25. September 2023

ESG: Der schweizerische Bundesrat im Fahrwassser der EU – Verschärfung der Pflichten

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Der Bundesrat will die Berichterstattungspflichten (Bericht nichtfinanzielle Belan-ge) und die Sorgfaltspflichten für Lieferketten (Supply Chain Due Diligence) der Entwicklung in der EU anpassen und hat Eckwerte für eine Vernehmlassungsvor-lage abgestimmt.

Was gilt heute?

Schweizer Unternehmen sind gesetzlich verpflichtet, über bestimmte Bereiche ihrer Geschäftstätigkeit Transparenz zu schaffen. Sie müssen über die Risiken in den Bereichen Umwelt, Sozialbelange, Arbeitnehmerbelange, Menschenrechte und Bekämpfung der Korruption sowie über die dagegen ergriffenen Massnahmen Bericht erstatten (Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung; sog. Bericht nichtfinanzielle Belange nach Art. 964a ff. OR). Unternehmen mit Risiken in den sensiblen Bereichen der Kinderarbeit und der sogenannten Konfliktmineralien müssen zudem besondere und weitgehende Sorgfalts- und Berichtserstattungspflichten einhalten (Sorgfaltspflichten; VSoTr).

Wohin geht die Reise der Schweiz?

In Bezug auf die nachhaltige Unternehmensführung hat sich das EU-Recht in den vergangenen Monaten jedoch weiterentwickelt. Anfang 2023 ist die entsprechende neue EU-Richtlinie in Kraft getreten und wird derzeit in den Mitgliedstaaten umgesetzt. Wegen der engen wirtschaftlichen Verflechtungen sind sowohl grosse als auch kleine Schweizer Unternehmen von den neuen EU-Regeln - direkt oder indirekt - betroffen. Insbesondere aus diesem Grund ist der Bundesrat überzeugt, dass das Schweizer Recht unter Berücksichtigung seiner Besonderheiten an die internationale Entwicklung im Bereich Nachhaltigkeitsberichterstattung und bei den Sorgfaltspflichten angepasst werden soll.

  • Absicht Bundesrat: Berichtspflicht für Unternehmen mit 250 Mitarbeitenden – Freiheit bei der Wahl des Standards

Der Bundesrat hat deshalb bereits am 2. Dezember 2022 entschieden, bis spätestens im Juli 2024 eine entsprechende Vernehmlassungsvorlage auszuarbeiten. In einer Aussprache vom 22. September 2023 hat der Bundesrat nun die Eckwerte für die Vernehmlassungsvorlage festgelegt. Analog zur EU sollen auch in der Schweiz bereits Unternehmen mit 250 Mitarbeitenden über die Risiken ihrer Geschäftstätigkeit in den Bereichen Umwelt, Menschenrechte und der Bekämpfung von Korruption sowie die dazu ergriffenen Massnahmen Bericht erstatten müssen. Dabei sind nur Unternehmen, die zwei Jahre hintereinander diese Schwelle erreichen, von der Berichterstattungspflicht betroffen (analog Regelung im Art. 727 OR). Diese Pflicht gilt heute erst ab 500 Mitarbeitenden. Ausserdem wird die Berichterstattung neu zwingend durch eine externe Revisionsstelle überprüft.

  • Absicht Bundesrat: Freiheit bei der Wahl des Standards

Im Unterschied zu den Unternehmen in der EU sollen die Unternehmen in der Schweiz jedoch die Wahl haben, sich bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung entweder am EU-Standard oder an einem anderen gleichwertigen Standard (z.B. OECD-Standard) zu orientieren. Die sogenannte Drittstaatenregelung will der Bundesrat vertieft analysieren. Dabei geht es insbesondere um die Frage, ob ausländische Unternehmen, die in der Schweiz tätig sind, automatisch dem Schweizer Recht unterstellt werden oder nicht. 

  • Sorgfaltspflichten bezüglich der Lieferkette

Im Bereich der Supply Chain Due Diligence sind die Arbeiten in der EU mittlerweile weit fortgeschritten. Vorgesehen sind Sorgfaltspflichten, die weit über die Themen Konfliktmineralien und Kinderarbeit hinausgehen. Auch diese Entwicklung ist auf dem gesetzgeberischen Radar des Bundesrates.

Was ist der Fahrplan?

Im Bereich der Sorgfaltspflichten ist der Bundesrat derzeit daran, die Auswirkungen der geplanten EU-Richtlinie für die Schweizer Unternehmen vertieft zu analysieren. Die Analyse wird voraussichtlich bis Ende 2023 vorliegen.

Im Bereich ESG-Berichterstattung wird der Bundesrat die entsprechende Vernehmlassungsvorlage voraussichtlich Mitte 2024 verabschieden.

Was bedeutet das für Schweizer Unternehmen?

Die gesetzgeberische Entwicklung im Bereich ESG ist sehr dynamisch. Auch mittlere Unternehmen müssen sich auf Berichterstattungspflichten gefasst machen und entsprechende Vorbereitungen frühzeitig in Angriff nehmen. Wir empfehlen insbesondere das Thema der internen Zuständigkeiten anzupacken und sich Gedanken zu machen, wie die notwendigen Daten für die Berichte effizient erfasst und gemanagt werden können. Wer heute Risikoanalysen macht und Dokumentationen erstellt (Bericht nichtfinanzielle Belange; Prüfdokumente für die Schwellenwerte im Bereich Konfliktmineralien; Prüfdokumente für das Thema Kinderarbeit; Lieferkettenpolitik/Supply Chain Due Diligence Policy), um das geltende Recht einzuhalten, sollte sich mit der Entwicklung auseinandersetzen (Blick in die nächste Geländekammer), um Arbeiten nicht zweimal machen zu müssen.