18. November 2020

DAC 6 – Überblick

  • Artikel
  • Tax
  • Transaktionen / M&A

Mit der DAC 6 hat die Europäische Union (EU) sich zum Ziel gesetzt potenziell aggressive Steuerplanungsmodelle zu verhindern. Dabei trifft die Meldepflicht vor allem sogenannte, in der EU ansässige, Intermediäre. Gleichwohl können auch Schweizer Unternehmen von der Meldepflicht betroffen sein.

Mit der DAC 6 hat die Europäische Union (EU) sich zum Ziel gesetzt potenziell aggressive Steuerplanungsmodelle zu verhindern. Dabei trifft die Meldepflicht vor allem sogenannte, in der EU ansässige, Intermediäre. Gleichwohl können auch Schweizer Unternehmen von der Meldepflicht betroffen sein. Deshalb haben wir für Sie die wichtigsten Eckpunkte der DAC 6 zusammengefasst.

Überblick

Die DAC 6 belegt bestimmte «grenzüberschreitende Steuergestaltungen» mit einer Meldepflicht. Voraussetzung für die Meldepflicht ist, dass bestimmte Kennzeichen (sog. Hallmarks) erfüllt werden. Meldepflichtig ist grundsätzlich der sogenannte «Intermediär». Dabei kann es sich um Anwälte, Steuerberater, Treuhänder, Finanzdienstleister, Family Offices oder ähnliches handeln. In bestimmten Fällen wird die Meldepflicht auf die involvierten Unternehmen, den sogenannten «relevanten Steuerpflichtigen», überwälzt. Ein Verstoss gegen die Meldepflicht führt teils zu erhebliche Sanktionen. In Polen drohen beispielsweise Bussen bis zu EUR 5’500'000 sowie Freiheitsstrafen von bis zu 8 Jahren.

Grenzüberschreitenden Steuergestaltung

Von der DAC 6 erfasst werden grenzüberschreitende Steuergestaltung. Grenzüberschreitend bedeutet in diesem Zusammenhang, dass mindestens zwei EU-Mitgliedstaaten oder ein EU-Mitgliedstaat in Verbindung mit einem Drittstaat (z.B. Schweiz) involviert sein müssen.

Betroffen ist grundsätzlich jede Steuer, die von einem EU-Mitgliedsstaat erhoben wird. Die Richtlinie stellt den EU-Mitgliedstaaten jedoch die Aufnahme von Zöllen sowie die harmonisierte Mehrwertsteuer und Verbrauchssteuern in der jeweiligen nationalen Umsetzung frei.

Die Definition von Steuergestaltungen erfolgt anhand von fünf weitgefassten Kategorien von Kennzeichen. Diese Kategorien sind bezeichnet mit: Allgemein (A), Spezifisch (B), Grenzüberschreitende Zahlungen (C), Steuertransparenz (D) und Verrechnungspreise (E). Dabei muss für eine Meldepflicht bei den Kennzeichen A, B und teils C zusätzlich der sogenannte "Main Benefit Test" erfüllt sein; d. h., dass ein verständiger Dritter unter Berücksichtigung aller wesentlichen Fakten und Umstände vernünftigerweise erwarten kann, dass der Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile, der Steuergestaltung, die Erlangung eines Steuervorteils ist.

Kennzeichen im Detail

Das allgemeine Kennzeichen (A.1) umfasst die Vereinbarung einer Vertraulichkeitsklausel, die eine Offenlegung verbietet, auf welche Weise der Steuervorteil aufgrund der Gestaltung erlangt wird. Die Einhaltung des Berufsgeheimnisses alleine erfüllt dieses Kennzeichen jedoch nicht. Weiter beinhaltet das Kennzeichen (A.2) die Vereinbarung erfolgsabhängiger Vergütung, d. h. die Vergütung des Intermediärs richtet sich nach dem erlangten Steuervorteil. Das Kennzeichen (A.3) erfasst sämtliche standardisierte Dokumentationen und Strukturen, die für mehr als einen Steuerpflichtigen verfügbar sind, ohne dass sie für die Umsetzung wesentlicher individueller Anpassungen bedürfen. Dazu gehören beispielsweise Finanzierungsprodukte oder zentralisierte Dienstleistungen, die von einem Gruppenmitglied erbracht werden. Solche Steuergestaltungen werden auch «marktfähige Gestaltungen» genannt.

Das Kennzeichen (B.1) ist erfüllt, wenn ein verlustbringendes Unternehmen erworben wird. Dabei muss die Haupttätigkeit des erworbenen Unternehmens beendet und die Verlustnutzung zur Reduktion der Steuerbelastung des Erwerbers durch unangemessene Schritte erlangt werden. Die Umwandlung von Einkünften in Vermögen, Schenkungen oder andere, nicht oder niedriger besteuerte Einnahmen oder nicht steuerbare Einkünfte, fällt unter das Kennzeichen (B.2). Das Kennzeichen (B.2) könnte beispielsweise durch eine Bareinlage der Muttergesellschaft in ihre niedrig besteuerte Tochtergesellschaft sein erfüllt sein, wenn diese Mittel im Anschluss als Darlehen von der Tochtergesellschaft wieder an die Muttergesellschaft ausgereicht werden und der bezahlte Zins bei der Muttergesellschaft steuerlich als Aufwand anerkannt wird. Das Kennzeichen (B.3) unterstellt die Nutzung zirkulärer Transaktion durch die Einbeziehung von Unternehmen ohne wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit oder die Ausführung von Transaktionen, die sich gegenseitig aufheben oder ausgleichen („Round tripping“) der Meldepflicht.

Das Kennzeichen (C) «grenzüberschreitenden Zahlungen» untergliedert sich in die Kennzeichen C.1 bis C.4. Dabei muss der Main Benefit Test für die folgenden Kriterien des Kennzeichen C.1 bezüglich abzugsfähiger grenzüberschreitender Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen erfüllt sein: (i) im Ansässigkeitsstaat des Empfängers, fallen keine Einkommensteuern bzw. Gewinnsteuern an, weil dieser Staat keine Einkommensteuer oder Gewinnsteuer erhebt oder einen Einkommen- bzw. Gewinnsteuersatz von null oder nahe null hat, (ii) im Ansässigkeitsstaat des Empfängers handelt es sich um eine in voller Höhe steuerbefreite Zahlung, oder (iii) der Empfänger profitiert im Ansässigkeitsstaat von einem präferentiellen Steuerregime für die erhaltene Zahlung. Bereits ohne Erfüllung des Main Benefit Test liegt eine Steuergestaltung unter dem Kennzeichen (C) vor, wenn bei den abzugsfähigen grenzüberschreitenden Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen (i) der Empfänger in keinem Steuerhoheitsgebiet ansässig ist oder (ii) es sich bei dem Ansässigkeitsstaat des Empfängers um eine Nicht-kooperierender Staat gemäss der EU oder OECD Definition handelt. Die Kennzeichen C.2 bis C.4 benötigen ebenfalls nicht die Erfüllung des Main Benefit Test, um eine Steuergestaltung darzustellen. Das Kennzeichen (C.2) ist erfüllt, wenn die Abschreibung desselben Vermögenswertes in mehr als einem Staat geltend gemacht wird. Beispielsweise kann dies durch Qualifikationskonflikte bei einem Leasingvertrag zustande kommen. Zur Erfüllung des Kennzeichens (C.3) muss eine mehrfache Steuerbefreiung für dieselben Einkünfte erzielt werden, die infolgedessen unversteuert bleiben. Die mehrfahre Steuerbefreiung ergibt sich beispielsweise durch Qualifikationskonflikte oder Zuordnungskonflikte in einem Dreistaaten-DBA-Fall, so dass steuerbefreites Einkommen zwischen Staat A und B entsteht, und eine Befreiung zwischen den Staaten A und C. Das Kennzeichen (C.4) umfasst die Übertragung von Vermögenswerten, deren steuerliche Abgangswerte im Verkaufsstaat wesentliche Unterschiede zum steuerlichen Eingangswert im Käuferstaat aufweisen.

Das Kennzeichen (D) «Steuertransparenz» ist immer dann erfüllt, wenn die Meldepflicht des automatischen Informationsaustauschs über Finanzkonten ausgehöhlt wird (D.1), oder eine intransparente Kette von rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentümern aufgesetzt wird (D.2), beispielsweise um die Eigentümerinformationen nicht über den gegenseitigen Informationsaustausch offenlegen zu müssen.

Das Kennzeichen (E) betrifft die Verrechnungspreisgestaltung. Das Kennzeichen (E.1) ist erfüllt, wenn Unilaterale Safe-Harbor-Regeln genutzt werden. Dies ist in vielen EU-Mitgliedstaaten bereits der Fall, wenn der von der sogenannte «Safe Harbour Zinssatz» der ESTV für Konzerndarlehen zur Anwendung kommt. Unter das Kennzeichen (E.2) fallen Übertragung von schwer zu bewertenden immateriellen Werten, für die zum Zeitpunkt ihrer Übertragung (i) keine ausreichend verlässlichen Vergleichswerte vorliegen und (ii) die Prognosen voraussichtlicher Cashflows oder die der Bewertung des immateriellen Werts zugrunde gelegten Annahmen höchst unsicher sind. Schliesslich liegt eine Steuergestaltung auch dann vor, wenn Kennzeichen (E.3) erfüllt ist. Hierbei muss eine grenzüberschreitende Übertragung von Funktionen, Risiken, Vermögenswerten erfolgen und das erwartete jährliche EBIT des Übertragenden über einen Zeitraum von drei Jahren nach der Übertragung weniger als 50 % des jährlichen EBIT des Übertragenden beträgt, der erwartet worden wäre, wenn die Übertragung nicht stattgefunden hätte.

Intermediär

Intermediär ist jede Person, die eine meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltung konzipiert, vermarktet, organisiert, zur Umsetzung bereitstellt oder die die Umsetzung einer solchen Steuergestaltung verwaltet. Damit eine Person als Intermediär im Sinne der DAC 6 fungieren kann, muss sie mindestens eine der folgenden zusätzlichen Bedingungen erfüllen: (i) steuerliche Ansässigkeit in einem EU-Mitgliedsstaat, (ii) unterhalten einer Betriebsstätte in einem EU-Mitgliedsstaat, (iii) eingetragen oder unterstehen des Rechts eines EU-Mitgliedstaats, oder (iv) Mitglied in einem ‘Berufsregister’ oder in einem ‘Berufsverband’ für juristische, steuerliche oder beratende Dienstleistungen in einem EU-Mitgliedstaat sein. Darunter fallen neben den klassischen Beratungsunternehmen auch Konzerngesellschaften, die steuerliche Dienstleistungen für den Konzern erbringen oder Banken, die Strukturierte Produkte anbieten. Soweit mehr als ein Intermediär an der grenzüberschreitenden Steuergestaltung beteiligt ist, ist grundsätzlich jeder Intermediär einzeln zur Meldung verpflichtet. Eine Meldung kann nur dann unterbleiben, wenn nachgewiesen werden kann, dass die grenzüberschreitende Gestaltung bereits von anderem Intermediär gemeldet wurde.

Relevanter Steuerpflichtiger

Bei relevanten Steuerpflichtigen handelt es sich um diejenige Person, der eine meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltung zur Umsetzung bereitgestellt wird, oder die bereit ist, eine meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltung umzusetzen, oder die den ersten Schritt einer solchen Gestaltung umgesetzt hat. Der relevanter Steuerpflichtiger ist daher grundsätzlicher der «Nutzer» der grenzüberschreitenden Steuergestaltung.

Tritt der Fall ein, dass kein Intermediär involviert ist oder der Intermediär nicht in einem EU-Mitgliedstaat ansässig ist, fällt die Meldepflicht dem relevanten Steuerpflichtigen zu. Soweit mehr als ein relevanter Steuerpflichtiger an der grenzüberschreitenden Steuergestaltung beteiligt ist, ist grundsätzlich jeder relevante Steuerpflichtige zur Meldung verpflichtet. Die Mehrfachmeldung kann jedoch unterbleiben, wenn nachgewiesen werden kann, dass grenzüberschreitende Gestaltung bereits von anderem relevanten Steuerpflichtigen gemeldet wurde.

Beispiel I: Eine Schweizer Konzernobergesellschaft lässt sich von einer Schweizer Anwaltskanzlei hinsichtlich der Übertragung eines schwer zu bewertendem Patent an ihre in Frankreich ansässige Tochtergesellschaft beraten. Die Übertragung des Patents fällt unter das Kennzeichen E.2. Somit liegt eine meldepflichtige Steuergestaltung auch ohne die Erfüllung des Main Benefit Tests vor. Da die Schweizer Anwaltskanzlei nicht Intermediär im Sinne der DAC 6 ist, fällt die Meldepflicht dem relevanten Steuerpflichtigen zu. Da die Tochtergesellschaft in der EU ansässig ist, muss diese die Gestaltung den Französischen Behörden melden.

Beispiel II: Eine Schweizer Muttergesellschaft erlaubt ihrer deutschen Tochtergesellschaft gegen ein Lizenzentgelt die Nutzung von Markenrechten. Das Schweizer Unternehmen kommt in den Genuss einer kantonalen und bundesrechtlichen Steuererleichterung (Tax Holiday). Sollte insoweit der der Main Benefit Text erfüllt sein, liegt eine meldepflichtige Steuergestaltung vor (Kennzeichen C.1). Da in diesem Fall Intermediär beteiligt ist, ist der relevanten Steuerpflichtige zur Meldung verpflichtet. Grundsätzlich sind beide Gesellschaften in Deutschland meldepflichtig. Die Tochtergesellschaft in Deutschland ist aufgrund ihrer steuerlichen Ansässigkeit in Deutschland meldepflichtig. Die Muttergesellschaft erzielt in Deutschland Lizenzeinkünfte und wird daher in Deutschland beschränkt steuerpflichtig. Damit erzielt die Muttergesellschaft Einkünfte, die für eine die DAC 6 betreffende deutsche Steuer von Bedeutung sind. Dies ist ausreichend für die Begründung einer Meldepflicht nach den deutschen Bestimmungen. Eine der beiden Gesellschaften kann sich von der Verpflichtung zur Meldung mittels Nachweises der Meldung der anderen Gesellschaft befreien.

Ablauf der Meldung

Intermediäre bzw. relevante Steuerpflichtige müssen eine meldepflichtige grenzüberschreitende Steuergestaltung innerhalb von 30 Tagen melden. Die 30-Tage-Frist beginnt ab dem frühesten der folgenden Ereignisse zu laufen: (i) die Gestaltung wird zur Umsetzung bereitgestellt, (ii) die Gestaltung ist umsetzungsbereit, (iii) die ersten Schritte zur Umsetzung der Gestaltung werden ausgeführt. Die Meldungen über marktfähige Gestaltungen müssen darüber hinaus alle 3 Monate aktualisiert werden.

Die aktuellen Fristen sowie die Behandlung von meldepflichtigen grenzüberschreitenden Steuergestaltungen, die ab dem 25. Juni 2018 bestehen, finden Sie in unserem weiteren Magazinbetrag.

Magazinbeitrag "DAC 6 Meldepflicht schon erfüllt"