03. Juli 2025

Urteil des Bundesfinanzhof zum Betriebsstättenbegriff im Sinne des DBA-Schweiz/Deutschland

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Im Urteil I R 47/21 vom 18.12.2024 entschied der Bundesfinanzhof („BFH“), dass durch ein dauerhaftes Nutzungsrecht eines Arbeitsplatzes zusammen mit einem abschliessbaren, mit Namen beschrifteten Standcontainer eine Betriebsstätte begründet werden kann.

  • Hannah Dobringer

    Junior Tax Consultant
  • Dr. Hagen Luckhaupt

    Senior Tax Advisor

Sachverhalt

Der Kläger, welcher in Deutschland ansässig und unbeschränkt steuerpflichtig war, betrieb in den Streitjahren 2009 und 2010 in der Schweiz ein Taxiunternehmen. Das Taxiunternehmen war in der Schweiz im Handelsregister eingetragen.

Der Kläger war einer Taxizentrale angeschlossen. Die Taxizentrale bestand aus einem Zusammenschluss selbständiger Taxihalter zu einer Funkzentrale, über die Fahraufträge abgewickelt wurden. Die Taxizentrale war in Büroräumlichkeiten in der Schweiz untergebracht. Dort gab es – neben einen Raum für die Leitstellenmitarbeiter – drei Arbeitsplätze für die der Taxizentrale angeschlossenen Taxihalter. Die Arbeitsplätze konnten von den Mitgliedern der Taxizentrale jederzeit genutzt werden. Es gab keine festen Arbeitsplätze, aber es war sichergestellt, dass für jeden Taxihalter jederzeit ein Arbeitsplatz zur Verfügung stand.

Darüber hinaus hatte der Kläger einen abschliessbaren Standcontainer in den Räumlichkeiten der Taxizentrale. Der Standcontainer war mit dem Namen des Klägers beschriftet und nur er besass den dazugehörigen Schlüssel. In dem Standcontainer bewahrte der Kläger für die Buchhaltungsführung und Fahr- und Ruhezeiten erforderliche Unterlagen auf. Ein bis zwei Mal die Woche erledigte der Kläger in der Taxizentrale Büroarbeiten, die im Zusammenhang mit seiner Erwerbstätigkeit standen.

Der Kläger hatte seine Geschäftsadresse in den Räumlichkeiten der Taxizentrale angemeldet und war dort postalisch erreichbar.

Das zuständige deutsche Finanzamt ging davon aus, dass ausschliesslich Deutschland das Besteuerungsrecht an den Gewinnen des Taxiunternehmens des Klägers zustehe. Hiergegen wehrte sich der Kläger erfolgreich vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg. Das Finanzgericht kam zu dem Ergebnis, der Kläger unterhalte eine Betriebsstätte in der Schweiz im Sinne von Artikel 5 Abs. 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11.08.1971 („DBA-Schweiz/Deutschland“). Damit käme der Schweiz gemäss Artikel 7 Abs. 1 DBA-Schweiz/Deutschland das volle Besteuerungsrecht der Einkünfte des Klägers aus dem Taxiunternehmen zu. Gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg legt das zuständige Finanzamt Revision beim BFH ein.

BFH-Urteil

Der BFH bestätigt in seinem Urteil vom 18.12.2024 die Entscheidung des Finanzgerichts Baden-Württemberg. Der BFH kam zu dem Ergebnis, dass der Büroraum der Taxizentrale eine feste Geschäftseinrichtung darstelle und der Kläger ausreichende Verfügungsmacht über diese Geschäftseinrichtung hatte. Denn der Kläger habe jederzeit Zugang zu dem Büroraum der Taxizentrale gehabt. Die Taxizentrale war so ausgestattet, dass ihm jederzeit ein Arbeitsplatz zur Verfügung stand. Diese Tatsache zusammen mit dem Taxifahrer zuordenbaren abschliessbaren Standcontainers stelle eine feste Geschäftseinrichtung dar.

Folgen

Mit dem BFH-Urteil wurde der Betriebsstättenbegriff präzisiert und in einem gewissen Masse ausgeweitet. Das Urteil kann u.E. auch Auswirkung auf moderne Arbeitsformen, wie bspw. die Nutzung eines Co-Working-Space, haben. Diese können, zumindest immer dann, wenn dauerhaft ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt wird und die Möglichkeit besteht, Geschäftsunterlagen vor Ort zu verstauen, nach deutscher Leseart als Betriebsstätten qualifizieren.

Es ist vor allem damit zu rechnen, dass das die deutsche Finanzverwaltung das Urteil auch auf Inbound-Fälle anwendet und infolgedessen in vergleichbaren Fällen eine (beschränkte) Steuerpflicht in Deutschland annimmt.

Vor diesem Hintergrund sollten betriebliche Aktivitäten in Deutschland betreffend die Gefahr einer Betriebsstättenbegründung und damit einhergehenden beschränkten Steuerpflicht in Deutschland überprüft werden.


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