21. Dezember 2023

ESG: Public Tax Transparency in der Schweiz

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Public Tax Transparency; nicht nur ein bürokratisches Übel, sondern eine Chance, sich als Unternehmen zu profilieren.

Galt früher in der Schweiz ein striktes Steuergeheimnis, wurde dies durch den internationalen automatischen Informationsaustausch («AIA») aufgeweicht. Auch die Einführung der OECD-Mindeststeuer (BEPS 2.0) führt indirekt zu mehr Transparenz in Steuersachen (gegenüber den Steuerbehörden!), mithin ein Schritt hin zu mehr Public Tax Transparency.

Die Einführung der OECD-Mindeststeuern (BEPS 2.0) ist in der Schweiz politisch nicht mehr unumstritten. Das Volk hat sich deutlich für die Einführung ausgesprochen. Auch der globale Trend ist klar: Mehr Transparenz. Dies ist jedoch nicht nur ein bürokratisches Übel, sondern bietet auch Chancen, sich als Unternehmen zu profilieren. Das Stichwort ist Public Tax Transparency. Gerade international tätige schweizerische Unternehmen überlegen sich, von sich aus Steuerinformationen zu veröffentlichen.

Doch was genau ist Public Tax Transparency, und was sind die Vorteile einer Public Tax Transparency Policy für Unternehmen?

I. Definition Public Tax Transparency

Es gibt in der Schweiz keine Legaldefinition für Public Tax Transparency (öffentliche Steuertransparenz), da es keine entsprechende gesetzliche Pflicht gegenüber der Öffentlichkeit gibt. Die Offenlegung von Steuerinformationen ist freiwillig.

Public Tax Transparency ist die Praxis, in einem Bericht Leistungen eines Unternehmens als Steuerzahler und sonstige wirtschaftliche Leistungen an die Gesellschaft, in dem das Unternehmen tätig ist, abzubilden.

Ein Unternehmen kann durch einen Tax Transparency Report aufzeigen, was es konkret zur Gesellschaft beiträgt. Dazu gehören nicht nur Gewinn- und Kapitalsteuern. Auch weitere staatliche Abgaben (Mehrwertsteuern, CO2-Abgaben) und Zölle gehören dazu. Darüber hinaus tragen die meisten Unternehmen durch Investitionen, lokal vergebene Aufträge und Lohnzahlungen zur Entwicklung der lokalen Wirtschaft bei.

II. Inhalt eines Tax Transparency Reports

In der Schweiz sind Unternehmen in der Gestaltung des Tax Transparency Reports frei.

Ein Tax Transparency Report besteht jedoch in der Regel aus den folgenden Hauptkapiteln:

  1. Übersicht der geleisteten gesellschaftlichen Beiträge (steuerlich und gesamtwirtschaftlich).
  2. Steuerstrategie des Unternehmens.
  3. Kontroll- und Risikorahmen der Steuerstrategie.
  4. Country-by-Country Reporting der Länder, in welchen das Unternehmen tätig ist.

Es ist wichtig, dass es bei Public Tax Transparency nicht nur darum geht, öffentlich zu machen, wie und wo Steuern gezahlt werden. Es geht auch darum, diese Informationen in den richtigen Kontext zu setzen. Ausserdem sollten der entsprechende Tax Transparency Report (Steuertransparenzbericht) und die relevanten Informationen einfach nachvollziehbar sein. Es handelt sich mitnichten um einen Report, welchen man nur den Steuerbehörden vorlegt. Sondern um ein stakeholderübergreifendes Informations- und Kommunikationstool. Es geht also vor allem um die Aussenwirkung.

Natürlich kann aus verschiedensten Gründen nicht immer volle Transparenz hergestellt werden. Zu denken ist hier insbesondere an Geschäftsgeheimnisse, die ein Unternehmen insbesondere gegenüber den Konkurrenten nicht offenlegen will. Daher ist im Vorfeld eines Tax Transparency Reportings stets eine Strategie bezüglich der preiszugebenden Informationen festzulegen. Es ist entsprechend unternehmensabhängig, wie ein konkreter Tax Transparency Report aussieht und was der Report beinhaltet. Ein unternehmensspezifisches Gleichgewicht zu finden, ist essenziell.

III. ESG und Public Tax Transparency – GRI Standard (GRI 207: Tax 2019)

Ein wesentliches Element der ESG-Regulierung sind Transparenzpflichten. So müssen in der Schweiz die “grossen Unternehmen” (Art. 964a OR) einen Bericht über nichtfinanzielle Belange erstellen und publizieren. In der inhaltlichen Gestaltung sind die berichtspflichtigen Unternehmen recht frei (vgl. Art. 964b OR). Steuertransparenz wird gesetzlich nicht verlangt.

Viele Unternehmen verknüpfen den Bericht über nichtfinanzielle Belange (auch Nachhaltigkeitsbericht oder CSR-Bericht genannt) mit internationalen Berichtstandards, insbesondere die Global Reporting Initiative (GRI). GRI ist eine der bedeutendsten Organisationen, die Richtlinien zur Nachhaltigkeitsberichterstattung veröffentlicht. Die themenspezifischen Standards umfassen die 3 Bereiche Wirtschaft, Umwelt und Soziales (ESG-Faktoren). Das Thema Steuern betrifft alle ESG-Faktoren:

  • Environmental: Umweltsteuern, Umweltabgaben, steuerliche Förderungen
  • Social: Wie viel Steuern zahlt das Unternehmen („fair share“)? Wie transparent ist das Unternehmen in Bezug auf Steuern? Wie ist die Haltung des Unternehmens in Bezug auf Steuern?
  • Governance: Wie ist das Unternehmen in Bezug auf Steuern organisiert?

Der neue GRI Standard 207 „Tax“ ist seit 1. Januar 2021 für alle Unternehmen relevant, die nach GRI-Standard berichten und enthält 4 Themenbereiche:

  • Approach to tax (Steuerkonzept; Disclosure 207-01): Das Steuerkonzept beinhaltet die Beschreibung des generellen Umgangs mit dem Thema Steuern, der Steuerstrategie (inklusive Verknüpfung mit der Geschäfts- und Nachhaltigkeitsstrategie) sowie des Ansatzes zur Einhaltung regulatorischer Vorgaben.
  • Tax governance, control and risk management (Disclosure 207-02): Dieser Bereich zielt auf die Darstellung des unternehmensweiten effektiven Steuermanagements und Kontrollsystems ab: Wer ist für die Einhaltung der Steuerstrategie verantwortlich? Wie werden Steuerrisiken identifiziert, verwaltet und überwacht? Wie wird die Einhaltung der Tax Governance und des Control Frameworks überwacht?
  • Stakeholder engagement and management of concerns related to tax (Disclosure 207-03): Angaben zum Ansatz hinsichtlich der Zusammenarbeit mit den Steuerbehörden sowie hinsichtlich der politischen Einflussnahme zu Steuerfragen. Ebenso ist der Umgang mit Bedenken von internen (Whistleblowing) und externen Stakeholdern zu beschreiben.
  • Country-by-country reporting (länderbezogene Berichterstattung; Disclosure 207-04): Offenlegung einer Vielzahl von Informationen für alle Steuerhoheitsgebiete, in denen das Unternehmen tätig ist (u.a. Haupttätigkeit, Anzahl der Angestellten, Ergebnis, Höhe der gezahlten und entstandenen Ertragssteuern sowie Erläuterungen der Differenzen zwischen dem effektiven Steuersatz und dem Regelsteuersatz).

Ausnahmekriterium Unwesentlichkeit

Die Angaben nach GRI Standard 207 sind erforderlich, wenn Steuern ein wesentliches Thema darstellen. Eine Ausnahme e contrario ist nur dann möglich, wenn das Thema Steuern nicht wesentlich ist. Aus Sicht der Stakeholder wird die Zahlung angemessener Steuern („fair share“) als Teil der gesellschaftlichen Verantwortung des Unternehmens („good corporate citizen“) gesehen. Damit werden entsprechende Informationen in der Regel zu einem wesentlichen Thema.

IV. Vorteile einer Public Tax Transparency Policy

In den letzten Jahren konnte eine grosse regulatorische und gesellschaftliche Veränderung im Bereich der Steuern festgestellt werden. Die Stossrichtung ist klar: Mehr Transparenz.

Steuern werden vermehrt unter Risikoaspekten wahrgenommen. Transparenz schafft da Vertrauen und dient der Reputation. Gerade in Zeiten von Panama Papers und Offshore Leaks ein Bekenntnis zu mehr Transparenz und ein klares Zeichen für Investoren und Kunden.

Grosse oder thematisch exponierte Unternehmen stehen in der Öffentlichkeit und müssen sich den Fragen der Politik, von Medien und NGOs stellen. Dieser Dialog ist von strategischer Bedeutung. Informationen über die positiven Beiträge des Unternehmens sind für die Reputation des Unternehmens selbst, aber auch für die Aufrechterhaltung der freien Marktwirtschaft als System förderlich.

V. Herausforderungen

Um im Umfeld von ESG, BEPS und Public Tax Transparency erfolgreich zu navigieren, braucht es sowohl ein solides Steuer- als auch ESG-Know-how.

Des Weiteren ist eine unternehmensintern vernetzte IT-Architektur und ein konsistentes und effizientes Datenmanagement ein Must.

Transparenz bedeutet auch, dass die veröffentlichten Angaben korrekt sein müssen. Sonst droht mediales Ungemach (Reputation) oder gar rechtliche Konsequenzen (unlauterer Wettbewerb; Stichwort: Greenwashing; Blue Washing). Die Informationen sollten zudem mit den Angaben gegenüber Steuerbehörden unbedingt übereinstimmen.

MME bietet als interdisziplinäres Consultingunternehmen die Expertise und die nötigen Werkzeuge, um die anstehenden Herausforderungen im Bereich BEPS 2.0 und Public Tax Transparency unter steuerlichen, rechtlichen, Governance und Compliance Gesichtspunkten zu meistern. Gerne stehen wir Ihnen zur Verfügung.