Schweizerische, auf den Export ausgerichtete Unternehmen stehen zunehmend vor einer neuen Herausforderung.
Schweizerische, auf den Export ausgerichtete Unternehmen stehen zunehmend vor einer neuen Herausforderung. Sie müssen nicht nur die schweizerischen Gesetze sowie die Gesetze des Bestimmungslandes beachten: Vielmehr spielt in wachsendem Umfang das Recht der USA und/oder der EU eine bestimmende Rolle, selbst wenn die Ware weder in die USA noch in einem EU-Mitgliedstaat exportiert wird.
Der Grund hierfür liegt darin, dass sowohl die USA als auch die EU zunehmend den Anspruch erheben, bestimmte Elemente ihres Rechts exterritorial anzuwenden. Das heisst mit anderen Worten, dass schweizerische exportierende Unternehmen bestimmte Rechtsnormen der USA und/oder EU anzuwenden haben, obwohl kein offensichtlicher Bezug zu diesen Rechtsordnungen besteht.
Diesen Anspruch der extraterritorialen Anwendung erheben die USA und die EU insbesondere zur Durchsetzung ihrer Standards im Bereich der weltweiten Korruptionsbekämpfung sowie zur Umsetzung ihrer Boykotten und Sanktionen. Sie setzen diesen Anspruch durch, indem sie die Verletzung ihrer Vorschriften mit teilweise signifikanten Strafen für Personen und Unternehmen bestrafen.
Die USA hat scharfe Massnahmen gegen die Korruption erlassen und ihr Recht an die Vorgaben der OECD, die sie massgeblich mitgestaltet haben, angepasst (OECD Anti-Bribery Convention). Rechtsgrundlage bildet der Foreign Corrupt Practice Act (FCPA), mit dem unter anderem jegliche Bestechung von Amtsträgern bekämpft wird.
Beispiel: Das amerikanische Department of Justice (DOJ) überführte die Alstom Network Schweiz AG sowie andere Alstom Unternehmungen der Korruption in mehreren Ländern und erliess empfindliche Strafen. Die USA sieht Bezüge zur USA und damit Grundlage für Anwendung des US Rechts bereits darin, dass, (a) US Ressourcen (US Dollar, Bankensystem, Post, sogar Email) oder (b) US Firmen oder Personen mit US-Staatsbürgerschaft beteiligt waren. Ein Schweizer Unternehmen wurde in diesem Fall von den USA für Vergehen in einem Drittland bestraft.
Unter diesen Voraussetzungen wurden in vielen Ländern und so auch in der Schweiz bereits viele nicht-US Unternehmen auf Grundlage des FCPAs bestraft. Erst vor wenigen Wochen wurde das niederländische Kommunikationsunternehmen VimpelCom wegen Bestechungen von Staatsbediensteten in Usbekistan mit einer Geldstrafe von 795 mUSD gebüsst.
Innerhalb der EU ist insbesondere Grossbritannien im Bereich Antikorruptionsgesetzgebung sehr aktiv. Der United Kingdom Bribery Act UKBA sogar noch weiter gefasst als der US FCPA. Im UKBA wird nicht nur die Bestechung von ausländischen Amtsträgern, sondern jegliche Art von Bestechung unter Einschluss der Privatbestechung geahndet.
Auch der UKBA entfaltet extraterritoriale Wirkung. Der hierfür notwendige Bezug zum UK kann bereits in einer einzigen Geschäftsbeziehung mit einem Unternehmen oder Kunden innerhalb des UK bestehen. Zwar gibt es noch nicht viele konkrete Anwendungsfälle des UKBA, doch ist zu erwarten, dass in Zukunft das UK Serious Fraud Office (SFO) vermehrt extraterritorial aktiv wird und grössere und vor allem internationale Fälle aufgedeckt werden.
Sowohl unter dem FCPA als auch unter dem UKBA sind Unternehmen nicht nur für die Verfehlungen ihrer Mitarbeiter verantwortlich, sondern müssen unter Umständen auch für die Verfehlungen ihrer Geschäftspartnern und Vertriebsorganisationen einstehen. Wichtig ist zu erwähnen, dass auch hier Unwissenheit keinerlei Schutz darstellt.
Das US Exportkontrollregime erhebt mit ihren sogenannten Sekundären Sanktionen ebenfalls den Anspruch an extraterritoriale Durchsetzung. Die USA zielt damit auf die globale Umsetzung ihrer wirtschaftlichen Sanktionen. Unternehmen, die mit von den USA sanktionierten Unternehmen/Ländern Geschäfte tätigen, können in das Visier der US Behörden geraten und mit empfindlichen Strafen belangt werden. Daher bildet die US Re-Export Regeln und Sanktionen auch für schweizerische Unternehmen ein stets zu beachtendes Risiko.
Beispiele: Prominente Fälle sind die 8.9 bUSD Strafe der Bank BNP Paribas für Unterwanderung von US Embargos oder auch die UBS mit einer 1.7 mUSD Strafe für Transaktionen mit US sanktionierten Einzelpersonen.
Die Sekundären Sanktionen greifen bereits bei einem relativ losen Bezug zur USA: Hierfür reicht es, dass das schweizerische Unternehmen in US Dollar, mit US Gütern, US Technologie oder mit US Software Handel treiben. Auch der Vertrieb eigener Produkte, die zumindest zum Teil aus US Bauteilen bestehen oder mit US technischem Know-how oder mit US Software erstellt werden, kann dem US Re-Exportrecht unterliegen. Dabei kann unter Umständen ein entsprechend relevanter Export schon vorliegen, wenn technische Zeichnungen mit einer Email an einen ausländischen Kunden versandt werden oder technische Details zwischen Personen verschiedener Nationalitäten ausgetauscht werden (ein sogennanter „deemed export“).
Ein dem US Aussenhandelsgesetz unterliegendem Vertrieb oder Export ist nicht per se verboten. Schweizerische Unternehmen müssen in diesen Fällen vielmehr prüfen, ob sie hierfür US-Lizenzen für den Handel und/oder Export von Waren, Software oder Know-how beantragen müssen.
Auch die EU Aussenhandelsgesetze haben extraterritorialen Charakter, wobei sich deren Anwendung auf EU Bürger/Firmen in Drittländern beschränkt. Schweizerische Unternehmen müssen diese Aussenhandelsgesetz daher nur dann prüfen, wenn EU Bürger in ihren Unternehmen tätig sind. EU Bürger sollten sich einer mögliche persönliche Haftung bewusst sein, wenn sie Geschäfte tätigen, die gegen Sanktionen/Embargos der EU verstossen.
Jedes schweizerische Unternehmen sollte mit einem griffigen internen Compliance Programm sicherstellen, dass die mögliche Anwendbarkeit von US- und EU-Rechts rechtzeitig erkannt wird. Sie sollten in ihren internen Abläufen ein möglichst effizientes internes Kontrollsystem einrichten und die entsprechend zu ergreifenden Massnahmen im Voraus definieren. Die Verantwortung für die Umsetzung dieser Massnahmen liegt beim Vorstand. Dieser trägt nach Art. 716a des Obligationenrechts sowie nach dem Swiss Code Ziff. 21 auch die persönliche Verantwortung zur Implementierung eines internen Kontrollsystems. Vorstände sollten entsprechend eine umfassende Risikoanalyse des regulatorischen Umfeldes als Teil des Risikomanagements einfordern.
Die Berücksichtigung extraterritorialer Gesetzgebung erhöht die schon bestehende Komplexität des regulatorischen Umfeldes schweizerischer Unternehmen. Diese Investitionen rechtfertigen sich, weil damit das Risiko vermindert werden kann, in empfindlicher Höhe bestraft und allenfalls aus gewissen Märkten ausgeschlossen zu werden. Auch das Reputationsrisiko kann so reduziert werden. Ein entsprechendes internes Compliance Programm sollte aber nicht nur als Kostenfaktor an-gesehen werden. Es auch dafür genutzt werden, die eigenen Einkaufs- und Vertriebsstrukturen besser zu überblicken, sodass die gewonnenen Erkenntnisse auch im Bereich der Qualitätssicherung, der Produktsicherheit und für die Umsetzung effektiverer Produktionsabläufe eingesetzt werden können.
Die MME Compliance AG unterstützt Unternehmen bei der Analyse des regulatorischen Umfeldes sowie bei der Implementierung wirksamer und effizienter Compliance Programme.