27. Februar 2019

Deutschland - Schweiz: Wegzugsbesteuerung verstösst gegen Freizügigkeitsabkommen

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Der EuGH qualifiziert die Wegzugsbesteuerung für natürliche Personen als eine ungerechtfertigte Beschränkung des durch das Freizügigkeitsabkommen vorgesehenen Niederlassungsrechts.

Der EuGH hat mit Urteil vom 26. Februar 2019 (RS C 581/17) entschieden: Die sofortige Besteuerung des Wertzuwachses eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt des Wegzugs in die Schweiz verstösst gegen das zwischen der Europäischen Union und der Schweiz abgeschlossene Freizügigkeitsabkommen.

Ausgangspunkt dieses Urteils bildete ein Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg (14.06.2017, 2 K 2413/15) hinsichtlich der Auslegung des Freizügigkeitsabkommens zwischen der Europäischen Union und der Schweiz (FAZ), dem ein Rechtsstreit zwischen einem deutschen Staatsangehörigen und dessen zuständigem Finanzamt zugrunde lag: Der Kläger war seit 2008 Geschäftsführer einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft, an der er zu 50% beteiligt war. Im Jahr 2011 verlegte er seinen Wohnsitz von Deutschland in die Schweiz. Das beklagte Finanzamt unterwarf den Wertzuwachs der Anteile an der Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt des Wegzugs gem. § 6 Aussensteuergesetz (AStG) und § 17 Einkommensteuergesetz (EStG) der sofortigen Besteuerung in Deutschland. Auf die Möglichkeit der zinslosen Stundung gem. § 6 Abs. 5 AStG könne sich der Kläger nicht berufen, da die Schweiz weder EU-Mitgliedsstaat noch ein Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) sei – so die Argumentation des Finanzamts. Der Kläger war der Auffassung, diese Besteuerung allein aufgrund der Verlegung seines Wohnsitzes in die Schweiz verstosse gegen das FZA, insbesondere gegen die darin vorgesehene Niederlassungsfreiheit. Er erhob deshalb Klage beim FG Baden-Württemberg. Da das FG Zweifel ob der Vereinbarkeit der in Rede stehenden Regelungen mit dem FZA hegte, wandte es sich mit einem Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH.

Der EuGH hat diesbezüglich erwogen, dass zwar die Bestimmung der Höhe der fraglichen Steuer im Zeitpunkt der Verlegung des Wohnsitzes in die Schweiz eine geeignete Massnahme sei, um die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen der Schweiz und der Bundesrepublik Deutschland sicherzustellen. Dieses Ziel sei jedoch keine Rechtfertigung dafür, eine Stundung dieser Steuer unmöglich zu machen. Eine Stundung bedeute nämlich nicht, dass Deutschland zugunsten der Schweiz auf die Befugnis zur Besteuerung der Wertzuwächse verzichte, die während des Zeitraums der unbeschränkten Steuerpflicht in der Bundesrepublik entstanden sind. Vor dem Hintergrund, dass das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland in Art. 27 eine entsprechende Informationsaustauschklausel vorsieht, wonach Deutschland von den schweizerischen Behörden die erforderlichen Informationen über die Veräusserung der Geschäftsanteile und den damit in Zusammenhang stehenden Wertzuwächsen erhalten könnte, sei das Ziel der Wirksamkeit einer steuerlichen Kontrolle gewahrt und die Verweigerung der Stundung unverhältnismässig.

Es sei insoweit also nicht rechtzufertigen, dass ein deutscher Staatsangehöriger, der sein Niederlassungsrecht gemäss dem FZA ausgeübt hat, einen steuerlichen Nachteil im Vergleich zu anderen deutschen Staatsangehörigen erleidet, die ihren Wohnsitz in Deutschland beibehalten oder in einen anderen EU- oder EWR-Staat verlegen. Während Letztere die Steuer für latente Wertzuwächse der betreffenden Geschäftsanteile erst zum Zeitpunkt der Realisation entrichten müssen, muss Ersterer eben diese Steuer bereits im Zeitpunkt des Wegzugs ohne Zahlungsaufschub bis zur Veräusserung der Anteile bezahlen.

Der EuGH erkennt darin eine Ungleichbehandlung, die einen Liquiditätsnachteil darstellt und geeignet ist, vom tatsächlichen Gebrauch des Niederlassungsrechts gemäss FZA abzuhalten. Die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Steuerregelungen stellen eine ungerechtfertigte Beschränkung des durch das FZA vorgesehenen Niederlassungsrecht dar. Damit schliesst sich der EuGH den Schlussanträgen des Generalanwalts vom 27. September 2018 an, in welchen in der sofortigen Besteuerung der Wertsteigerung ein Verstoss gegen das Freizügigkeitsabkommen postuliert wurde, und bestätigt im Ergebnis dessen Einschätzung.

Ihr Team