25. März 2021

OR-ESG-Bericht – Welche Unternehmen werden von Art. 964bis OR ausgenommen sein?

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Welche Unternehmen werden von Art. 964bis OR ausgenommen sein?

I. Ausgangslage und Status

Der vorliegende Beitrag behandelt die Vorlage der Redaktionskommission für die Schlussabstimmung Obligationenrecht (sog. «Indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt») (Änderung vom 19. Juni 2020).

Die Eidgenössische Volksinitiative Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt, kurz oft «Konzernverantwortungsinitiative oder KVI» genannt, wurde abgelehnt, damit kommt der indirekte Gegenvorschlag der Bundesversammlung zum Zug.

Als nächster Schritt wird der Beschluss im Bundesblatt publiziert und die 100-tägige Frist für das fakultative Referendum beginnt zu laufen. Ist diese Frist abgelaufen, erlässt der Bundesrat Ausführungsvorschriften und bestimmt das Inkrafttreten. Ausführlicher hierzu bereits hier.

Die Ausführungsbestimmungen werden zurzeit erarbeitet und nach der Einschätzung des Bundesamtes für Justiz kann das Gesetz voraussichtlich bereits bis Ende 2021 in Kraft treten.

 

II. Künftige zivilrechtliche Pflichten für Verwaltungsräte

Wie in einem früheren Beitrag erwähnt wird der Verwaltungsrat in die Pflicht genommen. Entscheidend und nicht ganz eindeutig ist jedoch, welche Unternehmen, und als Folge dessen, Verwaltungsräte welcher Unternehmen, von künftigen zivilrechtlichen Pflichten betroffen sein werden und entsprechend, welche Unternehmen davon ausgenommen sind.

In unserem letzten Artikel in Sachen OR-ESG-Bericht wurde darüber informiert, welche Unternehmen von Art. 964bis OR betroffen sein werden. Der vorliegende Beitrag hingegen soll aufzeigen, welche Unternehmen von der Berichterstattungspflicht gemäss Art. 964bis OR ausgenommen sein werden.

 

1. OR-ESG-Bericht: Welche Unternehmen sind von den zukünftigen OR-ESG-Berichterstattungspflichten von Art. 964bis OR befreit?


1.1 Ausnahmen nach Art. 964bis Abs. 2 OR


1.1.1 Grundsatz

Als Grundsatz geht aus Art. 964bis Abs. 2 OR hervor, dass diejenigen Unternehmen von der Berichterstattungspflicht befreit sind, welche von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden (sog. «Kontrolle-Kriterium»),

  • für welches Art. 964bis Abs. 1 OR anwendbar ist (sog. «alternatives Unter-Kriterium A»); oder
  • welche von einem anderen Unternehmen kontrolliert werden, welches einen gleichwertigen Bericht nach ausländischem Recht erstellen muss (sog. «alternatives Unter-Kriterium B»).

 

1.1.2 Kontrolle im Sinne von Art. 963 Abs. 2 OR («Kontrolle-Kriterium»)

Vom Anwendungsbereich von Art. 964bis OR sind diejenigen Unternehmen ausgenommen, die von einem anderen Unternehmen «kontrolliert» werden (vgl. EJPD, «Transparenz bezüglich nichtfinanzieller Belange und Sorgfaltspflichten und Transparenz bezüglich Mineralien und Metallen aus Konfliktgebieten und Kinderarbeit», Ziff. 5.1.7 und Fn 49, S. 13). «Kontrolle» wird hierbei im Sinne von Art. 963 Abs. 2 OR verstanden. Gemäss Art. 963 Abs. 2 OR kontrolliert eine juristische Person ein anderes Unternehmen, wenn sie:

  • direkt oder indirekt über die Mehrheit der Stimmen im obersten Organ verfügt;
  • direkt oder indirekt über das Recht verfügt, die Mehrheit der Mitglieder des obersten Leitungs- oder Verwaltungsorgans zu bestellen oder abzuberufen; oder
  • aufgrund der Statuten, der Stiftungsurkunde, eines Vertrags oder vergleichbarer Instrumente einen beherrschenden Einfluss ausüben kann.

a) Unternehmen, die einen Bericht nach Art. 964bis Abs. 1 OR erstellen müssen («alternatives Unter-Kriterium A»)

Für die Einzelheiten zu den Unternehmen, die einen Bericht nach Art. 964bis Abs. 1 OR erstellen müssen, wird auf einen früheren MME-Beitrag verwiesen (vgl. auch oben Ziff. II zweiter Verweis). 

b) Unternehmen, die einen gleichwertigen Bericht nach ausländischem Recht erstellen müssen («alternatives Unter-Kriterium B»)

Es ist noch nicht abschliessend geklärt, was alles als gleichwertiger Bericht nach ausländischem Recht gelten wird. Nichtsdestotrotz ist die Pflicht, einen gleichwertigen Bericht nach ausländischem Recht zu erstellen beispielsweise dann gegeben, wenn das kontrollierende Unternehmen seinen Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hat und gestützt auf die Richtlinie 2014/95/EU Bericht erstatten muss.

 

1.2 Zweck der Ausnahmeregelung

Mit diesen beiden obgenannten Ausnahmeregelungen soll eine Verdoppelung der Pflichten im Konzern vermieden werden. Wenn das kontrollierende Unternehmen beziehungsweise die Muttergesellschaft der Berichterstattungspflicht bereits unterliegt, dann braucht das kontrollierte Unternehmen respektive die Tochtergesellschaft diese nicht nochmals wahrzunehmen. In Fällen wie diesen wird die Berichterstattung an die Muttergesellschaft delegiert und die Tochtergesellschaft ist von dieser Berichterstattungspflicht befreit.

 

2. Erste Einschätzungen mittels ESG Risk Bot von Eurospider

Die Plattform «www.ESGriskMonitor.com» von Eurospider, die im Bereich «Information Retrieval-Systeme» tätig ist, stellt interessierten Unternehmen für eine erste Risikoevaluation kostenlos einen ESG Risk Bot zur Verfügung. Mit diesem ESG Risk Bot kann ein Unternehmen digital mit wenigen Mausklicks prüfen, ob es die Voraussetzungen für eine Berichterstattungspflicht nicht erfüllt und somit keinen Bericht über nichtfinanzielle Belange erstatten muss oder ob gegebenenfalls weitere Abklärungen notwendig sind.

Eine Erst-Evaluation mittels ESG Risk Bot lohnt sich für ein Unternehmen eine dahingehende Indikation zu erhalten, ob es von den neuen OR-Pflichten betroffen ist, oder davon ausgenommen ist.

 

III. Schlussbetrachtung

Aufgrund der weitreichenden Folgen bei Unterlassung der Berichterstattung trotz Berichterstattungspflicht (Busse von bis zu CHF 100‘000) empfehlen wir sämtlichen Unternehmen eine erste Risikoevaluation vorzunehmen und zu prüfen, ob die Kriterien für Ihr spezifisches Unternehmen erfüllt sind oder nicht.

Zur Unterstützung dieser Abklärungen kann einerseits auf den oben genannten, digitalen ESG Risk Bot von Eurospider zur Erst-Evaluation und auf der anderen Seite um hinreichende Rechtsicherheit zu Erlangen auf das ESG-Team seitens MME verwiesen werden.

Unser ESG-Team steht Ihnen bei Abklärungen jeglicher Art im Hinblick auf das Inkrafttreten der neuen Bestimmungen des indirekten Gegenvorschlags zur Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt» gerne zur Verfügung.

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