Der Kauf von Unternehmen in der Digital Economy erfordert ein vertieftes Verständnis, was die Assets, Werttreiber und Risiken dieser Unternehmen sind.
Hinter digitalen Geschäftsmodellen lauern erhebliche rechtliche, regulatorische und wirtschaftliche Risiken, die mit einer erweiterten und auf die Geschäftstreiber fokussierten Sorgfaltsprüfung erkannt werden können.
Im Vordergrund stehen dabei die Themen Free and Open Source Software (FOSS) und der Umgang mit digitalen Daten. Die herkömmliche Legal IT und IP Due Diligence deckt vor allem drei Themen ab: Patente, Hardware und Software. Dies ist auch der Ausgangspunkt für digitale Unternehmen, was jedoch nicht ausreichend ist.
Die Patentierung ist für digitale Technologien erschwert. Software ist in Europa nur ganz eingeschränkt patentierbar (sog. computerimplementierte Erfindungen). Allenfalls ist zu prüfen, ob die Technologie als Business-Methode geschützt werden kann oder geschützt ist (insbesondere in den USA).
Vielfach verlangt der Käufer eine Freedom-to-OperateAnalyse (Ausübungsfreiheit). Er will sicherstellen, dass – insbesondere bei einem künftigen Markteintritt in den USA – der Technologie des zu kaufenden Unternehmens (Target) nicht Patente oder Business-Methoden von Dritten entgegengehalten werden können.
Gegenstand der sachlichen Hardware Due Diligence sind der Wert und die Zukunftsfähigkeit der IT-Systeme des Target (Abschreibungsmethode, Investitionsbedarf, Qualität der IT-Architektur, Scalability, Agility, Performance usw.).
Bei der Hardware stehen aus rechtlicher Sicht die Eigentumsverhältnisse im Vordergrund. Dies klingt banal. Im Zeitalter von Cloud-Lösungen gibt es aber immer wieder Überraschungen: Die Systeme befinden sich oft gar nicht im Eigentum des Target, sondern virtuell in einer Cloud. Der Anspruch des Target auf IT-Systeme ist dann bloss vertraglicher Natur. Die Outsourcing-Verträge sind oft unternehmenskritisch und können zu Abhängigkeiten führen.
Unter Software wird hier der programmierte Code (Quellcode/Source Code) verstanden, nicht aber die digitalen Daten. Bei der Software Due Diligence ist zwischen eigener und fremder Software zu unterscheiden.
Die eigene, selbst entwickelte Software ist oft das wertvollste Aktivum von Start-ups in der Digital Economy. Aus rechtlicher Sicht ist zu prüfen, ob das Target wirklich Eigentümer der Software ist und über den Quellcode verfügen kann. Wesentlich ist auch, ob eine saubere Entwicklungsdokumentation erstellt worden ist.
Software ist ein Immaterialgut und urheberrechtlich geschützt. Es gibt aber kein Eigentumsregister. Eigentümer des Urheberrechts an Software ist grundsätzlich der Schöpfer, also der Programmierer. Es ist daher zu prüfen, von wem der Quellcode programmiert worden ist und ob die Rechte an diesem Code auf das Target übergegangen sind. Hier gibt es zahlreiche Fallstricke, die nur der Spezialist erkennt. Bei den angestellten Programmierern geht das Urheberrecht zwar von Gesetzes wegen auf den Arbeitgeber über, es gibt aber Ausnahmen. Heikel ist es bei Freelancern. In einem solchen Fall braucht es Urheberrechts-Übertragungsverträge, die sicherstellen, dass die Urheberrechte vollständig übergegangen sind.
Oftmals verwenden Programmierer aus Bequemlichkeit oder Kostengründen FOSS. Das heisst, sie bauen in den Code Komponenten einer Fremdsoftware ein, die zwar frei zugänglich ist, aber einer speziellen Lizenz unterliegt.
Diese Lizenzbedingungen sind mehr oder weniger einschränkend. Am weitesten verbreitet, aber auch sehr streng ist die GNU General Public License (GNU GPL). Diese verpflichtet den Nutzer dazu, bei Weiterverbreitung der Software in ihrer ursprünglichen oder veränderten Form (sog. abgeleitete Werke) diese ebenfalls unter die Bedingungen der GNU GPL zu stellen (sog. Copyleft-Effekt). Hält sich der Lizenznehmer nicht an die Bedingungen, erlischt die Befugnis zur freien Benutzung rückwirkend. Daher ist der Verwender gehalten, den Quellcode zugänglich zu machen und die abgeleitete Software wiederum der GNU GPL zu unterwerfen (sog. «viraler Effekt»).
Werden die Lizenzbedingungen nicht eingehalten, kann durch den viralen Copyleft-Effekt die gesamte proprietäre Software infiziert werden. Schlimmstenfalls steht dann die gesamte Software des Target unter einer FOSS-Lizenz, sodass ein unter hohem Zeit- und Kostenaufwand entwickeltes Produkt der Allgemeinheit unentgeltlich und quelloffen zur Verfügung gestellt werden muss. Eine wirtschaftliche Verwertung ist damit nahezu ausgeschlossen. Diese Risiken sollten mit einer FOSS Due Diligence (siehe unten) erkannt werden.
Jedes Unternehmen hat fremde Software im Einsatz. Dadurch können erhebliche Abhängigkeiten entstehen. Die entsprechenden Lizenzverträge sollten im Rahmen der Due Diligence vertieft geprüft werden. Führende Unternehmen haben ein Software Asset Management System implementiert. Damit soll sichergestellt werden, dass das Unternehmen nicht unterlizenziert ist (Licence Compliance; Gefahr erheblicher Pönalen). Handkehrum besteht auch Einsparpotenzial bei Über- und Doppellizenzierungen.
Für derartige Lizenzchecks stehen heute Softwaretools zur Verfügung, die auch bei einer Software Due Diligence eingesetzt werden können. Eine weitere Gefahr besteht darin, dass in Fremdsoftware FOSS-Komponenten eingebaut sind. Wenn nun diese Fremdsoftware mit eigener Software kombiniert wird, kann dies die proprietäre eigene Software infizieren.
Der Einsatz von FOSS ist zwar oft effizient und meist gratis, birgt aber hohe Risiken für den Unternehmenskäufer:
Digitale Geschäftsmodelle beruhen oft auf der Erhebung, Aggregierung und Auswertung von digitalen Daten (z.B. BigData-Anwendungen). Auch hier lauern für den Unternehmenskäufer Risiken:
Ob es an digitalen Daten überhaupt Eigentum gibt, ist umstritten. Der Autor vertritt die These, dass digitale Daten wie die Elektrizität rechtlich als Sache im Sinne des Zivilgesetzbuches (ZGB) behandelt werden können. Es ist deshalb auch Eigentum und Besitz an digitalen Daten möglich. Auf jeden Fall sollte sichergestellt werden, dass die Daten nicht Dritten gehören bzw. das Target exklusive/uneingeschränkte Nutzungsrechte hat.
Der Umgang mit Personendaten birgt rechtliche Risiken. Es steht eine Verschärfung der gesetzlichen Vorschriften mit drakonischen Strafen bevor (EU-Datenschutz-Grundverordnung ab Mai 2018; Revision des Bundesgesetzes über den Datenschutz).
Auch eine «Data Protection Due Diligence» ist zweistufig. Zuerst erstellen Data-Security-Spezialisten ein technisches Gutachten (Datenbearbeitungsmodell: Was? Wie? Wo? Assessment Sicherheitskonzept). Dann prüfen die Datenschutzrechtler, wie die Rechtslage ist und ob die gesetzlichen Vorgaben des Datenschutzes für die relevanten Jurisdiktionen eingehalten werden.
Das ganze Prozedere kann weggelassen oder vereinfacht werden, wenn das Target ein ISO-zertifiziertes Datenschutzmanagement implementiert hat und wenn die Produkte selbst (z.B. Apps, Web-Applikationen, Plattformen) ein Datenschutzgütesiegel haben (z.B. www.eprivacy.eu).
Eine immer wichtigere Frage ist auch, woher das Target seine Daten bezieht (Data Sourcing). Falls die Quellen zweifelhaft sind, kann dies das ganze Geschäftsmodell kontaminieren.
Zahlreiche Unternehmen der Digital Economy haben keine immaterialgüterrechtlich geschützten Assets (keine Patente, keine Urheberrechte an Software), sondern basieren auf innovativen Geschäftsideen wie digital unterstützte Prozesse, Automatisierung, Roboterisierung, Auswertung von Daten, Vernetzung, Internet der Dinge.
Im Rahmen der Innovation Protection Due Diligence stehen dann folgende Themen im Vordergrund:
Die Due Diligence beim Erwerb von Unternehmen der Digital Economy muss besonders sorgfältig und mit spezifischer rechtlicher Fachkenntnis erfolgen. Sonst droht der Erwerb von «heisser Luft».