16. August 2021

Sorgfalts- und Transparenzpflichten im Zusammenhang mit Mineralien und Metallen

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Die neuen Bestimmungen im OR aufgrund des indirekten Gegenvorschlags zur gescheiterten Volksinitiative "Für verantwortungsvolle Unternehmen - zum Schutz von Mensch und Umwelt" bringen u.a. die Pflicht für Schweizer Unternehmen, die Konfliktmineralien importieren oder bearbeiten, themenspezifische Sorgfaltspflichten einzuhalten. Der Magazinbeitrag beleuchtet näher, von wem genau welche Sorgfalts- und Transparenzpflichten im Bereich Konfliktmineralien einzuhalten sind und welche Ausnahmen bestehen.

Die Eidgenössische Volksinitiative „Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt“, wurde am 29. November 2020 aufgrund des Ständemehrs abgelehnt. Damit kommt der indirekte Gegenvorschlag der Bundesversammlung zum Zug. Die Frist für das fakultative Referendum ist am 5. August 2021 abgelaufen. Es ist damit zu rechnen, dass die neuen Bestimmungen am 1. Januar 2022 in Kraft treten.

Die neuen Bestimmungen im OR bringen einerseits nicht finanzielle Berichterstattungspflichten und andererseits neue Pflichten für Schweizer Unternehmen, die Mineralien und Metalle aus Konfliktgebieten einführen oder in ihrer Lieferkette dem Risiko von Kinderarbeit ausgesetzt sind. Diese Unternehmen müssen themenspezifische Sorgfaltspflichten einhalten. Da die neuen Bestimmungen in Bezug auf die Abschnitte Konfliktmineralien und Kinderarbeit eine Umsetzung auf Verordnungsstufe erfordern, hat der Bundesrat die Ausführungsbestimmungen zu den neuen Sorgfaltspflichten von Unternehmen in die Vernehmlassung geschickt. Die Vernehmlassungsfrist ist am 14. Juli 2021 abgelaufen. Derzeit wertet das Bundesamt für Justiz die Eingaben aus der Vernehmlassung aus.

Im Folgenden soll ausschliesslich näher beleuchtet werden, von wem genau welche Sorgfalts- und Transparenzpflichten im Bereich Mineralien und Metalle einzuhalten sind und welche Ausnahmen bestehen.

I.   Welche Unternehmen müssen Sorgfalts- und Transparenzpflichten einhalten?

Unternehmen, deren Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung sich in der Schweiz befindet, müssen in der Lieferkette Sorgfaltspflichten einhalten und darüber Bericht erstatten, wenn durch sie Zinn, Tantal, Wolfram, deren Erze oder Gold enthaltende Mineralien und Metalle aus Konflikt- und Hochrisikogebieten (sog. Konfliktmineralien) in den freien Verkehr der Schweiz überführt oder in der Schweiz bearbeitet werden.

II.       Ausnahmen von der Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten im Bereich Konfliktmineralien

Die Ausführungsbestimmungen in der Verordnung über Sorgfaltspflichten und Transparenz bezüglich Mineralien und Metalle aus Konfliktgebieten und Kinderarbeit («VSoTr») definiert Ausnahmen von den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten in den Bereichen Mineralien und Metalle. So legt der Bundesrat jährlich Einfuhr- und Bearbeitungsmengen von Mineralien und Metallen fest, bis zu denen ein Unternehmen von den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten befreit ist. Diese Grenzwerte orientieren sich an den Werten der Verordnung (EU) 2017/821 über Konfliktmineralien. Im Konzernverhältnis sind die Grenzwerte konsolidiert zu betrachten.

So liegt bspw. die Meng von Gold in Rohform aktuell bei 100 Kg/Jahr, bei dem ein Unternehmen von den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten befreit ist.

Unabhängig von Grenzwerten, unterliegt die Einfuhr und Bearbeitung von rezyklierten Metallen nicht den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten. Rezyklierung liegt gemäss der Verordnung vor, wenn Abfallprodukte für den ursprünglichen Zweck oder andere Zwecke wiederverwendet werden.

III.   Alternative: Einhaltung von international anerkannten gleichwertigen Regelwerken

Statt an den Vorgaben des Obligationenrechts kann sich ein Unternehmen auch an international anerkannten Regelwerken ausrichten. Die VSoTr anerkennt als gleichwertig, (i) den OECD-Leitfaden vom April 2016 für die Erfüllung der Sorgfaltspflicht zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten für Minerale aus Konflikt- und Hochrisikogebieten (OECD-Leitfaden für Konfliktmineralien), einschliesslich aller Anhänge und Ergänzungen und (ii) die Verordnung (EU) 2017/8214. Wenn ein schweizerisches Unternehmen eines dieser Regelwerkein ihrer Gesamtheit anwendet und einhält, ist es von den Sorgfaltspflichten nach OR befreit. Das Unternehmen muss einen Bericht gemäss dem gewählten Regelwerk verfassen und in diesem Bericht die verwendeten international anerkannten Regelwerke nennen. Einen Bericht nach OR braucht es dann nicht mehr.

IV.         Welche Sorgfaltspflichten gelten bei Konfliktmaterialien?

Findet auf das betroffene Unternehmen keine von den oben beschriebenen Ausnahmen Anwendung, sind folgende Sorgfaltspflichten einzuhalten:

A.           Managementsystem

Zunächst wird verlangt, dass ein betroffenes Unternehmen ein Managementsystem einführt. Ein Managementsystem ist eine Darstellung von Prozessen, Instrumenten und Methoden, mit denen ein Unternehmen seine Tätigkeit auf konkrete Zielsetzungen ausrichtet. Das Unternehmen muss für möglicherweise aus Konflikt- und Hochrisikogebieten stammenden Mineralien und Metalle, seine Lieferkettenpolitik und ein System festlegen, mit dem die Lieferkette zurückverfolgt werden kann.

B.           Risikomanagementplan

Weiter muss ein Risikomanagementplan erstellt werden. Ein Risikomanagementplan beschreibt die Methoden, die das Unternehmen zur Ermittlung, zur Analyse und zur Gewichtung der Risiken schädlicher Auswirkungen der Geschäftstätigkeit in der Lieferkette einsetzt. Er beschreibt den Ansatz für die Risikominimierung sowie wichtige Meilensteine bezogen auf die Umsetzung der getroffenen Massnahmen. Wie detailliert dieser Risikomanagementplan sein muss, richtete sich nach Art und Grösse des Unternehmens, sowie nach der Natur der Geschäftstätigkeit.

C.           Lieferkettenpolitik

Das Unternehmen ist verpflichtet die Lieferkettenpolitik schriftlich festzulegen und hat sich dabei an den Anhängen I und II des OECD Leitfadens für Konfliktmineralien zu orientieren.

In der Lieferkettenpolitik sind die Instrumente zu nennen, mit denen das Unternehmen mögliche schädliche Auswirkungen in seiner Lieferkette ermittelt, bewertet, beseitigt und verhindert. Dazu gehören namentlich:

a)            Kontrollen vor Ort;
b)            Auskünfte, beispielsweise von Behörden, internationalen Organisationen und der Zivilgesellschaft;
c)            der Beizug von Fachleuten und Fachliteratur;
d)            Zusicherungen von Wirtschaftsbeteiligten und Akteuren an der Lieferkette und weitere Geschäftspartnerinnen und -partnern;
e)            Das Verwenden von anerkannten Standards und Zertifizierungssystemen.

 

Die VSoTr schreibt vor, wie die Lieferkettenpolitik umzusetzen ist:

  • Kommunikation: Die Lieferkettenpolitik hat das Unternehmen seinen Lieferanten und der Öffentlichkeit mitzuteilen («Es teilt seinen Lieferanten und der Öffentlichkeit aktuelle Informationen über die Lieferkettenpolitik in unmissverständlicher Weise mit…»).
  • Vertragswesen: Die Lieferkettenpolitik ist in die Verträge mit den Lieferanten zu integrieren («Es teilt seinen Lieferanten und der Öffentlichkeit aktuelle Informationen über die Lieferkettenpolitik in unmissverständlicher Weise mit und integriert seine Lieferkettenpolitik in die Verträge mit den Lieferanten.»).
  • Risikomanagement: Ermittlung und Bewertung der Risiken (siehe Risikomanagementplan).
  • Governance: Die Organisation ist so aufzusetzen, dass interne oder externe Personen Bedenken melden können («Es sorgt dafür, dass Bedenken hinsichtlich der Umstände des Mineralabbaus sowie des Handels und Umgangs mit diesen Mineralien in Konflikt- und Hochrisikogebieten und ihrer Ausfuhr aus Konflikt- und Hochrisikogebieten gemeldet werden können»).

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass es sich bei den Sorgfaltspflichten um Bemühungs- und nicht Erfolgspflichten handelt. Aus diesem Grund besteht kein absolutes Verbot des Imports von Mineralien und Metallen aus Konflikt- und Risikogebieten. Vielmehr soll sich der vom Gesetzgeber angestrebte Zielzustand aus einem kontinuierlichen Einwirken aus Sorgfaltspflichten und Erfüllungstransparenz auf das Spiel der Marktkräfte ergeben.

Die neuen Sorgfalts- und Transparenzpflichten betreffen insbesondere Verwaltungsräte, VR-Sekretäre, Legal Counsel und Sustainability und Compliance Manager. Die neuen Pflichten sind in die üblichen Rechenschafts- und Berichtspflichten sowie in das interne Kontrollsystem zu integrieren.

Das MME ESG-Team unterstützt Unternehmen bei der Umsetzung der neuen Bestimmungen. Wir bieten Workshops (Themen: Unterstellungspflicht, Aufbau Managementsystem, Tools und Massnahmen zur Überwachung der Lieferkette, Berichterstattung) an, geben Legal Opinions ab (insbesondere Negative Assurance Reports falls Ausnahmen zur Anwendung kommen) und unterstützen bei der notwendigen Compliance Dokumentation (Code of Conduct; ESG-Klauseln in Lieferverträgen; etc.).