16. Juni 2025

Notfallapotheke am Arbeitsplatz in der Schweiz: Was Arbeitgeber wissen müssen

  • Artikel
  • Legal
  • Arbeit / Immigration
  • Gesundheit / Life Sciences

Medizinische Notfälle können auch am Arbeitsplatz auftreten. Arbeitgeber müssen klären, ob und wie sie eine Notfallapotheke bereitstellen – rechtliche Vorgaben inklusive.

  • Martina Aepli

    Legal Partner
  • Mirjam Arnold

    Senior Legal Associate
  • Dr. Jonatan Baier

    Legal Counsel
  • Valérie Litz

    Junior Legal Associate

I. Gesetzliche Vorgaben zur Notfallapotheke

Obwohl es in der Schweiz keine generelle gesetzliche Verpflichtung zur Bereitstellung einer Notfallapotheke gibt, verpflichten verschiedene gesetzliche Bestimmungen den Arbeitgeber zum Schutz der Mitarbeitenden. So legt Art. 328 des Obligationenrechts (OR) fest, dass der Arbeitgeber alle notwendigen Massnahmen zur Verhütung von Unfällen und Berufskrankheiten ergreifen muss. Ergänzend dazu fordert Art. 82 des Unfallversicherungsgesetzes (UVG) präventive Massnahmen zum Schutz der Gesundheit. Dazu gehört auch das Vorhalten von geeigneten Erste-Hilfe-Materialien, die je nach Betrieb und Gefährdungspotenzial variieren können. Auch in Art. 36 der Verordnung 3 zum Arbeitsgesetz und der entsprechenden Wegleitung wird festgehalten, dass Arbeitgeber für Erste Hilfe Massnahmen entsprechend den Betriebsgefahren, der Grösse und der örtlichen Lage des Betriebs stets die erforderlichen Mittel zur Verfügung stellen müssen. Ist ein Sanitätsraum Teil des Erste-Hilfe-Konzepts, so muss die Signalisierungen für diesen Raum, generell aber auch für die Aufbewahrungsstellen der Erste-Hilfe-Ausstattung, zweckmässig und gut sichtbar sein.

Diese Rechtsgrundlagen unterstreichen, dass eine an die betrieblichen Risiken angepasste Notfallapotheke ein wichtiger Bestandteil eines umfassenden Sicherheitskonzeptes sein sollte. Dies wird auch vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) empfohlen. Besonders in Branchen mit erhöhtem Verletzungsrisiko – etwa im Baugewerbe, in der Industrie oder im Gesundheitswesen – ist eine gut ausgestattete Notfallapotheke essenziell.

II. Was ist der Sinn und Zweck einer Notfallapotheke und was sollte sie beinhalten?

Nebst medizinischen Notfällen und schweren Verletzungen gehört auch die Behandlung von Bagatellverletzungen (z. B. Wundversorgung) zur Leistung von Erster-Hilfe. Zur Ausstattung zählen Erste-Hilfe-Material (Erste-Hilfe-Apotheke / Verbandskasten; sie muss vor allem mit Verbandsmaterial und andern Medizinprodukten zur Wundversorgung und / oder Stabilisierung, Beatmungshilfen, Handschuhen etc. bestückt sein). Die Ausstattung muss einer regelmässigen Qualitätskontrolle unterliegen (z. B. Zustandskontrolle).

Die Erste-Hilfe-Ausstattung ist an die Gefährdungen des Betriebes anzupassen, sodass den betrieblichen Gegebenheiten entsprechend die Erste-Hilfe-Leistung sichergestellt ist. Dazu gehört auch, dass Ersthelfer:innen über eine angemessene Ausbildung verfügen und regelmässig geschult werden.

Die Erste Hilfe ist entsprechend den Betriebsgefahren zu allen Arbeitszeiten sicherzustellen. Der Betrieb bzw. die Organisation der Ersten Hilfe muss sicherstellen, dass der Rettungsdienst unverzüglich zur Ereignisstelle gelangen kann.

III. Wie sieht es mit Arzneimittel aus?

Ein heikler Punkt ist die Abgabe von Medikamenten an Mitarbeitende. Die Abgabe von Arzneimitteln hat unter der unmittelbaren Aufsicht und Verantwortung einer berechtigten verantwortlichen Person zu erfolgen, die über die notwendigen Qualifikationen und Bewilligungen gemäss Heilmittelgesetz (HMG) verfügt (so z.B. Ärzte, Apotheker, Zahnärzte, etc.).

Grundsätzlich kann ein Arbeitgeber den Mitarbeitenden die Möglichkeit einräumen, Medikamente am Arbeitsplatz einzunehmen. Der Entscheid, zur Einnahme muss jedoch unbedingt beim Mitarbeitenden verbleiben. Die Abgabe von Medikamenten ist einem Arbeitgeber nicht gestattet, zumal es keine rechtliche Grundlage gibt, welche Betriebe / Arbeitgeber berechtigt, eigenverantwortlich Arzneimittel der Abgabekategorien A bis D (aus einer betriebseigenen Notfallapotheke) abzugeben bzw. anzuwenden.

IV. Sicherungsmassnahmen und Verantwortung

Damit die Notfallapotheke sicher und zweckmässig genutzt werden kann, sind einige Massnahmen zu beachten:

  1. Regelmässige Kontrolle: Erste-Hilfe-Apotheke / Verbandskasten etc. müssen regelmässig auf Haltbarkeit und Vollständigkeit überprüft werden.

  2. Information: Die Mitarbeitenden sind in regelmässigen Abständen über Standorte der Erste-Hilfe-Standorte / Person der Erstehelfer:innen zu informieren.

  3. Zugänglichkeit: Die Erste-Hilfe-Apotheke sollte gut erreichbar, aber nicht frei zugänglich sein, um Missbrauch zu verhindern.

  4. Schulung von Mitarbeitenden: Mindestens eine verantwortliche Person (z. B. Ersthelfer:innen) sollte im Umgang mit der Notfallapotheke geschult sein.

V. Fazit

Eine Notfallapotheke am Arbeitsplatz ist eine sinnvolle Massnahme, um die Erste-Hilfe sicherzustellen. Während es keine generelle Pflicht gibt, sollten Arbeitgeber je nach Tätigkeitsbereich eine angemessene Ausstattung bereithalten. Die Abgabe von Medikamenten unterliegt strengen rechtlichen Vorschriften und es gibt keine rechtliche Grundlage, welche Betriebe / Arbeitgeber berechtigen, eigenverantwortlich Arzneimittel abzugeben. Wer diese Punkte beachtet, sorgt für ein sicheres Arbeitsumfeld und beugt rechtliche Unsicherheiten vor.

Gerne unterstützen wir Ihr Unternehmen bei Fragen im Zusammenhang mit der Notfallapotheke bzw. der Sicherheit und Gesundheit Ihrer Arbeitnehmer.

Klicken Sie hier und erfahren Sie mehr über unsere Expertise: