26. Mai 2020

Dokumentenaufbewahrung und Versicherung im Lichte des revidierten Verjährungsrechts

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Das revidierte Verjährungsrecht hat Auswirkungen auf die Dauer der Dokumentenaufbewahrung und Versicherungsdeckung.

Seit dem 1. Januar 2020 ist das revidierte Verjährungsrecht in Kraft. Anstoss dieser Revision bildete das Anliegen, sogenannten Spätschäden eine längere Verjährungsfrist einzuräumen. Insbesondere durch Asbest verursachte Gesundheitsschäden treten unter Umständen erst jahrzehntelang später zu Tage und konnten nach alter Gesetzeslage im ausservertraglichen Verhältnis nur ein Jahr nach Kenntnis des Schadens (relative Verjährungsfrist), und in jedem Falle maximal zehn Jahre nach dem schädigenden Verhalten (absolute Verjährungsfrist) geltend gemacht werden.

Neue Rechtslage für vertragliche und ausservertragliche Ansprüche

Neu verjährt gemäss Obligationenrecht (OR) der Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung bei Tötung oder Körperverletzung sowohl bei vertraglicher wie auch ausservertraglicher Anspruchsgrundlage drei Jahre nach Kenntnis des Schadens und des Ersatzpflichtigen, jedenfalls aber nach zwanzig Jahren. Dies bedeutet, dass beispielsweise Ärzte aus ihrem Behandlungsvertrag oder Arbeitgeber aus dem Arbeitsvertrag neu eine doppelt so lange Verjährungsfrist für allfällige Personenschäden gewärtigen müssen als bisher. Relativiert wird die längere Haftungsdauer durch die Tatsache, dass der Nachweis eines Schadens umso schwieriger wird, je weiter ein schädigendes Ereignis zurückliegt.

Für sämtliche anderen Schäden, also Sach- und reine Vermögensschäden, verjährt der ausservertragliche Anspruch auf Schadenersatz oder Genugtuung mit Ablauf von drei Jahren ab Kenntnis vom Schaden und des Ersatzpflichtigen und zehn Jahre nach Eintritt des schädigenden Ereignisses oder dessen Beendigung, der vertragliche Anspruch verjährt weiterhin generell nach zehn Jahren.

Die Verjährungsregeln im Kauf- und Werkvertragsrecht, Versicherungsrecht und Produktehaftung blieben unverändert. Die Verjährungsregeln der Staatshaftung der Kantone für amtliche Tätigkeiten – wie die Tätigkeiten in den von ihnen betriebenen Spitälern – werden je nach Kanton an die neuen Verjährungsregeln angepasst oder verbleiben bei den bisherigen (deutlich kürzeren) Verjährungs- und Verwirkungsfristen.

Aufbewahrung von Dokumenten

Die Pflicht zur Dokumentenaufbewahrung ist in der Schweiz nicht einheitlich geregelt. Es gibt verschiedene Regelungen sowohl auf Bundes- wie auch auf Kantonsebene. So besteht bundesrechtliche eine zehnjährige Aufbewahrungspflicht - und unter bestimmten Umständen eine Editionspflicht - für Geschäftsbücher, Buchungsbelege und Geschäftskorrespondenz.

Aus dem Auftragsrecht folgt eine Dokumentations- und Rechenschaftsablagepflicht. So müssen Ärzte zur Erfüllung ihres Behandlungsauftrags Patientenakten anlegen, Anwälte führen Mandatsakten, Architekten und Ingenieure schulden bei Vorliegen eines Auftragsverhältnisses – beispielsweise im Zusammenhang mit Vergaben oder einer übernommenen Bauleitung – eine Dokumentation.

Bisher wurde davon ausgegangen, dass Akten von Patienten und Mandanten zehn Jahre aufbewahrt werden müssen. Dabei beginnt die Aufbewahrungsfrist erst mit der Beendigung des Mandatsvertrages. Bundesrechtliche und kantonale Gesundheitsgesetze gingen allerdings bereits anhin davon aus, dass zumindest bei bestimmten Sachverhalten längere Aufbewahrungsfristen der Dokumentation bis zu 20 Jahren bestehen (so im Zusammenhang mit Transplantationen, Laboranalyseergebnissen, Blut und Blutprodukten).

Im Zuge der Verlängerung der Verjährungsfristen wurde davon abgesehen, eine Aktenaufbewahrungspflicht gleich den Verjährungsfristen von zehn Jahre auf zwanzig Jahre zu erhöhen. Ob die Aufbewahrungsfristen für die Patientenakten in den kantonalen Gesetzen den neuen Verjährungsfristen angepasst werden, ist noch nicht klar.

Konnte man bisher im Sinne einer Faustregel davon ausgehen, dass eine Pflicht zur Dokumentenaufbewahrung von zehn Jahren bestand– ausser es war klar oder zumindest absehbar, dass eine rechtliche Auseinandersetzung bevorstand – hat sich dies infolge der Änderung der Verjährungsfristen bei Personenschäden geändert. Ist eine Haftpflicht infolge Personenschäden möglich, ist es ratsam, die Dokumentation 20 Jahre nach Beendigung des Rechtsverhältnisses aufzubewahren. Bei einer vertraglichen Haftpflicht ergibt sich dies bereits aus der Pflicht zur Rechenschaftsablage. Daneben ist die Dokumentation des eigenen Handels im Schadensfall für die Beweisführung wichtig. Aus der Sicht des Haftpflichtigen wie bspw. des Arztes hat die Dokumentation insbesondere bei Sachverhalten eine grosse Bedeutung, wo eine Umkehr der Beweislast stattfindet, wie bei der Einwilligungserklärung des Patienten.

Zusammengefasst ist denjenigen Berufsgruppen, von denen eine Gefährdung der Gesundheit eines Menschen ausgehen kann, zu empfehlen, ihre Akten entsprechend der verlängerten Verjährungsfrist aufzubewahren, um die Beweislage länger darstellen zu können. Allerdings bedeutet dies nicht, dass sämtliche Daten im Original archiviert werden müssen. Abgesehen von gewissen Ausnahmen genügt eine elektronische Ablage, sofern sie den datenschutzrechtlichen Anforderungen (keine Einsichtsmöglichkeit für Unberechtigte, technische Sicherheit etc.) entspricht. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass Dokumente, die Personendaten enthalten, nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfrist grundsätzlich vernichtet werden müssen, es sei denn, es liegt ein Rechtfertigungsgrund für eine längere Aufbewahrung vor. Rechtfertigungsgründe sind unter anderem die Einwilligung der betroffenen Person oder ein überwiegendes Interesse der die Dokumente aufbewahrenden Person. Letzteres ist beispielsweise gegeben, wenn diese den Zugriff auf die Akten aus Beweisgründen braucht.

Versicherung

Der Verschärfung des Haftungsrisikos infolge der verlängerten Verjährungsfristen muss Sorge getragen werden. Insbesondere empfiehlt es sich, bei (Berufs-)Haftpflichtversicherungen, welche regelmässig auf dem Anspruchserhebungsprinzip (claims made) beruhen, eine Nachdeckung von zwanzig Jahren zu vereinbaren.

Übergangsbestimmungen

Für alle am 31. Dezember 2019 noch nicht verjährten Ansprüche kommt nach den Übergangsbestimmungen das jeweils längere Recht zur Anwendung: sehen die neuen Gesetzesbestimmungen eine längere Frist vor, gilt diese, sieht die bisherige Gesetzeslage eine längere Frist vor, kommt letztere zum Tragen. Bereits verjährte Forderungen bleiben auf alle Fälle verjährt. Meistens kann deshalb von der Anwendbarkeit der neuen längeren Verjährungsregeln ausgegangen werden, es sei denn, die Forderung ist bereits seit Ende 2019 verjährt.