24. März 2022

Zuzug in die Schweiz – Gesellschaftsrecht

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Ein Verwaltungsratsmitglied ist Teil des obersten Leitungsorgans und trägt damit letztlich die Mitverantwortung für die Gesellschaft. Seine Tätigkeit ist daher unweigerlich mit Risiken verbunden, die letztlich zu einer persönlichen Haftung führen können. Wie kann ein solches Risiko nun reduziert werden?

I. Aufgaben eines Verwaltungsratsmitglieds

Art. 716 Abs. 2 OR regelt, dass der Gesamtverwaltungsrat die Geschäfte der Gesellschaft führt, soweit die Geschäftsführung nicht delegiert wurde. Ein Verwaltungsratsmitglied muss sich daher stets der Verantwortung bewusst sein, die es als Teil des obersten Leitungsorgans übernimmt. Seine Pflichten sind im Gesetz nicht abschliessend geregelt. Vielmehr gibt es zahlreiche Bestimmungen, die seine Pflichten festlegen. Dazu gehören insbesondere:

  1. Sorgfaltspflicht: Das Verwaltungsratsmitglied muss seine Aufgaben mit der für seine Tätigkeit objektiv erforderlichen Sorgfalt wahrnehmen. So mindern insbesondere Zeitmangel, persönliches Unvermögen oder mangelnde Kenntnisse nicht die erforderliche Sorgfalt und die Verantwortung. Fehlt dem Verwaltungsratsmitglied in einem bestimmten Fall das nötige Fachwissen, sind stehts Spezialisten beizuziehen.
  2. Treuepflicht: Das Verwaltungsratsmitglied hat in seiner Funktion ausschliesslich die Interessen der Gesellschaft zu wahren und muss Interessen Dritter sowie eigene Interessen den Interessen der Gesellschaft unterordnen. Dies bedeutet unter anderem, dass das Verwaltungsratsmitglied auch die Pflicht hat, keine Konkurrenztätigkeit auszuüben und keine für die Gesellschaft nachteiligen Geschäfte mit ihr abzuschliessen.
  3. Gleichbehandlung der Aktionäre: Das Verwaltungsratsmitglied muss alle Aktionäre gleich behandeln. So darf es unter anderem weder einzelne Aktionäre durch den Abschluss von vorteilhaften Geschäften begünstigen, noch einzelne Aktionäre bei der Weitergabe von Informationen bevorzugen.
  4. Wettbewerbsverbot: Das Verwaltungsratsmitglied darf keine Tätigkeit bei einer anderen Gesellschaft aufnehmen, mit der die Gesellschaft im Konkurrenzverhältnis steht. Dies würde dazu führen, dass es sich in einem unauflösbaren Interessenkonflikt mit beiden Gesellschaften befinden würde. Eine Ausnahme besteht allerdings dann, wenn die Generalversammlung selbst von der konkurrierenden Tätigkeit weiss und das Verwaltungsratsmitglied trotzdem wählt, weil im konkreten Fall seine Erfahrung für die Aktionäre von übergeordneter Bedeutung ist. In diesem Fall darf die jeweilige konkurrierende Tätigkeit fortgesetzt werden, da die Generalversammlung den Interessenkonflikt zwar erkannt, aber offensichtlich nicht für entscheidend gehalten hat.
  5. Verschwiegenheitspflicht: Neben der Pflicht zur Wahrung der Gesellschaftsinteressen besteht auch die Pflicht zur Geheimhaltung von Geschäftsgeheimnissen, d.h. von Tatsachen, die der Allgemeinheit nicht bekannt sind und an deren Geheimhaltung die Gesellschaft ein Interesse hat. Dies verbietet es einem Verwaltungsratsmitglied ebenfalls Geschäftsgeheimnisse zum eigenen Vorteil auszunutzen, zum Beispiel indem es selbst Gelegenheiten für vorteilhafte Geschäfte wahrnimmt, die im Gesamtverwaltungsrat besprochen wurden.

Zusätzlich zu diesen gesetzlichen Pflichten können auch die Statuten oder Gesellschaftsbeschlüsse ein Verwaltungsratsmitglied zu einem Tun oder Unterlassen verpflichten.

Handelt ein Verwaltungsratsmitglied also innerhalb dieser gesetzlichen und gegebenenfalls statutarischen oder von den Gesellschaftsorganen beschlossenen Grenzen, kann es nicht persönlich haftbar gemacht werden.

II. Haftungsvoraussetzungen für eine Verantwortlichkeitsklage gegen ein Verwaltungsratsmitglied

Kommt es jedoch zu einer Verletzung der genannten Pflichten und wird die Gesellschaft, ein Aktionär oder Gläubiger direkt geschädigt, kann das Verwaltungsratsmitglied persönlich für den entstandenen Schaden haftbar gemacht werden. Dies wird auch als Organhaftung oder aktienrechtliche Verantwortlichkeit bezeichnet. Neben der Pflichtverletzung müssen daher im Einzelnen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  1. Schaden: Die Gesellschaft muss einen Schaden erlitten haben. Als Schaden wird die Differenz zwischen dem Vermögen mit und ohne das schädigende Ereignis verstanden. Der häufigste Fall ist, dass der Schaden dadurch entstanden ist, dass der Konkurs der Gesellschaft ungerechtfertigt verzögert und die Gesellschaft somit in ungerechtfertigter Weise seines Vermögens beraubt wurde (sog. Konkursverschleppung).
  2. Kausaler Zusammenhang: Darüber hinaus muss einerseits die Pflichtverletzung des Verwaltungsratsmitglieds für den eingetretenen Schaden ursächlich sein. Andererseits muss das Verhalten des Verwaltungsratsmitglieds nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet (adäquat kausal) sein, den Schaden zu verursachen. Der Kausalzusammenhang ist also zu verneinen, wenn auch ein pflichtgemässes Verhalten den Schaden nicht verhindert hätte oder hätte verhindern können.
  3. Verschulden: Bei der Feststellung des Verschuldens wird nach einem objektiven Massstab verfahren, d.h. ein Verschulden liegt vor, wenn das Verwaltungsratsmitglied nicht so gehandelt hat, wie es von einem Organ in derselben Situation objektiv erwartet werden kann. Verfügt ein Verwaltungsratsmitglied über überdurchschnittliche Qualifikationen, sind diese für ihn massgebend. Grundsätzlich haftet das Verwaltungsratsmitglied für jedes Verschulden, somit auch für leichte Fahrlässigkeit. Ob das Verhalten als fahrlässig einzustufen ist, bestimmt sich ebenfalls nach objektiven Kriterien, anhand eines Vergleichs des konkreten Verhaltens mit dem hypothetischen Verhalten eines durchschnittlich sorgfältigen Menschen in der konkreten Situation. Jede Abweichung von diesem "Referenzverhalten" wird als fahrlässig angesehen.

Sind sämtliche Haftungsvoraussetzungen erfüllt, so haftet das Verwaltungsratsmitglied für den Schaden, den es durch vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung seiner Pflichten verursacht hat.

Gemäss Lehre und Rechtsprechung wurde in den letzten Jahr(zehnten) oftmals in folgenden Fallbeispielen eine Haftung bejaht:

  • Entnahme von Vermögenswerten der Gesellschaft ohne entsprechende Gegenleistung;
  • Investition von 80% des Gesellschaftsvermögens in eine hochspekulative Anlage;
  • Nichtführung einer ordnungsgemässen Buchführung;
  • Unzureichende Finanzplanung;
  • Untreue in der Verwaltung oder Veruntreuung;
  • Die Ausübung des Amtes trotz Unerfahrenheit ohne Hinzuziehung von Spezialisten;
  • Untätigkeit trotz offensichtlicher Sorge vor Überschuldung;
  • Bewegungen von Vermögenswerten innerhalb einer Gesellschafts-Gruppe, die den Interessen der Gesellschaft zuwiderlaufen.

III. Möglichkeiten zur Begrenzung der Haftung des Verwaltungsratsmitglieds

1. Von Gesetzes wegen (Art. 754 Abs. 2 OR)

Wie bereits erwähnt, ist es im gesetzlichen Rahmen jedoch möglich, bestimmte Handlungen an die Geschäftsleitung zu delegieren. Dazu bedarf es einerseits einer von der Generalversammlung beschlossenen Ermächtigungsklausel in den Statuten. Andererseits muss der Gesamtverwaltungsrat ein sogenanntes Organisationsreglement erlassen. Sind beide Voraussetzungen erfüllt, beschränkt sich die Haftung des Verwaltungsratsmitglieds auf die nach den Umständen gebotene Sorgfalt bei der Auswahl, Instruktion und Überwachung der mit der Geschäftsführung betrauten Personen. Keine Delegationsmöglichkeit besteht einzig bei den unübertragbaren und unentziehbaren Aufgaben des Verwaltungsrats gemäss abschliessender Auflistung in Art. 716a Abs. 1 OR).

2. Praxisbezogene Hinweise

Jedes Verwaltungsratsmitglied kann aber bereits bei der Auswahl seiner Mandate sein Haftungsrisiko minimieren, indem es nur solche Mandate annimmt, für die es auch das nötige Wissen und Zeit hat. Auch wenn das Mandat angenommen wurde, sollte jedes Verwaltungsratsmitglied bei einem "schlechten Bauchgefühl" während den Verwaltungsratssitzungen nicht nur Fragen stellen oder Gegenstimmen abgeben, sondern diese auch im Protokoll festhalten lassen, formale Vorschriften ernst nehmen, Interessenkonflikte vermeiden und gegebenenfalls in den Ausstand treten, sowie notfalls gar zurücktreten. Wenn es die finanziellen Mittel der Gesellschaft zulassen, sollte ausserdem der Abschluss einer sogenannten Directors and Officers Liability Insurance ("D&O-Versicherung") für die Verwaltungsratsmitglieder beantragt werden. Falls der Abschluss einer solchen D&O-Versicherung vom Gesamtverwaltungsrat abgelehnt wird, sollte sich jedes Verwaltungsratsmitglied überlegen, ob es eine solche Versicherung auf privater Ebene abschliessen will.

IV. Fazit

Die Annahme eines Verwaltungsratsmandats ist mit zahlreichen Pflichten verbunden. Diese Pflichten bringen ihrerseits Haftungsrisiken mit sich, die mit Hilfe der genannten Hinweise jedoch reduziert werden können.

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