21. August 2025

Produkt-Compliance: Von Sicherheit zur Nachhaltigkeit

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Produkt-Compliance ist längst mehr als Produktsicherheit. In der EU – und mit Anpassungen auch in der Schweiz – geht es heute um Nachhaltigkeit, Transparenz und Kreislaufwirtschaft. Unternehmen müssen nicht nur sicherstellen, dass ihre Produkte keine Gefahr darstellen, sondern auch, dass sie nachhaltig, reparierbar und rückverfolgbar sind.

  • Adrian Peyer

    Legal Partner
1. Europäische Union: Ein neues Regelungsdreieck
Neben den klassischen Sicherheitsvorschriften (Produktsicherheitsverordnung, CE-Kennzeichnung) tritt ein neues Nachhaltigkeitspaket in den Vordergrund:

a) Batterieverordnung (EU) 2023/1542
Seit August 2023 in Kraft, gilt für alle Batterien (Industrie-, Fahrzeug-, Haushalts- und Gerätebatterien sowie künftig auch für E-Bike- und E-Auto-Batterien) und verlangt:

  • Nachhaltigkeits- und Sicherheitsanforderungen: Grenzwerte für CO₂-Fussabdruck, verpflichtende Informationen zu Inhaltsstoffen.
  • Reparatur & Recycling: Ab 2027 Pflicht zur Entnehmbarkeit von Gerätebatterien.
  • Digital Battery Passport: Ab 2027 muss jede Traktions- und Industriebatterie mit einem digitalen Pass ausgestattet sein (Daten zu Herkunft, Recycling, Lebensdauer).
  • Lieferketten-Sorgfaltspflichten: Unternehmen müssen Rohstoff-Lieferketten auf Menschenrechte und Umwelt prüfen.

Relevanz: Elektroauto-Hersteller, E-Bike-Industrie, Elektronikbranche, aber auch Importeure und Händler sind direkt betroffen.

b) Ökodesign-Verordnung (ESPR, seit Juli 2024 in Kraft)
Die neue Ecodesign for Sustainable Products Regulation ersetzt die alte Ökodesign-Richtlinie. Sie weitet die Anforderungen von reinen Energieeffizienz-Vorgaben auf alle Produktgruppen aus:
  • Lebensdauer & Reparierbarkeit: Produkte müssen leichter zu reparieren, zerlegbar und softwareseitig wartbar sein.
  • Kreislaufwirtschaft: Vorgaben zu Recyclingfähigkeit, Materialeffizienz, Wiederverwendbarkeit.
  • Verbot von Vernichtung unverkaufter Waren: z. B. Textilien und Elektronik.
  • Informationspflichten: Hersteller müssen detaillierte Nachhaltigkeitsinformationen bereitstellen.

Relevanz: Praktisch alle Konsum- und Investitionsgüter, von Textilien bis IT-Hardware, betroffen.

c) Digital Product Passport (DPP)
Der digitale Produktpass ist das „Nervensystem“ der neuen EU-Nachhaltigkeitsregulierung und der ESPR. Er soll über QR-Code oder NFC-Chip zugänglich sein und ab über die nächsten Jahre für viele Produktkategorien gelten:
  • Inhalte: Angaben zu Rohstoffen, Energieverbrauch, CO₂-Fussabdruck, Reparierbarkeit, Recyclingfähigkeit, Ersatzteilverfü
  • Verknüpfung: Baut auf ESPR und Batterie-Verordnung auf.
  • Anwendungsbereiche (erste Wellen): Textilien, Batterien, Elektronik, Bauprodukte.
  • Nutzung: Behörden, Verbraucher, Recyclingunternehmen und Geschäftspartner können dieselben Daten einsehen.

Relevanz: Unternehmen müssen digitale Systeme aufbauen, die ihre Lieferketten transparent und fälschungssicher dokumentieren.

2. Schweiz: Annäherung mit nationalem Spielraum
Die Schweiz passt ihre Regulierung häufig an die EU an, um Handelshemmnisse zu vermeiden:

  • Produktsicherheitsgesetz (PrSG) bleibt der Grundrahmen.
  • Batterien: Die Schweiz setzt ebenfalls auf Rücknahme- und Recyclingpflichten, wird die EU-Vorgaben aber nicht automatisch übernehmen.
  • Ökodesign & Nachhaltigkeit: Bisher keine eigenständige umfassende Verordnung. Allerdings: Mit dem Klimagesetz (in Kraft seit 1.1.25) und Anpassungen im Umweltrecht (1.4.25) geht auch die Schweiz weiter Richtung Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft.
  • Digital Product Pass: Noch keine Einführung in der Schweiz, aber für Unternehmen unvermeidbar, wenn sie den EU-Markt bedienen wollen.

Schweizer Unternehmen, die in die EU exportieren, müssen sich faktisch an die EU-Vorgaben halten – auch wenn das Schweizer Recht (noch) weniger weit geht.

3. Handlungsempfehlungen für Unternehmen

1. Rechtslage prüfen – frühzeitig
  • Identifizieren Sie, welche EU-Regularien für Ihre Produkte gelten (Batterieverordnung, ESPR, DPP, etc.).
  • Berücksichtigen Sie, dass Übergangsfristen kurz sind (z. B. Batterie-Pass ab 2027).
2. Produktentwicklung anpassen
  • Design for Sustainability: Reparierbarkeit, Recyclingfähigkeit und CO₂-Transparenz schon in der Entwicklungsphase einplanen.
  • IT-Systeme für den Digital Product Passport aufbauen.
3. Lieferkette transparent machen
  • Daten zu Rohstoffen, Recycling und CO₂-Fussabdruck erfassen.
  • Verträge mit Zulieferern auf Informations- und Sorgfaltspflichten prüfen.
4. CE-Konformität erweitern
  • Nicht nur Sicherheitsstandards einhalten, sondern auch Nachhaltigkeitsanforderungen dokumentieren.
  • Technische Dokumentation für Marktüberwachung bereithalten.
5. Schweizer Sonderrolle beachten
  • Prüfen Sie, ob nationale Anforderungen (z. B. bei Chemikalien oder Medizinprodukten) zusätzliche Pflichten auslösen.
  • Für Exporte in die EU ist die Einhaltung der dortigen Regeln zwingend.
6. Compliance als USP nutzen
  • Vermarkten Sie Transparenz (z. B. über DPP-Daten) aktiv bei Kunden und Investoren.
  • Nachhaltigkeit + Rechtssicherheit = Wettbewerbsvorteil.

4. Fazit
Die EU verschiebt Produkt-Compliance vom Produktsicherheitsdenken hin zu einem Nachhaltigkeits- und Transparenzregime. Die Schweiz bleibt nicht aussen vor – gerade exportorientierte Firmen müssen sich anpassen.

Produkt-Compliance 2025 bedeutet: CE + CO₂ + Datenpass.
Wer heute beginnt, Prozesse und Systeme anzupassen, spart morgen Kosten und behält den Marktzugang.

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