Datenschutzrechtliche Auskunftsbegehren werden gerne und oft zur Beweismittelbeschaffung genutzt – doch ein Missbrauch zu diesem Zweck gilt als rechtsmissbräuchlich.
Im heutigen digitalen Zeitalter werden Daten massenhaft erhoben und die betroffenen Personen wissen zum Teil nicht mehr, wer welche Daten über sie bearbeitet oder speichert. Die Entwicklungen der letzten Jahre haben dazu geführt, dass Einzelpersonen, aber auch Organisationen zunehmend für das Thema Datenschutz sensibilisiert wurden. Insbesondere wurden wichtige Instrumente geschaffen, die es ermöglichen, Auskunft über die eigenen Personendaten zu verlangen. Obwohl dieses Instrument der Transparenz und Kontrolle dienen soll, wird dieses «gut gemeinte» Recht zunehmend im Zusammenhang mit (bevorstehenden) Rechtsstreitigkeiten ausgenutzt.
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Nach Schweizer Recht haben Personen das Recht zu erfahren, ob Personendaten über sie bearbeitet werden. Ist dies der Fall, können sie Auskunft darüber verlangen, welche Personendaten gespeichert sind, zu welchem Zweck sie verarbeitet werden, wie lange sie aufbewahrt werden und an wen sie weitergegeben worden sind. Dieses Recht zielt darauf ab, den Einzelnen in die Lage zu versetzen, die Richtigkeit seiner Personendaten zu überprüfen und gegebenenfalls deren Berichtigung oder Löschung zu verlangen. Damit soll der Persönlichkeitsschutz der Betroffenen gewährleistet und ihnen die Möglichkeit gegeben werden, ihre Persönlichkeitsrechte durchzusetzen.
Dieses Recht steht jeder Person zu und ist mittels Gesuch gegenüber dem Verantwortlichen geltend zu machen. Grundsätzlich hat der Verantwortliche die Auskunft innert 30 Tagen zu erteilen. In bestimmten Fällen, insbesondere aufgrund überwiegender Interessen Dritter oder wenn es offensichtlich unbegründet ist, hat der Verantwortliche jedoch die Möglichkeit, das Auskunftsrecht zu verweigern, einzuschränken oder aufzuschieben. Der Verantwortliche hat eine solche Verweigerung, Einschränkung oder Aufschiebung zu begründen.
Schon vor Inkrafttreten des revidierten Datenschutzgesetzes (jedoch unter Berücksichtigung der Gesetzesrevision) befasste sich das Bundesgericht bereits im Urteil vom 18. November 2020 (4A_277/2020) mit der Frage, ob ein datenschutzrechtliches Auskunftsbegehren rechtsmissbräuchlich ist, wenn es lediglich zur Abklärung von Prozesschancen gestellt wird. Die Beschwerdegegner verlangten nach Art. 8 (alt)DSG vom Beschwerdeführer die Herausgabe aller zwischen ihnen ausgetauschten Daten. Die erste Instanz argumentierte, das Auskunftsbegehren sei nur gestellt worden, um Beweise für einen möglichen Zivilprozess hinsichtlich der Anteilsrechte an einer Aktiengesellschaft zu erlangen, was nicht angehe. Die zweite Instanz hielt dagegen, dass das Auskunftsrecht nach Art. 8 (alt)DSG kein spezifisches datenschutzrechtliches Interesse voraussetze und daher auch zur Abklärung von Prozessaussichten genutzt werden können.
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Wie das Bundesgericht zum alten Datenschutzgesetz, führte auch die Botschaft zum neuen Datenschutzgesetz (BBI 2017 6941) aus, dass das Auskunftsrecht ohne Nachweis eines Interesses und ohne Begründung geltend gemacht werden kann, reine Neugier reiche aus. Der Verantwortliche kann daher keine Begründung eines Auskunftsbegehrens fordern.
Eine Ausnahme liegt einzig vor, wenn im konkreten Fall eine rechtsmissbräuchliche Nutzung des Auskunftsbegehrens in Frage steht. Rechtsmissbrauch liegt vor, wenn das Auskunftsrecht zweckwidrig, d.h. zu einem datenschutzwidrigen Zweck, eingesetzt wird. Datenschutzrecht ist an sich eine Konkretisierung des Persönlichkeitsrechts und soll damit primär dem Persönlichkeitsschutz dienen. Es ist jedoch nicht sein Zweck, die Beweismittelbeschaffung zu erleichtern oder sonst wie in das Zivilprozessrecht einzugreifen. Wird das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht nun zur Beschaffung von Beweismitteln für einen Zivilprozess eingesetzt, stellt dies folgerichtig eine zweckwidrige und damit unzulässige Nutzung des Auskunftsrechts dar. Dies wurde im Ergebnis erst kürzlich durch Urteil des Bundesgerichts vom 11. November 2023 (8C_723/2022), ebenfalls zum alten Datenschutzgesetz, aber unter Bezugnahme auf das neue Datenschutzgesetz, bestätigt.
Damit ist klar: Das datenschutzrechtliche Auskunftsrecht darf nicht zur taktischen Vorbereitung von Zivilprozessen oder zur Ausforschung der Gegenpartei missbraucht werden.
Das Datenschutzrecht stellt mit dem Auskunftsrecht (vermeintlich) ein verlockendes Instrument zur Beweisausforschung zu Verfügung. Die Rechtsprechung macht aber deutlich, dass das Motiv des Auskunftsbegehrens eine entscheidende Rolle spielt und insb. ein datenschutzrechtliches Auskunftsbegehren als rechtsmissbräuchlich angesehen wird, wenn es lediglich zur Klärung von Prozesschancen oder zur Beweisausforschung genutzt wird. Die Beurteilung von solchen Interessen kann sich jedoch je nach Fall schwierig gestalten.
Damit gilt: Sobald datenschutzrechtliche Auskunftsbegehren im Raum stehen, ist Vorsicht angebracht – sowohl als Auskunftsbegehrender als auch als Auskunftspflichtiger. Unsere Expertinnen und Experten aus den Fachbereichen Datenschutz und Prozessführung stehen Ihnen für eine Abklärung der konkreten Möglichkeiten in Ihrem Fall gerne zur Verfügung.