16. März 2021

Grenzüberschreitende Versicherungstätigkeit

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Der Versicherungsplatz Liechtenstein gewährt Passporting-Rechte in sämtliche EWR-Staaten wie auch in der Schweiz und zieht damit innovative Start-Ups an.

Die Versicherungs- und Versicherungsvermittlungstätigkeit ist ein stark reguliertes Geschäft. Die Compliance führt bei den regulierten Marktteilnehmern zu entsprechenden Kosten. Um diese Kosten wieder wettzumachen, sind diese darauf angewiesen, über einen möglichst grossen Vertriebsmarkt zu verfügen. Dies gilt insbesondere für die innovativen Start-Ups, welche durch die Nutzung neuer Technologien ihr Geschäft in grossem Ausmass skalieren, durch diese Breitenwirkung aber auch wortwörtlich schneller an (Landes-)Grenzen stossen.

Eine grenzüberschreitende Tätigkeit beim Vertrieb eines Versicherungsvertrages liegt vor, wenn sich das versicherte Risiko im Ausland befindet. Das Gleiche gilt grundsätzlich, wenn aktiv Geschäftsabschlüsse mit Kunden mit Wohnsitz im Ausland gesucht werden oder dafür geworben wird.

Staaten können ihren Marktteilnehmern den Zugang ins Ausland sichern, indem sie multilaterale oder bilaterale Verträge mit anderen Staaten abschliessen. Der Versicherungsplatz Liechtenstein verfügt über eine einzigartige Positionierung in Europa, als er die volle Dienstleistungsfreiheit sowohl in sämtlichen EWR-Staaten als auch der Schweiz geniesst. Dank dieser Passporting-Rechte können von Liechtenstein aus Versicherungsverträge in praktisch ganz Europa vertrieben werden, ohne dass ein teures Netz von Tochtergesellschaften oder Niederlassungen eingerichtet und unterhalten werden müsste.

Die Dienstleistungsfreiheit zwischen den EFTA-Ländern, darunter Liechtenstein, und den Mitgliedsländern der EU wird im Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWRA) vorgesehen. In diesem verpflichtet sich Liechtenstein im Gegenzug für die Gewährung der Dienstleistungsfreiheit, ins EWRA übernommene Rechtsakte ins nationale Recht umzusetzen und so die gewünschte (Mindest-)Harmonisierung sicherzustellen.

Zu den übernommenen Rechtsakten gehört unter anderem die Richtlinie (EU) 2016/97 vom 20. Januar 2016 über Versicherungsbetrieb (IDD). Diese regelt (Mindest-)Anforderungen an den Vertrieb von Versicherungsprodukten der Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler, die in einem EWR-Mitgliedstaat nieder- und zugelassen sind. Dabei sieht die IDD eine rechtliche Gleichbehandlung der verschiedenen Vertriebskanäle vor und regelt sowohl den Direktvertrieb der Versicherungsunternehmen wie auch den der Versicherungsvermittler. Sämtliche Beratungstätigkeiten und Vorbereitungsarbeiten, welche dem Abschluss eines Versicherungsvertrags dienen, fallen unter den Begriff des Versicherungsvertriebs. Dabei kann es sich auch um Internetvergleichsportale, welche direkt oder indirekt – durch Weiterleitung auf die Webseite des Versicherungsunternehmens – den Abschluss eines Versicherungsvertrages ermöglichen oder um Robo-Advisor handeln. Die Richtlinie findet ihren Niederschlag im liechtensteinischen Versicherungsvertriebsgesetz.

Zwischen Liechtenstein und der Schweiz wird die Dienstleistungsfreiheit im bilateralen Abkommen betreffend die Direktversicherung sowie die Versicherungsvermittlung gewährleistet. Dabei wird – anders als im EWRA – nicht die Übernahme von (Mindest-) Regelungen verlangt, sondern es wird grundsätzlich von der Gleichwertigkeit der gesetzlichen Regelungen ausgegangen. Dies bedeutet, dass in Liechtenstein nieder- und zugelassene Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler ohne weitere Zulassung ebenfalls in der Schweiz tätig werden dürfen (und umgekehrt). Für die Vertriebstätigkeit selbst gilt das jeweilige Landesrecht.