22. März 2021

Einfachere Verschreibung von Cannabis-Arzneimitteln

  • Artikel
  • Legal
  • Gesundheit / Life Sciences

Längst tausende Patientinnen/Patienten nutzen Cannabis-Arzneimittel. Wer auf solche Arzneimittel angewiesen ist, soll diese künftig einfacher von Ärztinnen/Ärzten beziehen können.

Wer auf solche Cannabis-Arzneimittel angewiesen ist, soll diese künftig einfacher von Ärztinnen und Ärzten beziehen können, wie das Parlament anfangs März 2021 entschieden hat. Ärztinnen und Ärzten bleiben jedoch dazu verpflichtet, entsprechende Behandlungen dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) zu melden.

Der Bundesrat beabsichtigt damit kranken Menschen den Zugang zu diesen Arzneimitteln erleichtern. Er schlug deshalb die Aufhebung des Verbots von Cannabis zu medizinischen Zwecken vor und hat dem Parlament dazu am 24. Juni 2020 die Botschaft zur Änderung des Betäubungsmittelgesetzes überwiesen. In der Vernehmlassung dazu wurde die Gesetzesänderung von den Kantonen, politischen Parteien und weiteren interessierten Kreisen begrüsst.

 

I. Heute geltende Regelung

In der Schweiz gilt Cannabis per heutigem Stand als verbotenes Betäubungsmittel und ist einem umfassenden Verkehrsverbot unterstellt. Cannabis darf daher grundsätzlich weder angebaut, hergestellt, ein- oder ausgeführt noch abgegeben werden. Aktuell ist die medizinische Anwendung von Cannabis («Medizinalcannabis») deshalb nur beschränkt und mit einer Ausnahmebewilligung des BAG möglich.

Der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol (THC) wird in der medizinischen Praxis vorwiegend eingesetzt bei: chronischen Schmerzzuständen (z.B. bei neuropathischen oder durch Krebs verursachten Schmerzen); Spastik und Krämpfen, die durch Multiple Sklerose oder andere neurologische Krankheiten ausgelöst werden; sowie Übelkeit und Appetitverlust als Folge einer Chemotherapie.

Die Erforschung der Wirksamkeit der medizinischen Anwendung von Cannabisarzneimitteln steckt noch in den Anfängen, weshalb deren Wirkung wissenschaftlich noch ungenügend belegt ist. Zu vielen Anwendungen gibt es zwar Erfahrungsberichte, aber keine klinischen Studien, welche die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von Medizinalcannabis belegen. Die systematische klinische Forschung dazu ist in erster Linie Aufgabe der Pharmaindustrie.

In Deutschland ist Medizinalcannabis bereits seit 2011 verkehrs- und verschreibungsfähig. Seit dem Jahr 2017 können Ärzte in Deutschland darüber hinaus ihren Patienten auch Cannabisblüten und Cannabisextrakte verschreiben, wobei die Krankenkassen unter Umständen sogar die Kosten übernehmen. Auch andere europäische Länder wie etwa Italien, Kroatien oder die Niederlande haben Medizinalcannabis längst legalisiert.

In den vergangenen Jahren ist die Nachfrage nach Behandlungen mit Cannabis auch in der Schweiz stark gestiegen. Allein im Jahr 2019 hat das BAG fast 3’000 Ausnahmebewilligungen erteilt. Dies ist administrativ aufwändig, verzögert die einzelnen Behandlungen und entspricht nicht mehr dem Ausnahmecharakter, den der Gesetzgeber mit dem Betäubungsmittelgesetz ursprünglich vorsah.

Aktuell ist Sativex® das einzige Cannabisarzneimittel, das in der Schweiz heilmittelrechtlich zugelassen ist. Es kann bereits heute ohne Ausnahmebewilligung des BAG von Ärztinnen und Ärzten verschrieben werden, jedoch nur zur Behandlung spastischer Krämpfe bei Multipler Sklerose.

 

II. Revision des Betäubungsmittelrechts

Mit der anstehenden Gesetzesrevision möchte der Bundesrat das wissenschaftlich nachgewiesene Potential von Cannabis als Arzneimittel besser nutzen. Kranke Menschen sollen ohne grossen bürokratischen Aufwand einen Zugang zu Cannabisarzneimitteln erhalten.

Der Ständerat nahm die vorgeschlagene Gesetzesanpassung einstimmig an, nachdem der Nationalrat bereits in der Wintersession zugestimmt hatte. Die grosse Kammer ergänzte gegenüber der Vorlage des Bundesrats, dass beim Monitoring durch das BAG insbesondere auch Daten zu den Nebenwirkungen erhoben werden sollen. Der Ständerat stimmte dem zu.

Die Gesetzesänderung wurde in der Schlussabstimmung vom 19. März 2021 angenommen und wird voraussichtlich 2022 in Kraft treten. In der Gesetzesänderung geregelt werden auch der Anbau, die Herstellung, die Verarbeitung und der Handel von medizinisch genutztem Cannabis. Als Bewilligungsbehörde ist Swissmedic vorgesehen.

Konkret wirkt sich die Gesetzesrevision folgendermassen aus:

  • Das Verkehrsverbot für Cannabis zu medizinischen Zwecken soll aufgehoben werden. Die Nutzung von Cannabis zu nicht-medizinischen Zwecken bleibt dagegen ausnahmslos verboten.
  • Durch die Gesetzesänderung sollen der Anbau, die Verarbeitung, die Herstellung und der Handel von medizinischem Cannabis dem Bewilligungs- und Kontrollsystem von Swissmedic unterstellt werden – so wie auch bei anderen medizinisch verwendeten Betäubungsmitteln (zum Beispiel Methadon oder Morphin).
  • Für die Behandlung mit Cannabisarzneimitteln wird keine Ausnahmebewilligung vom BAG mehr benötigt – die Therapiefreiheit wird gewährleistet, und die Verantwortung für die Behandlung liegt ausschliesslich bei den Ärzten.
  • Der kommerzielle Export von Cannabis zu medizinischen Zwecken soll legalisiert werden. Dies schafft wirtschaftliche Perspektiven für inländische Anbauer der Rohstoffe und spezialisierte Hersteller pflanzlicher Arzneimittel. Parallel dazu soll das Saat- und Pflanzgutrecht revidiert werden. Damit soll auch der Anbau von Medizinalcannabis in der Landwirtschaft vereinfacht werden.
  • Sicherheits- und Qualitätsanforderungen zur Herstellung von Cannabisarzneimitteln wurden im Jahr 2019 in das Schweizerische Arzneibuch aufgenommen. Eine Änderung des Heilmittelrechts ist deshalb nicht notwendig.
  • Um die Verschreibung von Cannabisarzneimitteln zu beobachten und mehr Evidenzen zu deren Wirkungen zu gewinnen, soll eine begleitende Datenerhebung durchgeführt werden. Die verschreibenden Ärztinnen und Ärzte sollen dazu verpflichtet werden, dem BAG während der ersten Jahre nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung bestimmte Angaben zur Behandlung zu übermitteln. Die Datenerhebung soll als Grundlage für die wissenschaftliche Evaluation der Revision dienen sowie den zuständigen kantonalen Vollzugsorganen und den verschreibenden Ärzten eine Orientierungshilfe leisten.

 

III. Noch unklare Kostenvergütung

Die Gesetzesänderung ändert voraussichtlich nichts an den Voraussetzungen für die sozialversicherungsrechtliche Vergütung der Kosten für Cannabisarzneimittel. Diese werden derzeit nur in Ausnahmefällen von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung übernommen. Das BAG lässt aber derzeit noch prüfen, ob Handlungsbedarf besteht. Dabei wird die Evidenz zur Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit von Cannabisarzneimitteln umfassend abgeklärt.

Gerne steht Ihnen unser spezialisiertes und erfahrenes Team in allen rechtlichen Belangen rund um Medizinalcannabis zur Verfügung. Wir beraten Sie im Zusammenhang mit der Verschreibung, der Anwendung und dem Vertrieb von Cannabis-Arzneimitteln.