normalarbeitszeit. Häufig liegt diese bei 40 oder 42 Stunden und wird auch – sei es in den Arbeitsverträgen oder in einem Reglement – so definiert. Das ist aber nicht zwingend. Auch ein Unternehmen, das keine Normalarbeitszeit definiert, hat eine. In diesen Fällen wird einfach darauf abgestellt, was „üblich“ ist, was zu Unsicherheiten bzw. Unklarheiten führen kann. Es ist daher hilfreich, die Normalarbeitszeit zu regeln.

Stunden, welche ein Arbeitnehmer über die Normalarbeitszeit hinaus leistet, sind Überstunden. Leistet der Arbeitnehmer so viel Mehrarbeit, dass nicht nur die Normalarbeitszeit sondern auch die vom Arbeitsgesetz vorgeschriebene Höchstarbeitszeit überschritten wird, liegt Überzeit vor. Die Unterscheidung der beiden Kategorien Überstunden und Überzeit ist dabei vor allem wichtig, weil bezüglich Überstunden weniger strenge Vorschriften in Bezug auf Bezahlung bzw. Kompensation bestehen. So müssen Überzeitstunden beispielsweise grundsätzlich innert 14 Wochen kompensiert werden, ausser es sei eine längere Frist (max. 1 Jahr) vereinbart. Für Überstunden besteht keine solche Regelung.

Besondere Arbeitszeiten

Wie bereits erwähnt, ist Arbeit am Sonntag und in der Nacht (von 23 Uhr bis 6 Uhr) verboten. Ausnahmen bestehen in einzelnen Branchen (z.B. Spitäler) von Gesetzes wegen. In anderen Fällen ist es möglich, eine Bewilligung zu beantragen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Wichtig ist, dass nach der am Anfang dieses Beitrags erwähnten Definition auch der Pikettdienst als Arbeitszeit gilt. Dies bedeutet, dass auch Pikettdienst – selbst wenn dieser praktisch ausschliesslich von Zuhause aus erledigt werden kann – am Sonntag und in der Nacht grundsätzlich verboten ist. Wenn ein Pikettdienst während diesen Zeiten nötig ist, muss ebenfalls eine Bewilligung beantragt werden.

Eine rechtlich weniger geregelte, aber in Bezug auf Arbeitszeiten ebenfalls anspruchsvolle Arbeitsform ist die sogenannte echte Arbeit auf Abruf. Bei der echten Arbeit auf Abruf ist der Arbeitnehmer verpflichtet, Arbeit zu leisten, wenn der Arbeitgeber ihn abruft. Je nach dem, wie kurzfristig der Arbeitnehmer zu einem Arbeitseinsatz aufgeboten werden kann, hat die Arbeit auf Abruf Ähnlichkeit mit dem Pikettdienst. Wenn der Einsatz so kurzfristig zu erfolgen hat, dass der Arbeitnehmer über seine Zeit nicht mehr frei verfügen kann, weil er sich zur Verfügung des Arbeitgebers halten muss, erfüllt auch die Wartezeit die eingangs genannte Definition von Arbeitszeit. Bei der Strukturierung entsprechender Arbeitsmodelle sollte dies berücksichtigt werden.

Abgeltung von Arbeitszeit

Geleistete Arbeitszeit muss grundsätzlich immer abgegolten werden. In diesem Magazinbeitrag haben wir aufgezeigt, dass ganz unterschiedliche Arten von Tätigkeiten Arbeitszeit darstellen können. Entsprechend ist es auch möglich, für unterschiedliche Tätigkeiten unterschiedliche Bezahlungsansätze vertraglich zu vereinbaren. So ist es z.B. möglich, für die Wartezeit beim Pikettdienst oder auch die Rufbereitschaft bei der Arbeit auf Abruf tiefere Ansätze zu vereinbaren, als für die effektive Arbeitsleistung. Das Gleiche gilt, wenn ein Arbeitnehmer z.B. in der Nacht einfach vor Ort präsent sein muss, aber schlafen kann. Wenn solche Regelungen gewünscht sind, ist es wichtig, dies von Anfang an klar zu regeln.