20. Februar 2024

Durchsetzung einer Beförderungsdiskriminierung – Meilenstein in der Gleichstellung von Frau und Mann in der Schweiz?

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Das erste Schweizer Urteil, in welchem eine geschlechterspezifische Beförderungsdiskriminierung durchgesetzt wurde, ist gefallen. Was bedeutet das für die Arbeitnehmerschaft? Wie kann eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts überhaupt bewiesen werden? Und welche Implikationen ergeben sich daraus für die Arbeitgeberschaft?

 

Im Fall einer Oberärztin wurde eine Beförderungsdiskriminierung basierend auf dem Geschlecht erfolgreich vor Gericht durchgesetzt. Es handelt sich um ein Novum - in den meisten Fällen werden Klagen abgewiesen oder ein Vergleich wird ausgehandelt. Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick über die aktuelle Rechtslage und die prozessualen Herausforderungen hinsichtlich geschlechterspezifischer Diskriminierungen und erklärt, inwiefern dieses Urteil für arbeitnehmende und arbeitgebende Personen von Bedeutung ist.

Welches Gesetz ist auf geschlechterspezifische Diskriminierungen anwendbar?

Das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann (GlG) verbietet jegliche Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts im Erwerbsleben und bezweckt damit die Förderung der tatsächlichen Gleichstellung von Frau und Mann. Das zwingende Verbot erstreckt sich auf sämtliche Bereiche des Arbeitsverhältnisses (insbesondere auf die Anstellung, Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Entlassung) und umfasst direkte und indirekte Diskriminierungen.

Unterschied direkte und indirekte Diskriminierung am Beispiel der Beförderung:

  • Von einer direkten Diskriminierung wird ausgegangen, wenn die arbeitgebende Person den Beförderungsentscheid gestützt auf unzulässige oder verdächtige Kriterien wie Geschlecht, Schwangerschaft oder familiäre Situation fällt.
  • Eine indirekte diskriminierende Beförderung liegt vor, wenn weder ein unzulässiges noch ein verdächtiges Kriterium verwendet wird. Stattdessen kommt ein scheinbar neutrales Auswahlkriterium wie Arbeitspensum, Berufserfahrung oder Dienstalter zum Einsatz. Obwohl dieses Kriterium auf beide Geschlechter gleichermassen anwendbar ist, führt es im Ergebnis dazu, dass das eine Geschlecht benachteiligt wird. Frau und Mann sind dabei gleichermassen geschützt.

Das GlG gilt neben den privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen nach dem Obligationenrecht auch für alle öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnisse in Bund, Kantonen und Gemeinden. Arbeitnehmende im privaten und öffentlichen Bereich haben denselben materiell-rechtlichen Schutz. Unterschiedlich sind einzig gewisse Verfahrensvorschriften.

Welche Rechtsansprüche stehen betroffenen Personen zur Verfügung?

Gemäss GlG stehen der arbeitnehmenden Person die Unterlassungs-, Beseitigungs-, Feststellungs- oder Lohnnachzahlungsklage zur Verfügung. Zudem bleiben ungeachtet der Diskriminierungsart allfällige ausservertragliche Ansprüche auf Schadenersatz und Genugtuung vorbehalten.

Rechtsansprüche am Beispiel der Beförderung:

  • Falls die diskriminierende Nicht-Beförderung noch nicht eingetreten ist, besteht die Option, eine Unterlassungsklage einzureichen.
  • Im Falle einer bereits erfolgten diskriminierenden Nicht-Beförderung kann die klagende Person darauf bestehen, dass ihre Beförderung zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt wird, sobald dies möglich ist.
  • Des Weiteren kann sie Anspruch auf den Lohn geltend machen, der sie nach einer Beförderung erhalten hätte, und zwar rückwirkend ab dem Zeitpunkt, in dem sie eigentlich hätte befördert werden müssen.

Welche prozessualen Aspekte sind bei GlG-Streitigkeiten zu beachten?

Schlichtungsverfahren: Dem Gerichtsverfahren geht grundsätzlich ein kostenloser Schlichtungsversuch vor einer paritätisch besetzten Schlichtungsbehörde voraus. Paritätisch bedeutet hier konkret, dass sowohl beide Geschlechter als auch beide Sozialpartner (Vertretende von arbeitgebender und arbeitnehmender Person) vertreten sein müssen.

Gerichtsverfahren: Beim Gerichtsverfahren werden zwar keine Gerichtskosten erhoben, im Unterliegensfall hat die klagende Person der Gegenseite in der Regel jedoch eine Parteientschädigung zu entrichten.

Auf das Gerichtsverfahren findet das sog. vereinfachte Verfahren Anwendung (vgl. dazu auch unseren Magazinbeitrag «Der Rechtsstreit geht vor Gericht: Was ist zu beachten?»). Das vereinfachte Verfahren unterliegt weniger strengen Formvorschriften. So kann die Klage in unbegründeter Form eingereicht oder mündlich bei Gericht zu Protokoll gegeben werden. Dem vereinfachten Verfahren liegt der Gedanke zugrunde, ein beschleunigtes Verfahren zu ermöglichen. So verläuft es auch vorwiegend mündlich.

Bei privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen gilt das vereinfachte Verfahren unabhängig vom Streitwert. Bei öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen können die Verfahrensabläufe je nach Kanton variieren.

Feststellung des Sachverhalts und Beweismittel: Es gilt die sogenannte eingeschränkte Untersuchungsmaxime. Das bedeutet, dass das Gericht durch die Ausübung einer verstärkten Fragepflicht die Parteien beim Vorbringen der relevanten Tatsachen und der Bezeichnung der entsprechenden Beweismittel zu unterstützen und damit sicherzustellen hat, dass alle wesentlichen Sachverhaltselemente in den Prozess eingebracht werden. Trotz Geltung dieser Maxime sind die Parteien jedoch nicht davon befreit, bei der Feststellung des relevanten Sachverhalts aktiv mitzuwirken.

Beweisen von Ungleichbehandlungen: Das Beweisen von Ungleichbehandlungen aufgrund des Geschlechts ist gerade im Hinblick auf allfällige Informationsgefälle zwischen arbeitnehmender und arbeitgebender Person keine leichte Aufgabe. Das GlG sieht daher bei Diskriminierungen bezüglich Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Entlassung eine Beweislasterleichterung vor: Die betroffene Person muss die Diskriminierung vor Gericht nicht voll beweisen können; sie muss sie nur glaubhaft machen. Reine Behauptungen genügen allerdings nicht. Es müssen Tatsachen angeführt werden, die eine Diskriminierung als wahrscheinlich erscheinen lassen.

Bei gelungener Glaubhaftmachung durch die arbeitnehmende Person obliegt es sodann der Arbeitgeberschaft den Vollbeweis dafür zu erbringen, dass die unterschiedliche Behandlung auf sachlichen Gründen beruht. Gelingt ihr das nicht, so trägt sie die Folgen der Beweislosigkeit (sprich: Die Diskriminierung gilt als erstellt).

Welche Bedeutung hat das Urteil über die Beförderungsdiskriminierung für Schweizer Arbeitnehmende und Arbeitgeberschaft?

Das Urteil ändert zwar nichts daran, dass auch künftig jeweils der Einzelfall entscheidend ist und das Glaubhaftmachen einer Ungleichbehandlung eine hohe prozessuale Hürde bleibt. Dem Urteil kommt allerdings eine Signalwirkung zu: Schliesslich gelang es zum ersten Mal, mit der Glaubhaftmachung einer Beförderungsdiskriminierung vor Gericht durchzukommen. Insofern ist es auch richtig, dieses Urteil als Meilenstein zu bezeichnen (auch wenn es noch nicht in Rechtskraft erwachsen ist).

Arbeitnehmende Personen dürften sich gestützt auf dieses Urteil darin bestärkt sehen, Gleichstellungsprozesse anzustrengen und von den oben erwähnten Erleichterungen zu profitieren. Das Urteil ruft für arbeitgebende Personen in Erinnerung, dass bei Beförderungen die Auswahl der «besten» Person frei von allfälligen Stereotypen in Bezug auf die Geschlechter sein muss. Das Urteil bietet somit Anlass, Beförderungskriterien zu überdenken und allfällige blinde Flecken zu erkennen. Kurz gesagt: Das Beförderungssystem sollte auf nachvollziehbaren objektiven und subjektiven Kriterien fussen, die auch offengelegt werden.

Unser Arbeitsrechtsteam unterstützt Sie gerne bei Fragen rund um das Thema Gleichstellung im Erwerbsleben. Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.