29. Oktober 2019

Incoterms® 2020 – Neue Regeln für den internationalen Handel

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Incoterms® 2020 – Neue Regeln für den internationalen Handel

Incoterms® im Kontext des internationalen Handels

Die Incoterms® Rules der ICC (International Chamber of Commerce) sind die weltweit wichtigsten Handelsbedingungen für den internationalen Warenhandel. Die Incoterms®-Regeln begleiten Handelspartner und Dienstleister während des gesamten Prozesses einer internationalen Handelstransaktion, vom internationalen Handel mit Lieferanten oder Kunden, der Organisation des internen Warenaustauschs innerhalb einer Unternehmensgruppe, der Bestellung, Verpackung und Kennzeichnung einer Sendung bis hin zur Erstellung eines Ursprungszeugnisses in einem Hafen. Die Regeln definieren die Verpflichtungen der Parteien bei der Durchführung der Transaktion, den Zeitpunkt der Lieferung, den Übergang des Risikos an der Ware, die Kostenverteilung, die Verantwortung für die Zollanmeldung, die Leistung der Zollabgaben sowie die Versicherung. Die Incoterms®-Regeln bieten Rechtssicherheit und Rechtsklarheit auf globaler Ebene für Parteien und Dienstleister, die täglich in die Ein- und Ausfuhr von Waren im Rahmen des Welthandels involviert sind.

Am 10. September 2019 hat die ICC, 10 Jahre nach der letzten Version (Incoterms® 2010) nun mit den Incoterms® 2020 neue, zeitgemäss überarbeitete Regeln veröffentlicht.

Wichtigste Neuerungen der Incoterms® 2020

Die neuste Überarbeitung der Incoterms® 2010 hat nicht zu einer grundlegenden Änderung des Systems oder der Begriffsstruktur geführt. Auch wenn die Änderungen und Anpassungen auf den ersten Blick als geringfügig einzustufen sind, können diese Anpassungen jedoch erhebliche Auswirkungen auf Handelsgeschäfte haben, für die entsprechende Handelsregeln verwendet werden.

Was ist neu?

(1) Incoterms© hat die Grundaufteilung in Regeln, die auf sämtliche Transportmodi Anwendung finden (EXW, FCA, CPT, CIP, DAP, DPU and DDP) und Regeln, die ausschliesslich auf See- und Binnenschifftransporte angewendet werden sollten (FAS, FOB, CFR and CIF) im Grundsatz beibehalten, die Reihenfolge innerhalb dieser Guppen wurde jedoch zum Teil angepasst. Die Reihenfolge orientiert sich neu hauptsächlich am Zeitpunkt der Lieferung („Delivery“) und am Zeitpunkt des Risikoübergangs (Risk). Dies führt dazu, dass DPU („Delivery at Place Unloaded“), bisher DAT) neu nach DAP („Delivery at Place“) eingeordnet wird da bei DAP Lieferung und Risikoübergang vor dem Ablad stattfinden („before unloading“) während bei DPU die Lieferung und der Risikoübergang nach dem Ablad am definierten Bestimmungsort erfolgt.

(2) Bei der Bestimmung des Ortes, dem Waren gemäss Incoterms® FCA ("Free Carrier (named place)") auf ein vom Käufer gestelltes Transportmittel verladen werden, sind zwei mögliche Szenarien zu unterscheiden: (a) Wird die Verladung vom Käufer veranlasst, so ist der Lieferort in der Regel der Sitz bzw. das Lager des Verkäufers. (b) Ist der benannte Ort ein Terminal, ein Hafen oder eine andere Hub, so wird die Ware an den Käufer geliefert, sobald die Ware dem Käufer auf dem Transportmittel des Verkäufers am benannten Ort zur Verfügung steht.

(3) Incoterms® FCA werden häufig für Containertransporte verwendet. Wenn der Käufer den Frachtführer anweist, bereits bei Lieferung gemäss Incoterms® FCA (also vor der Verladung der Ware auf das vom Käufer gestellte Transportmittel) ein Transportdokument auszustellen, ist der Verkäufer verpflichtet, dieses an den Käufer weiterzuleiten. Man spricht dabei in der Regel von einem Konnossement mit An-Bord-Vermerk (Bill of Lading with on-bord-notation). Dieser neue Ansatz löst das folgende Problem der früheren Incoterms® FCA 2010: In Fällen, in denen ein Verkaufsgeschäft durch ein Akkreditiv finanziert oder durchgeführt wird, hängt dieses Akkreditiv in der Regel von der Ausstellung eines Konnossementes ab. Ein Konnossement wird vom Frachtführer erst ausgestellt, wenn die Verladung auf das vom Käufer veranlasste Transportmittel abgeschlossen ist. Folglich wurde unter Incoterms® FCA 2010 das Konnossement erst nach erfolgter Lieferung gemäß Incoterms® und nach Übergang der Gefahr an den Käufer ausgestellt. Im Zeitraum zwischen zwischen der Lieferung nach Incoterms® FCA 2010 und der Zahlung mittels Letter of Credit auf Basis einer Bill of Lading lag das Risiko des Untergangs der Ware faktisch, entgegen den Regeln von Incoterms® FCA allein beim Verkäufer. Dieses Problem wird nun dadurch gelöst, dass der Käufer die Möglichkeit hat, den Frachtführer anzuweisen, vor der Verladung, also bereits zum Zeitpunkt der Lieferung nach Incoterms® FCA 2020 ein Transportdokument wie zum Beispiel ein Konnossement auszustellen.

(4) Die Zusammenstellung aller möglichen Kosten (Transportkosten, Zölle, Sicherheit, Versicherung usw.) ist nun in den Klauseln A9/B9 aller Regeln zur Verbesserung der Transparenz zusammengefasst.

(5) Die Incoterms® CIF 2020, die häufig für Transporte zur See verwendet werden, verpflichten den Verkäufer, auf eigene Kosten eine Frachtversicherung abzuschließen, die dem Mindestdeckungsumfang der Institute Cargo Clauses (C) entspricht. Institute Cargo Clauses (C) decken ausschliesslich bestimmte, konkret aufgeführte Risiken. Incoterms® CIP 2020, die für Transporte mit allen Modalitäten verwendet werden können, verpflichtet den Verkäufer nach den neuen Regeln, auf seine Kosten eine Frachtversicherung abzuschließen, die der Mindestdeckung gemäß Institute Cargo Clauses (A) entspricht. Institute Cargo Clauses (A) entspricht einer „all risk“ Versicherung.

(6) Die Incoterms® 2020 FCA, DAP, DPU und DDP gelten neu sowohl für Transporte, die von einem Dritten durchgeführt werden, als auch für Transporte, die von Verkäufern oder Käufern mit eigenen Transportmitteln durchgeführt werden.

(7) Verpflichtungen von Verkäufer und. Käufer in Bezug auf transportbezogene Sicherheitsanforderungen wurden in A4 und A7 aller Regeln aufgenommen.

Anwendbarkeit der Incoterms© 2020

Die Incoterms® 2020 sind nur anwendbar, wenn die Parteien eines internationalen Handelsgeschäfts dies ausdrücklich vereinbaren. Es ist auch weiterhin möglich, die bisherigen Incoterms® 2010 anzuwenden. Um Unklarheiten über die geltende Fassung der Incoterms® zu vermeiden, sollte in Verweisen auf die Incoterms® in Verträgen immer auch das Jahr verwendeten Incoterms®-Version genannt werden. Wird kein Jahr genannt, gilt jeweils die neueste Version, daher ab dem 1. Januar 2020 Incoterms® 2020.

Empfehlungen

Die neuen Vorschriften entsprechen den aktuellen Entwicklungen und erhöhen die Rechtsklarheit und Rechtssicherheit. Die Einführung von Incoterms® 2020 bietet eine gute Gelegenheit, die Handelsregeln in Handelsverträgen, Rahmenverträgen und Verträgen mit Dienstleistern entlang der Liefer- und Vertriebskette zu überprüfen und die folgenden Fragen kritisch zu prüfen:

1. Welche Version der Incoterms® gilt in den relevanten Vertragswerken ab dem 1. Januar 2020?

2. Wiederspiegeln die verwendeten Incoterms® Regel (noch) die aktuelle Praxis und die tatsächlichen Prozesse?

3. Sind die verwendeten Incoterms® Regelna. unter den heutigen Umständen sinnvoll?b. in Bezug auf Zollorganisation und -Zollverfahren sinnvoll?

4. Bilden die verwendeten Incoterms® Regeln die Schnittstellen zwischen Risiken und Kosten in der bestehenden Logistikorganisation korrekt ab?

5. Entsprechen die verwendeten Incoterms® Regelna. den Regeln, auf die in den Vereinbarungen mit Logistikdienstleistern (Spediteure, Frachtführer, Lagerhalter, Zollagenten usw.) Bezug genommen wird?b. der benutzten Transportmodalität (z.B. kein FOB oder CIF für multimodalen Containertransport oder Lufttransport)?

6. Entspricht die aktuelle Versicherungslösung der Risikoallokation gemäß den abgeschlossenen Handels- und Dienstleistungsverträgen (Doppelversicherung oder Versicherungslücken)?

7. Kann die Einhaltung der Exportkontrollgesetze und Sanktionen mit den vereinbarten Incoterms®-Regeln sichergestellt werden? Ist geklärt, wer für das Einholen von Lizenzen für Dual-Use Güter verantwortlich ist?

MME Legal | Tax | Compliance unterstützt ihre Klienten sowohl bei der Überprüfung und Überarbeitung von internationalen Handelsverträgen als auch in der Organisation der Erfüllung solcher Verträge, um vertragliche Rechte und Pflichten mit der tatsächlichen Organisation und Durchführung des Handelsgeschäfts in Einklang zu bringen.

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