26. Mai 2020

Voraussetzungen und Möglichkeiten der digitalen Generalversammlung

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Voraussetzung eine digitale Generalversammlung durchzuführen

Es ist wieder Zeit der Generalsversammlungen. So müssen Schweizer Unternehmen gemäss gesetzlicher Grundlage innert sechs Monaten nach dem Geschäftsabschluss ihre ordentliche Generalversammlung durchführen. Wie so vielem, hat diesem Vorhaben der Ausbruch von COVID-19 allerdings den Riegel vorgeschoben. Vorliegender Artikel soll den Verwaltungsräten als Entscheidungsgrundlage und Checkliste dienen, um zu entscheiden, ob und in welcher Form ihre Generalversammlung durchgeführt wird. Eine Checkliste ist dahingehend notwendig, um sicherzustellen, dass alle Voraussetzungen für eine gültige Generalversammlung zu Zeiten von COVID-19 erfüllt sind.

I. Voraussetzungen nach geltendem Recht (vor COVID-19 Verordnung 2)

Bis anhin war klar, dass die Generalversammlung physisch abzuhalten ist. Die Mitwirkungsrechte der Aktionäre müssen in der Generalversammlung ausgeübt werden und für Beschlussfassungen wird physische Präsenz der Aktionäre, ihrer persönlichen Vertreter oder des unabhängigen Stimmrechtsvertreters verlangt.

Ebenfalls in der Lehre akzeptiert war die Zulässigkeit der multilokalen Generalsversammlung. Die multilokale Generalversammlung ist eine normale Generalversammlung, welche allerdings an zwei oder mehreren Orten gleichzeitig stattfindet. Dies funktioniert, indem mittels Bild- und Tonübertragung die Voten abgegeben werden und damit die physische Präsenz der Aktionäre, welche sich dabei den Ort aussuchen können, erfüllt wird.

Einen Schritt weiter geht die Generalversammlung mit Teilnahmemöglichkeit via Internet. Hierbei handelt es sich ebenfalls um eine sog. «Präsenz-GV» an der nicht anwesende Aktionäre bzw. deren Vertreter zusätzlich die Möglichkeit haben, auf elektronischem Weg teilzunehmen. Die Generalsversammlung kann währenddessen online mittels Bild- und Tonübertragung in Echtzeit mitverfolgt werden. Dies ermöglicht den Aktionären weiterhin die freie Wahl zwischen physischer und elektronischer Teilnahme, da die Generalversammlung tatsächlich stattfindet. Auch dieses Format wird bereits unter geltendem Recht von der Lehre als zulässig angesehen. Wichtig ist hierbei, dass sämtliche relevanten Voraussetzungen erfüllt werden. Insbesondere müssen die physisch anwesenden und die elektronisch teilnehmenden Aktionäre während der Generalversammlung stets auf Augenhöhe, d.h. simultan und zeitverzugslos, miteinander interagieren können.

II. Voraussetzungen gemäss COVID-19 Verordnung 2

1. Allgemein

Gemäss der Covid-19-Verordnung 2 und deren Änderung vom 16. März 2020 ist es verboten, öffentliche oder private Veranstaltungen mit mehr als fünf Personen durchzuführen. Für die Generalversammlung hält die Verordnung mit Artikel 6a eine Sondervorschrift bereit, welche Aktionären die Ausübung ihrer Rechte unter Einhaltung dieser Vorschriften ermöglicht.

Es besteht weiterhin die Möglichkeit, eine physische Generalversammlung abzuhalten, jedoch nur mit einer Bewilligung der zuständigen kantonalen Behörde. Zusätzlich muss der Veranstalter (bei der AG ist dies der Verwaltungsrat) ein Schutzkonzept vorlegen und die Hygienevorschriften sind einzuhalten.

Der Veranstalter kann anordnen, dass Aktionäre ihre Rechte ausschliesslich auf schriftlichem Weg oder in elektronischer Form oder durch einen vom Veranstalter bezeichneten unabhängigen Stimmrechtsvertreter ausüben können. Das Recht auf physische Teilnahme des Aktionärs an der Versammlung wird durch die Anordnung des Verwaltungsrates vorübergehend eingeschränkt. Dies gilt auch für beurkundungspflichtige Traktanden. Die Anordnung muss spätestens vier Tage vor der Veranstaltung schriftlich mitgeteilt oder elektronisch veröffentlicht werden (Art. 6a COVID-19- Verordnung 2). Genau wie bei der ursprünglichen Regelung sind auch bei der COVID-19 Verordnung 2 spätestens 20 Tage vor Durchführung der Generalversammlung die Aktionäre in der statutarisch vorgesehenen Form einzuladen und die Traktanden und Anträge bekannt zu geben (Art. 626 Ziff. 5 und Art. 700 Abs. 1 OR). Bei einer digitalen Generalversammlung muss dabei sichergestellt werden, dass jeder Teilnehmende identifiziert wird und sich an der Generalversammlung äussern, die Voten anderer Teilnehmenden hören und seine Rechte, namentlich das Stimmrecht, ausüben kann. Es wurde darauf verzichtet, das Erfordernis des Bildes vorzuschreiben. Eine Stimmabgabe per Email ist allerding nicht möglich.

Vollmachten und Weisungen an den unabhängigen Stimmrechtsvertreter können elektronisch erteilt werden. Die Generalversammlung hat weiterhin an einem bestimmten Datum, zu einer bestimmten Uhrzeit und an einem bestimmten Ort stattzufinden. Eine Verschiebung der Generalversammlung ist möglich, auch wenn dadurch die Generalversammlung nicht innerhalb von sechs Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres (Ordnungsfrist) durchgeführt wird. Für den Fall, dass die Frist überschritten wird, wird weder die Versammlung ungültig, noch sind die gefassten Beschlüsse anfechtbar.

2. Unterschiede zur Aktienrechtrevision

Die Sonderregelung für Generalversammlungen von Gesellschaften unter der COVID-19 Verordnung 2 wurde in Anlehnung an die Aktienrevision ausgestaltet. Folgende Unterschiede sind allerdings vorhanden: Für eine virtuelle Generalversammlung entsprechend der Aktienrechtsrevision wird eine statuarische Grundlage vorausgesetzt. Diese Grundlage ist gemäss der COVID-19 Verordnung 2 nicht notwendig. Ferner muss im Gegensatz zur Aktienrechtsrevision kein unabhängiger Stimmrechtsvertreter bezeichnet werden. Dennoch – falls ein unabhängiger Stimmrechtsvertreter ernannt wurde – können die Aktionäre verpflichtet werden, ihre Rechte durch den unabhängigen Stimmrechtsvertreter ausüben zu lassen. Für die Bezeichnung des unabhängigen Stimmrechtsvertreters ist – sofern ein solcher nicht bereits bezeichnet wurde – der Veranstalter, d.h. bei AGs der Verwaltungsrat, zuständig.

3. Geltungsbereich der Sondervorschriften gemäss COVID-19 Verordnung 2

Diese Verordnung gilt für Generalversammlungen sämtlicher Gesellschaften (AG, GmbH, Kollektiv- und Kommanditgesellschaften, Genossenschaften, sowie Vereine). Die Verordnung ist auch auf Stockwerkeigentümerversammlungen anwendbar, da ihre Bestimmungen auf das Vereinsrecht Bezug nehmen.

Bezüglich der GmbH können die Gesellschafterversammlungsbeschlüsse gemäss Art. 805 Abs. 4 OR auch schriftlich gefasst werden, vorausgesetzt, kein Gesellschafter beantragt eine mündliche Beratung.

Bei Vereinen müssen Vereinsversammlungen nicht zwingend physisch stattfinden. Bei Einstimmigkeit ist die schriftliche Zustimmung zu einem Antrag möglich. Sofern eine entsprechende statutarische Grundlage vorliegt, ist auch die schriftliche Mehrheitsentscheidung (Urabstimmung) zulässig.

Bei Genossenschaften, die mehr als 300 Mitglieder zählen oder bei denen die Mehrheit der Mitglieder aus Genossenschaften besteht, können die Statuten bestimmen, dass die Befugnisse der Generalversammlung ganz oder zum Teil durch schriftliche Stimmabgabe (Urabstimmung) der Genossenschafter ausgeübt werden. Das Vertretungsrecht ist je nach Grösse der Genossenschaft beschränkt. Durch die COVID-19 Verordnung 2 besteht die Möglichkeit, dass die Rechte schriftlich oder in elektronischer Form wahrgenommen werden. Diese Möglichkeiten gelten selbst dann, wenn eine Urabstimmung nicht in den Statuten vorgesehen ist oder von Gesetzes wegen nicht zulässig wäre. Zudem ist auch für die Delegiertenversammlung einer Genossenschaft die schriftliche oder elektronische Abstimmung möglich.

III. Durchführung virtueller Generalversammlungen über die daura Plattform

Durch die daura Plattform können Schweizer Aktiengesellschaften (AG) ihr Aktienbuch automatisiert und digital führen sowie auch neue digitale Aktien und Partizipationsscheine mittels Kapitalerhöhungen herausgeben. Dadurch wird die Abwicklung von Kapitalerhöhungen digitalisiert, und vor allem erhalten nicht börsenkotierte AGs über die daura-Plattform Zugang zu einem breiten Investorenkreis. Durch digital unterstützte Aktienübertragungen, d.h. durch die Verwendung von automatisiert über die Plattform generierten Zessionserklärungen, wird überdies die Aktienbuchführung für den Verwaltungsrat vereinfacht.

Aufgrund der Corona-Krise hat die Digitalisierung gesellschaftsrechtlicher Prozesse einen regelrechten Schub erfahren. Um diese Entwicklungen zu unterstützen und die durch die Covid-19-Verordnung 2 eingeräumten Möglichkeiten umzusetzen, entwickelt daura ein neues Tool, das die Durchführung von und Teilnahme an virtuellen Generalversammlungen unter Ausübung des Stimmrechts ermöglicht. So erhalten Aktionäre nach Registrierung auf der daura Plattform einen digitalen Stimmrechtsausweis in Form eines Token. Damit kann der Aktionär in Echtzeit seine Stimmabgabe zur Beschlussfassung an virtuellen Generalversammlungen ausüben oder aber Anweisungen an einen durch den Verwaltungsrat bestimmten unabhängigen Stimmrechtsvertreter erteilen. daura will schon ab Sommer mit dem neuen Tool an den Markt gehen.