28. September 2023

Sind Sie, als Verwaltungsrat, sich der neuen Aktienrechtsbestimmungen bewusst?

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Die Übergangsfrist zur Statutenanpassung an das neue Aktienrecht läuft bis zum 1. Januar 2025. Dabei sind, nebst weiteren Neuerungen, insbesondere die neuen Bestimmungen und Pflichten betreffend den Verwaltungsrat zu beachten.

  • Stephan F. Greber

    Legal Associate
  • Michèle Landtwing Leupi

    Legal Partner

I. Neue bzw. erweiterte Pflichten des Verwaltungsrats

a. Erhöhte und klarer geregelte Finanzverantwortung

Der Gesetzgeber erhöht die Finanzverantwortung des Verwaltungsrats und sieht neu explizit klare Pflichten vor. Der Gesetzgeber hebt neu die Pflicht zur ständigen Überwachung der Zahlungsfähigkeit, als Teil der Finanzplanung, explizit hervor. Die Handlungspflichten des Verwaltungsrats setzen nun bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ein und nicht wie zuvor erst bei einem hälftigen Kapitalverlust oder der Überschuldung. Die drohende Zahlungsunfähigkeit liegt dann vor, wenn die Gesellschaft über einen länger andauernden Zeitraum (ein kurzer, vorübergehender Liquiditätsengpass genügt dabei nicht) voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, ihren finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Eine fortlaufende Planung und Überwachung des Cashflows durch den Verwaltungsrat sind daher unerlässlich. Was dies im Einzelfall konkret bedeutet, hängt insbesondere stets davon ab, wie gross das Unternehmen ist und was für eine Betriebstätigkeit ausgeübt wird.

 b. Handlungspflichten bei Kapitalverlust und Überschuldung

Die ausserordentliche Generalversammlung ist bei einem Kapitalverlust neu nur dann einzuberufen, wenn Sanierungsmassnahmen deren Zustimmung erfordern. Im Gegenzug ist der Verwaltungsrat verpflichtet, eine Jahresrechnung mit Kapitalverlust stets von einem zugelassenen Revisor zumindest eingeschränkt prüfen zu lassen. Dies gilt auch für Gesellschaften, die auf die eingeschränkte Revision verzichtet haben. Liegt der erforderliche Revisionsbericht nicht vor, so sind die Beschlüsse zur Genehmigung der Jahresrechnung sowie zur Verwendung des Bilanzgewinnes nichtig. Die Pflicht zur Prüfung der Jahresrechnung durch einen Revisor entfällt nur, wenn der Verwaltungsrat ein Gesuch um Nachlassstundung beim Gericht eingereicht hat.

Eine Überschuldung liegt vor, wenn die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mehr durch Aktiven gedeckt sind. Auch im Falle der begründeten Besorgnis einer Überschuldung bestehen neue Pflichten des Verwaltungsrats. Besteht eine begründete Besorgnis, dass die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht mehr durch die Aktiven gedeckt sind, so erstellt der Verwaltungsrat unverzüglich je einen Zwischenabschluss zu Fortführungswerten und Veräusserungswerten. Auf den Zwischenabschluss zu Veräusserungswerten kann verzichtet werden, wenn die Annahme der Fortführung gegeben ist und der Zwischenabschluss zu Fortführungswerten keine Überschuldung aufweist. Wenn die Annahme der Fortführung nicht gegeben ist, kann auf den Zwischenabschluss zu Fortführungswerten verzichtet werden. Der Zwischenabschluss muss, wie auch die Jahresrechnung mit Kapitalverlust, von einem zugelassenen Revisor (zumindest eingeschränkt) geprüft werden.

Gleichzeitig wird dem Verwaltungsrat mehr Flexibilität zugebilligt, indem die Benachrichtigung des Gerichts bei begründeter Aussicht auf erfolgreiche Sanierung innert 90 Tagen oder bei einem Rangrücktritt im Ausmass der Überschuldung unterbleiben kann. Der gültige Rangrücktritt muss nach neuem Recht auch die Zinsforderungen während der Dauer der Überschuldung umfassen. Andernfalls besteht die Pflicht, das Gericht sofort zu benachrichtigen, wobei entweder eine Nachlassstundung oder Konkurseröffnung zu beantragen ist. Der Konkursaufschub ist im neuen Aktienrecht nicht mehr vorgesehen.

Die neuen Ermessensspielräume erhöhen sowohl die Erfolgschancen der Sanierung wie auch die Verantwortlichkeitsrisiken des Verwaltungsrats.

 c. Sorgfalts- und Treuepflichten bei Interessenskonflikten

Verwaltungsrats- und Geschäftsleitungsmitglieder haben aufgrund ihrer Sorgfalts- und Treuepflichten Interessenskonflikte zu vermeiden. Neu sind diese explizit dazu verpflichtet, den Verwaltungsrat unverzüglich und vollständig über die sie betreffenden Interessenskonflikte, wie z.B. Doppelorganschaft, Insichgeschäfte oder die Wahrnehmung einer Beraterfunktion nebst dem Amt als Verwaltungsrat, zu unterrichten. Was «unverzüglich» bedeutet, ist im konkreten Einzelfall zu prüfen. Der Verwaltungsrat hat daraufhin die zur Wahrung der Gesellschaftsinteressen erforderlichen Massnahmen zu ergreifen. Das Untätigbleiben kann Verantwortlichkeitsansprüche und strafrechtliche Konsequenzen gegen sämtliche Verwaltungsratsmitglieder mit sich ziehen.

 II. Weitere massgebende Bestimmungen betreffend den Verwaltungsrat

 a. Einzelwahl des Verwaltungsrats

Die Einzelwahl der Verwaltungsratsmitglieder ist neu gesetzlich vorgeschrieben. Eine (Wieder-)Wahl des gesamten Verwaltungsrats als Einheit ist nicht mehr möglich. Zuvor galt diese Anforderung nur für börsenkotierte Gesellschaften. Mittels Statutenbestimmung, die eine Wahl in globo zulässt, oder mit Zustimmung aller vertretenen Aktionäre kann bei nicht börsenkotierten Aktiengesellschaften weiterhin von der Einzelwahl abgewichen werden. Eine stillschweigende Verlängerung von Verwaltungsratsmandaten findet neu nicht mehr statt.

 b. Virtuelle Sitzungen und elektronische Beschlussfassung

Das neue Aktienrecht sieht eine Flexibilisierung und bürokratische Entlastung bei Beschlüssen des Verwaltungsrats vor. Neu ist es dem Verwaltungsrat möglich, Beschlüsse ohne Tagungsort virtuell zu fassen (z.B. via Teams/Zoom Meeting). Des Weiteren kann dieser ebenfalls neu Zirkularbeschlüsse elektronisch (beispielsweise per DocuSign, E-Mail oder WhatsApp) fassen, sofern kein Mitglied die mündliche Beratung verlangt. Es wird keine handschriftliche Unterzeichnung der Beschlüsse bzw. Protokolle mehr gefordert. Zu beachten ist jedoch, dass handelsregisterrechtlich relevante Geschäfte (z.B. Konstituierung des Verwaltungsrats per Zirkularbeschluss), weiterhin eine handschriftliche Unterzeichnung (oder qualifizierte elektronische Signatur) erfordern, was die neu gewährte Flexibilität wiederum einschränkt. 

 c. Delegation der Geschäftsführung als Regelfall

Der Verwaltungsrat ist neu stets zur Übertragung der Geschäftsführung im zulässigen Rahmen befugt, sofern die Statuten nicht etwas anderes vorsehen. Zuvor wurde hierfür eine ausdrückliche Statutenbestimmung betreffend Übertragung der Geschäftsführung vorausgesetzt.

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Zu beachten ist, dass nach Ablauf der eingangs genannten Übergangsfrist alle Bestimmungen, die mit dem neuen Aktienrecht nicht vereinbar sind, automatisch ungültig werden (Die Aktienrechtsrevision – was hat sich geändert?).

Das Gesellschaftsrechtsteam von MME berät Sie gerne zu sämtlichen Fragen rund um die neuen bzw. erweiterten Pflichten des Verwaltungsrats und unterstützt Sie bei der Überarbeitung Ihrer Statuten wie auch Ihres Organisationsreglements.

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