30. März 2020

Arbeit und Kinderbetreuung: Wer zahlt den Lohn?

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Fragen und Antworten zu Lohnfortzahlungspflicht und Erwerbsersatz zufolge Kinderbetreuung während der COVID-19 Pandemie.

Im März 2020 wurden alle Schulen und Kindergärten in der Schweiz für acht Wochen geschlossen. Eine erneute Schulschliessung ist nicht ausgeschlossen. Hunderttausende Kinder müssten in diesem Fall wieder zu Hause bleiben. Doch wer zahlt dem Arbeitnehmer den Lohn, wenn er seine Kinder zu Hause betreuen muss?

In unserem FAQ versuchen wir Ihnen einen Überblick über die häufigsten Fragen zu geben.

Q: Dürfen Arbeitnehmer zu Hause bleiben, um sich um die Kinder zu kümmern, wenn sämtliche Schulen und Kindergärten auf behördliche Anordnung hin geschlossen bleiben?

A: Sofern keine anderweitige Betreuung organisiert werden kann, ist dem Arbeitnehmer aufgrund der Fürsorgepflicht die Möglichkeit zu geben, seine Kinder zu Hause zu betreuen.

Q: Wie lange dürfen die Arbeitnehmer zur Kinderbetreuung zu Hause bleiben?

A: Grundsätzlich dürfen Arbeitnehmer zur Betreuung kranker Kinder bis zu drei Tage von der Arbeit fernbleiben (Art. 36 Abs. 2 ArG). Danach hat der Arbeitnehmer aufgrund seiner Treuepflicht gegenüber der Arbeitgeberin die Pflicht, eine Ersatzbetreuung für seine Kinder zu organisieren. Diese Regelung gilt grundsätzlich auch während der COVID-19 Pandemie.

Dies stellt Arbeitnehmer in der aktuellen Situation aber vor eine grosse Herausforderung, weil der beliebte Rückgriff auf die Grosseltern als besonders gefährdete Personen (Personen ab 65 Jahren oder mit bestehender Vorerkrankung) nicht in Frage kommt und der Kontakt mit Mitmenschen zu vermeiden ist. Es ist deshalb zu erwarten, dass Gerichte im Streitfall nicht auf den drei Tagen beharren würden, sondern ein paar Tage mehr als angemessen erachten. Derzeit ist auf alle Fälle grosses Verständnis auf beiden Seiten gefragt.

Q: Muss ich als Arbeitgeber weiterhin Lohn zahlen, wenn meine Arbeitnehmer wegen den geschlossenen Schulen die Kinder betreuen?

A: Diese Frage ist umstritten. Das Arbeitsgericht Zürich hat während der Schweinegrippe entschieden, dass Eltern während der Kinderbetreuung wegen einer geschlossenen Kita keinen Lohnfortzahlungsanspruch haben, weil die Arbeitsverhinderung nicht in den persönlichen Verhältnissen des Arbeitnehmers lag (das eigene Kind war nicht krank), sondern in einer seuchenähnlichen Situation.

Wir sind aber der Ansicht, dass die Eltern mit der Kinderbetreuung eine gesetzliche Pflicht erfüllen, weil Kinder (je nach Alter) nicht sich selbst überlassen werden dürfen (vgl. Art. 276 ZGB). Es läge somit wohl eine unverschuldete Arbeitsverhinderung seitens des Arbeitnehmers vor, so dass er Anspruch auf Lohnfortzahlung von bis zu drei Arbeitstagen nach Art. 324a OR hat (soweit sein Anspruch nicht bereits aufgebraucht ist, z.B. durch eigene Krankheit oder einen Unfall). Diese Ansicht ist allerdings umstritten und wird mit valablen Begründungen auch verworfen. Bevor eine gerichtliche Klärung der Frage besteht, wird diesbezüglich eine Unsicherheit verbleiben.

Daneben ist der Lohn dem Arbeitnehmer immer zu zahlen, wenn er im Homeoffice arbeitet. Dies selbst dann, wenn die Leistung der Arbeitnehmer im Homeoffice mit den Kindern zu Hause etwas eingeschränkt sein sollte.

Q: Kann ich meine Kinder mit zur Arbeit bringen, wenn ich kein Homeoffice machen kann und keine Kinderbetreuung habe?

A: Dies ist gesetzlich nicht geregelt. Die Arbeitgeberin kann im Rahmen ihres Weisungsrechts entscheiden. Die derzeitige Ausnahmesituation erfordert kreative Lösungen.

Q: Angenommen, die Behörden empfehlen – wie bereits im März 2020 – Personen, die nicht im Bereich der Grundversorgung arbeiten, ihre Kinder nicht in die Kita zu schicken, auch wenn diese geöffnet ist. Besteht ein Anspruch auf Lohnfortzahlung während dieser Zeit?

A: Die Antwort auf diese Frage hängt davon ab, ob die Arbeitnehmer ihre Arbeit auch zu Hause verrichten können. Kann die Arbeit im Homeoffice erledigt werden, ist auch Lohn geschuldet. Dies gilt wohl auch, wenn die Leistung auf Grund der Kinderbetreuung etwas eingeschränkt ist. Wenn eine starke Einschränkung besteht (z.B. nur Arbeit an vier statt fünf Tagen) oder gar keine Leistung erbracht werden kann, besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Lohnfortzahlung (ohne dass Überstunden kompensiert oder Ferien bezogen werden), weil der Entscheid für die Betreuung der Kinder zu Hause durch die Eltern getroffen wird. Allerdings sollten Arbeitgeber auf Grund der Fürsorgepflicht soweit möglich Flexibilität zeigen, indem sie z.B. die Arbeitsleistung zu anderen als den üblichen Zeiten erlauben.

Q: Haben Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen müssen, Anspruch auf Erwerbsersatzentschädigung?

A: Ja, neben Personen in Quarantäne und Selbstständigerwerbenden haben Eltern mit Kindern unter 12 Jahren, die ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen müssen, weil die Fremdbetreuung der Kinder nicht mehr gewährleistet wird, grundsätzlich Anspruch auf eine Entschädigung.

Voraussetzung hierfür ist, dass der Elternteil obligatorisch bei der AHV versichert ist (wohnhaft in der Schweiz oder in der Schweiz erwerbstätig) und einer unselbstständigen oder selbstständigen Erwerbstätigkeit nachgeht. Zudem darf keine Lohnfortzahlung des Arbeitgebers gegeben sein und keine andere (Sozial-)Versicherung darf Leistungen erbringen.

Der Anspruch besteht jedoch nur, wenn der Betreuungsbedarf auf Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus zurückzuführen ist. Mithin müssen die Schulen, Kindergärten und Kitas auf behördliche Anordnung hin geschlossen werden oder die bisherige Betreuung durch eine Einzelperson ist nicht mehr möglich, weil sich diese Person in Quarantäne begeben musste.

Bei Jugendlichen mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung, die einen Intensivpflegezuschlag der IV erhalten, besteht der Anspruch bis zum 18. Geburtstag und bei Jugendlichen in einer Sonderschule, die geschlossen wurde, bis zum 20. Geburtstag. Bei Jugendlichen, die in einer Regelschule integrativ geschult werden und für die kein Intensivpflegezuschlag ausgerichtet wird, besteht nach dem 12. Geburtstag kein Anspruch mehr.

Q: Haben Eltern von Krippenkindern, die ihre Kinder zu Hause betreuen müssen, auch Anspruch auf Erwerbsersatzentschädigung?

A: Ja, wenn die Kita auf behördliche Anordnung hin geschlossen ist und keine Lohnfortzahlung der Arbeitgeberin gegeben ist. Ist die Kita nicht geschlossen, aber die Eltern wollen die Kinder trotz vorhandenem Platz nicht mehr hinbringen, besteht kein Anspruch auf Erwerbsersatzentschädigung.

Q: Wo muss ich die Erwerbsersatzentschädigung beantragen?

A: Die Entschädigung erfolgt nicht automatisch, sondern ist bei der zuständigen Ausgleichskasse mit dem Formular 318.755 – Anmeldung Corona Erwerbsersatz bei Quarantäne und Ausfall Fremdbetreuung ab 17. September 2020 zu beantragen. Leistungen werden rückwirkend monatlich durch die AHV- Ausgleichskassen ausbezahlt.

Q: Wie hoch ist die Entschädigung und wie lange besteht ein Anspruch?

A: Die Entschädigung beträgt 80% des durchschnittlichen Bruttoeinkommens, höchstens aber CHF 196 pro Tag. Der Anspruch entsteht ab dem 4. Tag ab dem betreuungsbedingten Arbeitsausfall. Sofern eine Betreuungslösung gefunden werden konnte, die Quarantänepflicht aufgehoben oder die Betreuungseinrichtung wieder geöffnet wurde, besteht kein Anspruch mehr.

Für Selbständigerwerbende, die bereits eine Entschädigung aufgrund der bis zum 16. September 2020 geltenden gesetzlichen Grundlagen bezogen haben, bleibt die Berechnungsgrundlage für eine Entschädigung ab dem 17. September 2020 die gleiche.

Q: Muss die Arbeitgeberin den Lohn auf 80% des effektiven Lohns auffüllen, wenn der Arbeitnehmer eine Erwerbsersatzentschädigung erhält?

A: Nein. Der Anspruch auf Erwerbsersatzentschädigung besteht nur, wenn die Arbeitgeberin keine Lohnfortzahlungspflicht trifft.

Q: Wird die Entschädigung auch bezahlt, wenn die Kinder Schulferien haben?

A: Grundsätzlich besteht während der Schulferien kein Anspruch auf Entschädigung. Ein Anspruch besteht hingegen dann, wenn die ursprünglich engagierte Betreuungslösung infolge Quarantäne nicht zur Verfügung steht.