31. März 2023

Uber und die Krux mit der unselbständigen Erwerbstätigkeit

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Mit den neusten Uber-Entscheiden bestätigte das Bundesgericht erneut, dass das Uber-Fahrpersonal einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht.

Was bisher geschah

2019 stellte die Ausgleichskasse des Kantons Zürich für die Fahrerinnen und Fahrer von UberX, UberBlack, UberVan und UberGreen fest, dass sie einer unselbständigen Erwerbstätigkeit für die Uber B.V. mit Sitz in Amsterdam nachgehen. Die Ausgleichskasse erhob in der Folge die AHV-Beiträge für das Jahr 2014 bei der Uber Switzerland GmbH mit Sitz in Zürich. Mit dem Urteil des in der Folge angerufenen Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich waren weder die Ausgleichskasse noch die beiden Uber- Gesellschaften (Uber B.V. und Uber Switzerland GmbH) einverstanden. Das Bundesgericht hatte demzufolge zu prüfen, ob Uber B.V. der AHV-Pflicht untersteht.

Auch im parallel geführten Verfahren, worin das Verhältnis zwischen UberPop-Fahrerinnen und -Fahrern und der Rasier Operations B.V. – einer Tochtergesellschaft von Uber B.V. – beurteilt werden musste, stellte sich die Frage nach der Feststellung des Beitragsstatuts.

Uber-Fahrerinnen und Fahrer sind nicht selbständig erwerbstätig

Das Bundesgericht urteilte nun in den am 22. März 2023 publizierten Entscheiden, dass das Fahrpersonal von Uber einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht (Urteile 9C_70/2022 und 9C_71/2022 vom 16. Februar 2023, zur amtlichen Publikation vorgesehen). Es hielt diesbezüglich zunächst abermals fest, dass sich die Frage, ob es sich im Einzelfall um eine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit handelt, nicht aufgrund der Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien beurteilt. Vielmehr sind die wirtschaftlichen Gegebenheiten entscheidend (E. 6.2).

Das Bundesgericht wog die verschiedenen Merkmale, welche für eine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit sprechen, ab, wobei die Merkmale einer unselbständigen Erwerbstätigkeit im vorliegenden Fall deutlich dominierten (E. 7.5):

  • Die Uber-Gesellschaften verfügen gegenüber dem Fahrpersonal über ein Weisungsrecht, denn die als Empfehlung formulierten Verhaltensaufforderungen stellen verbindliche Anweisungen dar. Deren Einhaltung kann Uber mittels App kontrollieren und bei schlechten Fahrtenbewertungen dem Fahrpersonal den Zugang zu den Uber-Services gar verweigern. Durch zahlreiche Vorschriften ist die Entscheidungsfreiheit des Fahrpersonals weiter eingeschränkt, namentlich in der Wahl des Fahrzeuges und im Ablauf der Beförderungsdienstleistung (E. 7.2 ff.).
  • Das Fahrpersonal ist zudem auch in wesentlichen Bereichen den Uber-Gesellschaften untergeordnet: Es besteht keine wesentliche Freiheit bei der Preisgestaltung, zumal Uber den Fahrpreis einseitig anpassen kann. Es handelt sich also nicht um einen zwischen gleichgestellten Parteien ausgehandelten Preis. Auch das Bewertungssystem verfolgt vor allem den Zweck, einheitliche, der Kundenzufriedenheit dienende Standards durchzusetzen sowie die Qualität sicherzustellen. Weiter überwacht Uber das Fahrpersonal mittels GPS. Da überdies eine Fahrerin erst bei Annahme einer Fahrt den Zielort durch den Fahrgast selbst oder in der App erfährt, verunmöglicht dies sowohl die Annahme von ausschliesslich finanziell lohnenden Fahrten als auch die freie zeitliche Einteilung der Fahrten (E. 7.3 ff.).
  • Schliesslich fehlt dem Fahrpersonal auch das unternehmerische Risiko. Der Kauf und Unterhalt eines Fahrzeuges ist keine erhebliche Investition. Zudem stellt Uber dem Fahrpersonal die IT-Infrastruktur und Software in Form der Uber-App zur Verfügung. Ferner ist das vom Fahrpersonal zu tragende Inkasso- und Delkredererisiko gering. Das Fahrpersonal handelt letztlich nicht in eigenem Namen, denn gegenüber dem Fahrgast tritt grundsätzlich nur Uber auf (E. 7.4 ff.).

Eine individuelle Prüfung der Beziehung zu Uber muss demnach einzig bei Fahrerinnen und Fahrern erfolgen, die eigene Angestellte beschäftigen oder das Uber-Geschäft über eine juristische Person abwickeln (E. 8 ff.).

Sodann ist Uber B.V. als Arbeitgeberin der typischen UberX-, UberBlack-, UberVan- und Uber-Green-Fahrerinnen und -Fahrer anzusehen. Das Unternehmen verfügt aufgrund der vereinbarten vertraglichen Bestimmungen über dermassen umfangreiche Weisungsrechte, dass das Fahrpersonal von der jeweiligen Gesellschaft betriebswirtschaftlich bzw. organisatorisch massgeblich abhängig ist (E. 9 ff.)

Schliesslich hielt das Bundesgericht fest, dass als Betriebsstätte die Anlaufstelle des Fahrpersonals gilt, wobei es sich um die Adresse der Uber Switzerland GmbH handelt. Uber hatte über die dortigen ständigen Anlagen Verfügungsmacht, auch die Geschäftstätigkeit spielte sich zumindest teilweise dort ab. Unabhängig der Staatsangehörigkeit des Fahrpersonals ergibt sich daraus die AHV-Beitragspflicht von Uber B.V. und Uber Switzerland GmbH als Arbeitgeberinnen mit einer Betriebsstätte in der Schweiz (E. 10 ff.).

Die beiden Gesellschaften müssen nun der Ausgleichskasse die Unterlagen herausgeben, welche die an das Fahrpersonal ausgerichteten Löhne enthalten, damit die Ausgleichskasse die AHV-Beiträge berechnen kann (E. 11.7).

Gleich urteilte das Bundesgericht auch in den Parallelverfahren: Die Rasier Operations B.V ist als Arbeitgeberin der UberPop-Fahrerinnen und -Fahrer zu beachtrachten (Urteile 9C_75/2022 und 9C_76/2022, noch nicht publiziert).

Frühere Uber-Entscheide: Arbeitsverhältnis zwischen in Genf tätigem Uber-Fahrpersonal und Uber B.V.

Bereits Ende Mai 2022 urteilte das Bundesgericht, dass die Uber-Fahrerinnen und -Fahrer im Kanton Genf mit Uber B. V. ein Arbeitsverhältnis geschlossen haben (Urteil 2C_34/2021 vom 30. Mai 2022). Uber B.V. ist somit verpflichtet, die gesetzlichen Pflichten und die branchenüblichen Arbeitsbedingungen einzuhalten.

Hingegen urteilte das Bundesgericht zur gleichen Zeit, dass Kurierinnen und Kuriere des Essenslieferdienst Uber Eats zwar als Angestellte zu betrachten seien, sie aber keinen Vertrag zum Personalverleih mit den jeweiligen Restaurants haben (Urteil 2C_575/2020 vom 30. Mai 2022).

Konsequenz für Anbieterinnen und Anbieter vergleichbarer Dienstleistungen

Es gibt zahlreiche Dienstleistungsunternehmen mit Uber-ähnlichen Geschäftsmodellen. Aufgrund der nunmehr gefestigten bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist es sinnvoll, dass diese Unternehmen ihre Verträge und Vergütungs- oder Entlohnungssysteme überprüfen und an die neuen rechtlichen Gegebenheiten anpassen.

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