Ein Vorkaufsrecht erlaubt es, eine Immobilie vor einem Dritten zu erwerben. Wann ein Verzicht darauf möglich ist, und was es dabei zu beachten gilt, beleuchtet unser neuer Artikel.
Im Zusammenhang mit Immobilien ermöglicht ein Vorkaufsrecht einer berechtigten Person, eine Immobilie zu kaufen, bevor sie der Verkäufer einem Drittem zu Eigentum überträgt. Der Vorkaufsberechtigte «schnappt» dem Dritten die Immobilie weg.
Es wird dabei zwischen einem vertraglichen und gesetzlichen Vorkaufsrecht unterschieden. Beide Vorkaufsrechte bezwecken dasselbe, unterscheiden sich jedoch in Bezug auf ihre Entstehung, Geltung und Anwendbarkeit.
Gerade bei Immobilientransaktionen ist Planbarkeit und Transaktionssicherheit jedoch «gold- und geldwert». Vorkaufsrechte können diesen Zielen entgegenstehen. Oft wird daher von den involvierten Parteien bereits im Vorfeld zur Beurkundung versucht, ein (vorgängiger) Verzicht vom Berechtigten auf sein Vorkaufsrecht zu erhalten. Ob und unter welchen Voraussetzungen ein solcher (vorgängiger) Verzicht rechtlich möglich ist, will der nachfolgende Artikel erleuchten.
In der Praxis trifft man vertragliche Vorkaufsrechte insbesondere dann an, wenn ein langfristiges Interesse an der oder eine besondere Nähe zu einer Immobilie besteht.
Ein vertragliches Vorkaufsrecht entsteht durch eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien, sei es im Rahmen eines Kaufvertrages, Mietvertrages oder einer anderen vertraglichen Regelung. Sofern keine anderen Vereinbarungen getroffen wurden, verpflichtet sich der Eigentümer einer Immobilie, die Immobilie zunächst dem Vorkaufsberechtigten unter den mit dem Kaufinteressenten vereinbarten Bedingungen anzubieten, bevor er sie an einen Dritten verkauft oder sonst wie überträgt, das wirtschaftlich einem Verkauf gleichkommt. In der vertraglichen Ausgestaltung sind die Parteien frei und können insbesondere die finanziellen Bedingungen nach Belieben ausformulieren.
Entsprechend der Natur der Verträge gilt auch ein vertragliches Vorkaufsrecht grundsätzlich nur zwischen den Vertragsparteien. Ohne die Eintragung des vertraglichen Vorkaufsrechts im Grundbuch entfaltet es gegenüber gutgläubigen Dritten, die die Immobilie erwerben, keine Wirkung. Der Dritte kann die Immobilie erwerben und als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden. Der Verkäufer und bisheriger Eigentümer wird dem Vorkaufsberechtigten hingegen schadenersatzpflichtig, da dieser das Vorkaufsrecht des Berechtigten verletzt, indem er die Ausübung des Vorkaufsrechts durch Übertragung der Immobilie auf einen Dritten verunmöglicht hat.
Wird hingegen ein vertragliches Vorkaufsrecht im Grundbuch eingetragen, so erscheint es im Grundstückbeschrieb unter den sog. Vormerkungen. Es handelt sich dann um ein sog. vorgemerktes Vorkaufsrecht. Bei einem beabsichtigten Erwerb im Zuge einer Transaktion einer Immobilie wäre ein solches grundbuchlich gesichertes, vertragliches Vorkaufsrecht für den Käufer im Grundbuch ersichtlich.
Verträge über ein Vorkaufsrecht mit einem zum Voraus festgelegten Vorkaufspreis sind öffentlich zu beurkunden (sog. bestimmtes Vorkaufsrecht). Einfache Schriftlichkeit hingegen genügt dann, wenn der Vorkaufsberechtigte bereit ist, im Vorkaufsfall den mit dem Dritten ausverhandelten Kaufpreis zu bezahlen (sog. unlimitiertes Vorkaufsrecht).
Das gesetzliche Vorkaufsrecht ist im Gesetz verankert. Es handelt sich insbesondere um das Vorkaufsrecht der Miteigentümer (Art. 682 Abs. 1 ZGB), das Vorkaufsrecht des Baurechtsgebers und des Baurechtsnehmers (Art. 682 Abs. 2 ZGB), das Vorkaufsrecht naher Verwandter bei landwirtschaftlichen Grundstücken und dasjenige des Pächters sowie diverse Vorkaufsrechte des Gemeinwesens (Gemeinde und Kanton), z.B. bei Grundstücken in der Erholungs- und Freihaltezone. Hierbei will sich das Gemeinwesen das Recht vorbehalten, Grundstücke im Verkaufsfall erwerben zu können, die für die Allgemeinheit oder raumplanerischer Nutzung von Interesse oder Bedeutung sein könnten.
Gesetzliche Vorkaufsrechte können gänzlich oder teilweise ausgeschlossen oder abgeändert werden (vgl. Art. 681b ZGB). Hierfür bedarf es jedoch der öffentlichen Beurkundung. Häufig anzutreffen ist ein solcher Ausschluss eines gesetzlichen Vorkaufsrechts beispielsweise bei einer in Miteigentum aufgeteilten Tiefgarage.
Das Vorkaufsrecht kann vom Vorkaufsberechtigten erst dann geltend gemacht werden, wenn ein sog. Vorkaufsfall eingetreten ist. Dies ist dann der Fall, wenn das Grundstück verkauft wird (d.h. beurkundet) oder gestützt auf ein anderes Rechtsgeschäft, das wirtschaftlich einem Verkauf gleichkommt, auf einen Dritten übertragen werden soll. Nicht als Vorkaufsfall gelten von Gesetzes wegen namentlich die Zuweisung an einen Erben in der Erbteilung, die Zwangsversteigerung und der Erwerb zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben. (vgl. Art. 216c OR). Diese Regelung kann von den Parteien jedoch abgeändert oder ergänzt werden.
Aufgrund eines Vorkaufsfalls muss gemäss Art. 681a ZGB bzw. Art. 216d OR der Verkäufer den Vorkaufsberechtigten über den Abschluss und Inhalt des Kaufvertrages mit dem Dritten informieren. Ab Kenntnis von Abschluss und Inhalt dieses Vertrages mit dem Dritten hat der Vorkaufsberechtigte grundsätzlich drei Monate Zeit, sein Vorkaufsrecht auszuüben, indem er es gegenüber dem Verkäufer (bei einem rein vertraglichen Vorkaufsrecht) bzw. dem Eigentümer (bei im Grundbuch eingetragenen Vorkaufsrecht) geltend machen.
1. Rein vertragliches Vorkaufsrecht
Zunächst ist festzuhalten, dass bei einem rein vertraglichen Vorkaufsrecht die dreimonatige Ausübungsfrist wie auch die Regelung betreffend Vorkaufsfall dispositiv sind und von den Parteien abgeändert werden können. Die Parteien können insbesondere vereinbaren, dass der Vorkaufsfall nicht erst bei Vertragsschluss, sondern bereits früher eintreten kann, beispielsweise bereits bei (ernsthaften) Vorverhandlungen mit Dritten. In der Praxis dürfte eine solche Vereinbarung jedoch eher selten sein. Denn ein Vorkaufsberechtigter wird in der Regel wissen wollen, zu welchen Konditionen letztlich die Immobilie an den Dritten übertragen werden soll.
Weiter kann der vertraglich Vorkaufsberechtigte auf die Ausübung seines Vorkaufsrechts während der dreimonatigen Ausübungsfrist jederzeit, sogar auch im Voraus verzichten.
Der Verzicht auf das Vorkaufsrecht hat dabei klar zum Ausdruck zu kommen.
Ein Vorausverzicht, das heisst vor Eintritt des Vorkaufsfalls, ist bei einem vertraglichen, nicht vorgemerkten Vorkaufsrecht auch für einen Grundbuchverwalter beachtlich. Liegt folglich vor oder im Zeitpunkt des Eintritts des Vorkaufsfalls eine gültige Verzichtserklärung des Vorkaufsberechtigten vor, so kann auf das Abwarten der dreimonatigen Frist verzichtet werden und der Kaufvertrag kann unmittelbar im Anschluss an die Beurkundung - Zug-um-Zug - vollzogen werden.
2. Vorgemerktes oder gesetzliches Vorkaufsrecht
Anders verhält es sich bei einem vorgemerkten oder gesetzlichen Vorkaufsrecht.
Der Grundbuchverwalter teilt gestützt auf Art. 969 ZGB dem Berechtigten, dessen Vorkaufsrechts im Grundbuch vorgemerkt ist oder von Gesetzes wegen besteht und aus dem Grundbuch hervorgeht, den Erwerb des Eigentums durch einen Dritten mit. Er ist zu einer solchen Anzeige auch dann verpflichtet, wenn der Vorkaufsberechtigte bereits vom Verkäufer informiert wurde.
Auch bei einem vertraglich vorgemerkten oder gesetzlichen Vorkaufsrecht kann auf die Ausübung verzichtet werden. Der früheste – verbindliche - Zeitpunkt ist jedoch der Eintritt des Vorkaufsfalls, das heisst die Beurkundung des Rechtsgeschäfts. Für die Verzichtserklärung genügt diesfalls die einfache Schriftform. Die Verzichtserklärung kann dabei entweder an den Verkäufer oder auch rechtswirksam an das Grundbuchamt oder sogar an den Käufer gerichtet sein.
In der Praxis erlangt der Grundbuchbeamte oftmals früher Kenntnis von einer allfälligen vorgängigen Verzichtserklärung. Aufgrund seiner Verantwortlichkeit und Anzeigepflicht jedoch ist eine solche Verzichtserklärung für ihn nicht massgebend. Das Eigentum kann nicht unmittelbar auf den Käufer übertragen und der Kaufvertrag daher nur bedingt ausgestalten werden.
Soll der Verzicht auf die Ausübung des Vorkaufsrechts bereits im Zeitpunkt der öffentlichen Beurkundung des Kaufvertrages rechtswirksam vorliegen, so hat der Verzicht (wie der Kaufvertrag) öffentlich beurkundet zu werden. Alternativ könnte der Berechtigte auch anlässlich der öffentlichen Beurkundung des Kaufvertrages durch persönliches Erscheinen auf dem Notariat und Grundbuchamt auf sein Vorkaufsrecht verzichten und dies gegenüber dem Grundbuchbeamten bestätigen.
Im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Erwerb einer Immobilie ist zunächst zu prüfen, ob es mit einem Vorkaufsrecht belastet ist. Liegt ein Vorkaufsrecht vor, ist in einem nächsten Schritt danach zu unterscheiden, um welche Art von Vorkaufsrecht es sich handelt, namentlich um ein rein vertragliches, vertraglich vorgemerktes oder gesetzliches Vorkaufsrecht.
Nur bei einem vertraglichen Vorkaufsrecht ist ein Vorausverzicht verbindlich, enthebt den Grundbuchverwalter seiner üblichen Anzeigepflicht und erlaubt es den Parteien, den Kaufvertrag Zug-um-Zug auszugestalten. Im Gegensatz dazu bedarf es beim vertraglich vorgemerkten oder gesetzlichen Vorkaufsrecht entweder ein öffentlich beurkundeter Vorausverzicht, eine persönliche Teilnahme des Vorkaufsberechtigten bei der Beurkundung oder die schriftliche Erklärung des Verzichts nach der Beurkundung während der dreimonatigen Ausübungsfrist. Auf den Kaufvertrag hat dies insofern eine praktische Bedeutung, als dass in der Regel die Beurkundung und die Eigentumsübertragung nicht unmittelbar nacheinander erfolgen kann und insbesondere für den Käufer eine Rechtsunsicherheit besteht, ob er die Immobilie tatsächlich zu Eigentum erwerben kann.
Deshalb ist die rechtliche Analyse der Ausgangslage sowie die saubere vertragliche Umsetzung in einem solchen Fall von Bedeutung sein.