03. Dezember 2025

Schweiz schlägt neue Kryptolizenzkategorien vor, um Anleger- und Kundenschutz zu stärken

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Die Schweiz reformiert ihre Kryptoregulierung: Neue Lizenzen für Stablecoins und Krypto-Dienstleister sollen Innovation fördern und Anleger wirksam schützen.

  • Dr. Andreas Glarner

    Legal Partner
  • Aurelia Nick

    Senior Legal Associate

Einleitung

Am 22. Oktober 2025 eröffnete der Schweizer Bundesrat die Vernehmlassung zur Änderung des Finanzinstitutsgesetzes (FINIG). Ziel dieser Initiative ist die Präzisierung der Regulierung von Fintech- und Kryptodienstleistungen. Im Zentrum steht die geplante Einführung zweier neuer Bewilligungskategorien: Zahlungsmittelinstitute und Krypto-Institute. Mit diesen Lizenzen sollen Innovationen in den Bereichen Blockchain, DeFi und digitale Vermögenswerte gefördert werden, während gleichzeitig die Stabilität des Finanzmarkts sowie der Schutz von Anlegern und Kunden gestärkt werden.

Obwohl sich die Entwürfe in den kommenden Monaten noch erheblich weiterentwickeln dürften und ein Inkrafttreten vor 2027 unwahrscheinlich ist, ergeben sich bereits heute wichtige Fragestellungen für Stablecoin-Herausgeber und Anbieter von Kryptodienstleistungen. Es gilt zu klären, welche Anforderungen mit den neuen Bewilligungskategorien verbunden sind, wie sich die Vorschläge im Vergleich zu ähnlichen Regelwerken in der EU verhalten, und welche grenzüberschreitenden Implikationen – etwa für ausländische Emittenten von CHF-Stablecoins – mit der neuen Regulierung einhergehen.

1. Vorgeschlagene Bewilligungskategorien


1.1 Zahlungsmittelinstitute

Die vorgeschlagene Bewilligung für Zahlungsmittelinstitute soll die bisherige „Fintech-Lizenz“ ablösen und richtet sich an Unternehmen, die Kundengelder (Einlagen) entgegennehmen, diese aber nicht verzinsen und nur eingeschränkt anlegen dürfen. Die wesentliche Neuerung besteht darin, dass diese Institute künftig Stablecoins (sog. wertstabile kryptobasierte Zahlungsmittel) unter klar definierten Regeln emittieren dürfen. Die wichtigsten regulatorischen Eckpunkte für die neue Lizenzkategorie der Zahlungsmittelinstitute lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Wegfall der Einlagenobergrenze: Die frühere Limite von CHF 100 Mio. für Publikumseinlagen entfällt. Lizenzierte Institute können somit ohne feste Obergrenze wachsen.
  • Stablecoin-Emission: Ausschliesslich Zahlungsmittelinstitute dürfen in der Schweiz Stablecoins emittieren, die an Einzelwährungen wie den Schweizer Franken gekoppelt sind. Diese Stablecoins müssen vollständig mit entsprechenden Vermögenswerten hinterlegt und jederzeit zum Nennwert rückzahlbar sein, um Vertrauen und Stabilität zu gewährleisten.
  • Kundenschutz: Kundengelder müssen segregiert werden. Im Insolvenzfall fallen diese nicht in die Konkursmasse des Instituts.
  • Offenlegung: Emittenten sind verpflichtet, ein Whitepaper zu veröffentlichen, das die Bedingungen des Tokens, die Reserven und die wesentlichen Risiken erläutert. Werbung unterliegt den gleichen Transparenz- und Wahrheitsanforderungen wie traditionelle Finanzprodukte.
  • Geldwäschereigesetzgebung: Zahlungsmittelinstitute sind als Finanzintermediäre dem Schweizer Geldwäschereigesetz unterstellt und unterliegen strengen Pflichten, einschliesslich umfassender KYC-Prüfungen. Entscheidend ist jedoch, dass der Emittent KYC-Prüfungen ausschliesslich beim Erstkäufer (Primärmarkttransaktion) sowie bei der Person durchführen muss, die den Stablecoin einlöst. Transaktionen auf dem Sekundärmarkt unterliegen keinen KYC-Pflichten.
  • Eigenständige Lizenz: Die Lizenz ist exklusiv. Selbst Banken müssen für die Stablecoin-Emission eine separate Tochtergesellschaft gründen, um Interessenkonflikte zu vermeiden und eine gezielte Aufsicht zu ermöglichen.

Mit diesem Rahmen sollen Fintech-Unternehmen eine klare Möglichkeit erhalten, Stablecoins zu emittieren und Kundengelder reguliert zu verwalten. Die Vorgaben harmonisieren mit internationalen Standards, insbesondere bezüglich Reservehinterlegung und Rückzahlungsrechten, und sollen gleichzeitig die bisherige Regulierung im Fintech-Bereich durch stärkeren Kundenschutz und den Wegfall von Wachstumsbeschränkungen verbessern.

1.2 Krypto-Institute

Die geplante Lizenz für Krypto-Institute richtet sich an Unternehmen, die Dienstleistungen rund um Kryptowährungen und andere Krypto-Assets anbieten – ausgenommen die Stablecoin-Emission, die allein Zahlungsmittelinstituten vorbehalten ist. Damit werden zahlreiche bisher unregulierte Aktivitäten erstmals unter die Aufsicht der FINMA gestellt. Zu den zentralen inhaltlichen Punkten der vorgeschlagenen Lizenzkategorie gehören:

  • Dienstleistungsumfang: Krypto-Institute dürfen insbesondere Kryptoverwahrung, Betrieb von Handelsplattformen, Brokerage, Market-Making/Quoting sowie Staking für Kunden anbieten. Die Kategorie umfasst Exchanges, Broker, Verwahrer und vergleichbare Virtual Asset Service Providers.
  • Erfasste Vermögenswerte: Das Gesetz definiert „kryptobasierte Vermögenswerte mit Handelscharakter“ breit, einschliesslich Kryptowährungen wie Bitcoin und im Ausland emittierte Stablecoins. Ausgenommen sind reine Utility-Tokens, CBDCs, Anlage-Token (Effekten) oder Bankeinlagen.
  • Prudenzielle Anforderungen: Die Bewilligungs- und Betriebsanforderungen orientieren sich an jenen für Wertpapierhäuser, sind aber an die Besonderheiten von Krypto angepasst. Ungedeckter Eigenhandel und Kreditgeschäfte sind verboten. Aktivitäten wie Margin Trading oder Kreditvergabe erfordern weiterhin eine Wertpapierhaus- oder Bankenlizenz.
  • Kundenschutz: Bestimmte Vorschriften des Finanzdienstleistungsgesetzes (FIDLEG) finden Anwendung, insbesondere bezüglich Kundenklassifizierung, Angemessenheits- und Eignungsprüfung bei Beratung oder komplexen Produkten, Offenlegung von Gebühren und Risiken sowie Regeln zum Marktmissbrauch.
  • Geldwäschereigesetzgebung: Krypto-Institute unterliegen vollumfänglich der Schweizer Geldwäschereigesetzgebung und müssen robuste AML/CFT-Massnahmen implementieren. Viele heutige Dienstleister, die bisher lediglich einer SRO angeschlossen waren, müssten künftig eine FINMA-Lizenz beantragen.

Die neue Lizenz soll Krypto-Intermediäre ins regulierte Finanzsystem integrieren und bestehende Aufsichtslücken schliessen. Damit entsteht für Kryptounternehmen ein klar definierter, regulierter Weg zum Geschäftsbetrieb unter der Aufsicht der FINMA.

2. Vergleich mit der EU: E-Geld-Lizenz und MiCA-Regime

Die Schweizer Vorschläge weisen deutliche Parallelen zur Regulierung der EU auf, unterscheiden sich jedoch in wichtigen Punkten:

  • Stablecoins: Die vorgeschlagene Lizenz für Zahlungsmittelinstitute ähnelt dem EU-E-Geld-Institut und dem MiCA-Regime für sog. „E-Money-Tokens“. Beide verlangen vollständige Reservehinterlegung und Rückzahlungsrechte. Die Schweiz verfolgt jedoch einen auf kryptobasierte Zahlungsinstrumente zugeschnittenen Ansatz und untersagt Banken, die Stablecoin-Emission ins bestehende Bankgeschäft zu integrieren. Die EU erlaubt dies grundsätzlich.
  • Krypto-Dienstleister: Die Schweizer Krypto-Instituts-Lizenz entspricht weitgehend dem MiCA-Regime für Krypto-Dienstleister (sog. Crypto-Asset Service Providers (CASP)). Beide Regimes verlangen Bewilligung, Kapitalanforderungen, Fit-and-Proper-Vorgaben und umfangreiche Kundenschutzregeln. Die Schweiz nimmt jedoch bestimmte Tokenarten (wie reine Utility Tokens) aus, während MiCA nahezu alle Krypto-Assets umfasst.

Beide Regime zielen darauf ab, Intermediäre stärker zu beaufsichtigen und internationale Standards umzusetzen.

3. Übergangsfristen: Was bestehende Anbieter beachten müssen

Für beide neuen Lizenzkategorien ist ein einheitliches Übergangsregime vorgesehen.

  • Bereits beaufsichtigte Institute (wie Banken oder Wertpapierhäuser), die künftig unter die neuen Bewilligungskategorien fallen, müssen innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten der neuen Regeln vollständige Compliance mit diesen Regeln sicherstellen – ohne jedoch erneut eine Lizenz beantragen zu müssen.
  • Bisher unregulierte Anbieter (wie Stablecoin-Emittenten, Wallet-Provider oder Broker) müssen ebenfalls innerhalb eines Jahres ein Bewilligungsgesuch einreichen. Sie dürfen während der Übergangsfrist weiter tätig bleiben, sofern sie einer Selbstregulierungsorganisation (SRO) nach dem GwG angeschlossen sind und bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Andernfalls müssen sie den Betrieb einstellen, sobald die Übergangsfrist endet.

Unternehmen, die bereits der FINMA-Aufsicht unterliegen, sind demnach verpflichtet, ihre Geschäftstätigkeit innerhalb von zwölf Monaten an die neuen Vorschriften anzupassen. Anbieter, die neu reguliert werden, müssen innerhalb eines Jahres einen Bewilligungsantrag stellen, sofern während dieser Zeit eine angemessene vorläufige Geldwäscherei-Aufsicht gewährleistet ist. Unternehmen, die die genannten Anforderungen nicht erfüllen, sind verpflichtet, ihre Geschäftstätigkeit nach Ablauf der festgelegten Übergangsfrist einzustellen.

4. Exkurs: Grenzüberschreitende Implikationen – ausländische Emittenten von CHF-Stablecoins

Für ausländische Unternehmen, die CHF-denominierte Stablecoins herausgeben, gilt:

  • Keine unmittelbare Bewilligungspflicht in der Schweiz – jedoch potenzielle Auswirkungen: Ein im Ausland ausgegebener CHF-Stablecoin unterliegt nicht dem Regime der Schweizer Zahlungsmittelinstitute, sofern der Emittent weder seinen Sitz in der Schweiz hat noch dort geschäftlich tätig ist. Aufgrund des Territorialitätsprinzips des schweizerischen Rechts begründet allein die Bezugnahme auf den Schweizer Franken keine automatische Zuständigkeit gegenüber einem ausländischen Unternehmen.
  • Behandlung in der Schweiz: Solche Stablecoins gelten als „ kryptobasierte Vermögenswerte mit Handelscharakter“. Schweizer Intermediäre, die sie verwahren, handeln oder vermitteln, benötigen eine Bewilligung als Krypto-Institut und müssen sämtliche GwG-Pflichten erfüllen. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass ausländische Stablecoins beim Eintritt in den Schweizer Markt einer angemessenen Aufsicht unterliegen und die Interessen der Schweizer Nutzer gewahrt bleiben – unabhängig vom Sitz des Emittenten.
  • Regulatorische Kooperation / EU-Kontext: Die Schweizer Behörden beobachten ausländische CHF-Stablecoins mit Blick auf Geldpolitik und Verbraucherschutz genau. Zwar besteht kein ausdrückliches Verbot für ausländische Emittenten, einen CHF-Stablecoin auszugeben, doch dürfte der Markt klar regulierte Schweizer Emittenten bevorzugen – ähnlich dem Ansatz der EU unter MiCA, die verlangt, dass EUR-referenzierende Stablecoins nur von in der EU ansässigen Emittenten ausgegeben werden dürfen.

Ausländische Projekte, die einen CHF-denominierten Stablecoin lancieren möchten, sollten berücksichtigen, dass dessen Einsatz in der Schweiz unweigerlich dem Schweizer Recht unterliegt. Unter der vorgeschlagenen Regulierung dürfen Schweizer Finanzintermediäre solche Stablecoins nur verwenden, wenn sie die Anforderungen für Krypto-Institute erfüllen, und die Behörden erwarten hohe Standards an Stabilität und Transparenz. Eine frühzeitige Abstimmung des Angebots auf die neuen aufsichtsrechtlichen Anforderungen – gegebenenfalls durch den Erwerb einer Schweizer Bewilligung – kann daher entscheidend für die Akzeptanz im Schweizer Markt sein.

5. Fazit und Ausblick

Mit den vorgeschlagenen Bewilligungskategorien für Zahlungsmittelinstitute und Krypto-Institute baut die Schweiz ihren Regulierungsrahmen für Fintech und digitale Vermögenswerte substanziell aus. Beide Lizenztypen schaffen Rechtssicherheit, stärken den Kundenschutz und verbessern die Marktintegrität. Die Schweiz positioniert sich damit weiterhin als innovationsfreundliche, aber strikt regulierte Jurisdiktion im globalen Wettbewerb um glaubwürdige Rahmenbedingungen für Blockchain- und digitale Finanzdienstleistungen.

Die Vernehmlassung läuft bis zum 6. Februar 2026. Nach Auswertung der eingegangenen Stellungnahmen wird der Entwurf überarbeitet und dem Gesetzgeber zur Beschlussfassung vorgelegt. Ein Inkrafttreten der neuen Bestimmungen vor 2027 ist derzeit unwahrscheinlich.

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