03. Juni 2025

Klimaberichterstattung in der Schweiz: Erkenntnisse aus dem ersten Berichtsjahr

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Berichtspflichtige Unternehmen mussten 2025 erstmals ihre Klimabemühungen für das Geschäftsjahr 2024 offenlegen – basierend auf dem CCR-Webinar vom 27. Mai 2025 mit sustainserv und MME.

  • Adrian Peyer

    Legal Partner

Berichterstattungspflichtige Unternehmen mussten 2025 für das Geschäftsjahr 2024 erstmals Bericht über ihre Klimabemühungen erstatten. Dieser Artikel basiert auf der diesbezüglichen Präsentation im Rahmen des CCR-Webinars vom 27. Mai 2025 von sustainserv und MME.

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1. Rechtliche Grundlagen der Klimaberichterstattung in der Schweiz

Die aktuelle Gesetzgebung zur Klimaberichterstattung stützt sich auf das Obligationenrecht (OR 964a ff.), die Klimaberichterstattungsverordnung (in Revision), das Klima- und Innovationsgesetz (KIG), das CO2-Gesetz und internationale Standards wie TCFD. Unternehmen sind verpflichtet, Klimarisiken, CO2-Ziele, Umsetzungsmassnahmen und deren Wirksamkeit sowie relevante Leistungsindikatoren offenzulegen. Der sogenannte „Comply-or-Explain“-Ansatz gilt zurzeit noch.

2. Beobachtungen aus der Praxis

Erste Klimaberichte für das Geschäftsjahr 2024 zeigen: Der Wandel von Marketing- zu rechtlichen Dokumenten hat begonnen. Klima-Transitionspläne sind noch oft oberflächlich, Zwischenziele fehlen oder werden verschoben, finanzielle Auswirkungen sind selten klar beziffert. Proxy Advisors setzen teilweise höhere Standards als das Gesetz. Dennoch: Die Zustimmung an Generalversammlungen ist hoch.

3. Stärkung der Klima-Governance

Die Integration von Klimathemen in Governance-Strukturen schreitet voran. Erste Beispiele zeigen, dass Verwaltungsrat und Geschäftsleitung Klima-Governance explizit beschreiben. Empfehlungen umfassen die Einbindung der Finanzabteilung in Risikobewertungen und Transitionsplanung sowie die Thematisierung in Gremien wie dem Audit Committee.

 4. Integration ins Risikomanagement

Unternehmen befinden sich auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen: Von separaten Prozessen bis hin zur vollständigen Integration ins Enterprise Risk Management (ERM). Langfristige Perspektiven und Anpassung bestehender Risikodefinitionen sind zentral für vorausschauende Führung.

5. Szenarien und finanzielle Auswirkungen

Best Practices zeigen: Transparente Darstellung der Annahmen, Methodik und Szenarien ist entscheidend. Semiquantitative Bewertungen und Zuordnung zu Transitions- oder physischen Risiken erhöhen die Klarheit. Finanzielle Bandbreiten liefern Indikationen zur Resilienz des Geschäftsmodells.

6. Transitionspläne und Investitionssteuerung

Viele Unternehmen bekennen sich zum Netto-Null-Ziel 2050, Zwischenziele und konkrete Transitionspläne fehlen jedoch häufig noch. Empfehlungen zielen auf deren Verfeinerung und Koordination mit Investitionsplanung und langfristiger Strategie. Einige Unternehmen quantifizieren bereits Investitionen zur Zielerreichung.

7. Steuerung über Kennzahlen und Ziele

Erfolgsfaktoren sind nachvollziehbare Darstellung der Klimazielerreichung, Verbindung von Risiken mit Steuerungskennzahlen sowie Verknüpfung von Vergütung und Zielerreichung. Validierte SBT-Ziele und interne CO2-Preise gewinnen an Bedeutung.

8. Individuelle Roadmap und Reifegrad-abhängige Weiterentwicklung

Unternehmen entwickeln ihre Klimaberichterstattung je nach Reifegrad weiter. Notwendig sind Validierung, Transparenz über Annahmen und Methodik, und stärkere Zusammenarbeit zwischen Nachhaltigkeits- und Finanzabteilungen. Ziel: Vergleichbarkeit und Glaubwürdigkeit der Berichterstattung.

9. Ausblick ab 2025

Neue Regulierungen treten oder traten in Kraft (z. B. KIG, KIV, UWG Art. 3 lit. x). Die Vernehmlassung zur erweiterten Klimaberichterstattung ist abgeschlossen, das Inkrafttreten ist auf 1.1.2026 angekündigt. Für die Transitionspläne (Fahrpläne) der Realwirtschaft gelten bereits Mindestanforderungen durch KIG/KIV. Die Finanzwirtschaft wird für ihre Transitionspläne durch breit interpretierte bestehende Normen (OR 964b) und deren Präzisierung in der Verordnung zur Klimabereichterstattung gefordert sein.

10. Internationale Rahmenwerke & Konvergenz

ESRS, ISSB, GRI und SBTi 2.0 entwickeln sich konvergent. Unternehmen können sich an ESRS E1 und IFRS S2 orientieren. Diese fordern konkrete Transitionspläne, Szenarienanalysen und quantifizierbare Ziele. Die Verknüpfung nationaler Vorgaben mit internationalen Standards erleichtert die Weiterentwicklung.

11. Physische Risiken und Szenarioanalyse

Umweltkatastrophen wie in der nahen Vergangenheit (Überschwemmungen oder Stürme) zeigen, dass physische Risiken real und kostspielig sind. Tools wie Correntics ermöglichen standortbezogene Risikoanalysen. Szenarienanalysen (IEA, IPCC, NGFS) helfen, Transitions- und physische Risiken ganzheitlich zu bewerten.

12. SBTi 2.0: Ein neues Paradigma

Die neue Version (voraussichtlich ab 2027 gültig) legt mehr Fokus auf Rechenschaftspflicht und Fortschrittsnachweise. Anforderungen an Scope 3, Überprüfbarkeit, Klimatransitionspläne und Carbon Removal steigen. Unternehmen sollten eine Validierung vor 2027 sorgfältig prüfen.

13. Strategische Empfehlungen

  • Nicht durch Unsicherheit blockieren lassen: Fokus auf Weiterentwicklung
  • Transparente Methodik und Annahmen offenlegen
  • Transitionspläne konkretisieren und mit Investitionen unterlegen
  • Szenarienanalysen als Standard etablieren
  • Greenwashing vermeiden: klare Aussagen, prüfbare Pläne
  • ESG-Governance stärken und in Compliance & Risk-Prozesse integrieren