01. Dezember 2020

Indirekter Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative – Sofortmassnahmen des Verwaltungsrats

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Durch die Ablehnung der Konzernverantwortungsinitiative (KVI) kommt der indirekte Gegenvorschlag der Bundesversammlung zum Zug. Damit besteht Handlungsbedarf für die Verwaltungsräte.

I. Ausgangslage - Gesetzgebungsprozess

Die Eidgenössische Volksinitiative „Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt“, kurz Unternehmens-Verantwortungs-Initiative (UVI), bzw. auch Konzernverantwortungsinitiative (KVI) genannt, wurde abgelehnt. Damit kommt der indirekte Gegenvorschlag der Bundesversammlung zum Zug. Als nächster Schritt wird der Beschluss „Obligationenrecht – Indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative („Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt“) im Bundesblatt publiziert und die 100-tägige Frist für das fakultative Referendum beginnt zu laufen. Ist diese Frist abgelaufen, erlässt der Bundesrat Ausführungsvorschriften und bestimmt das Inkrafttreten (Änderungen des Obligationenrechts und des Strafgesetzbuches).

II. Verwaltungsrat zivil- und strafrechtlich in der Pflicht

Die Gesetzesänderung sieht neue Pflichten für Unternehmen vor, die der Verwaltungsrat umsetzen muss. Die Berichte müssen vom Verwaltungsrat genehmigt und unterzeichnet werden. Neu wird als Offizialdelikt die Verletzung der Berichtspflichten vorgesehen. Wer falsche Angaben macht oder die Berichterstattung unterlässt und wer den gesetzlichen Aufbewahrungs- und Dokumentationspflichten nicht nachkommt, wird gebüsst. Der Verwaltungsrat, der nichts unternimmt, riskiert bestraft zu werden.

III. Empfohlene Sofortmassnahmen

Wir empfehlen dem Verwaltungsrat aller Unternehmen – unabhängig von der Unternehmensgrösse - als minimale Sofortmassnahme folgende Fragen abzuklären:

 

A. Frage 1: Muss das Unternehmen künftig einen Bericht über nichtfinanzielle Belange erstatten (ESG-Bericht)?

Der Verwaltungsrat muss sich als erstes die Frage stellen, ob das Unternehmen einen Bericht über sog. nichtfinanzielle Belange (ESG-Bericht) erstatten muss oder nicht. Dazu gehören folgende ESG-Themen: Umweltbelange, Sozialbelange, Arbeitnehmerbelange, Achtung der Menschenrechte und Bekämpfung der Korruption.

Die Regelung, welche Unternehmen unter die ESG-Berichterstattungspflicht fallen (Art. 964bis OR), ist komplex und bedarf sorgfältiger Abklärung. Grundsätzlich kann gesagt werden, dass die Transparenzpflicht grosse Unternehmen trifft (Publikumsgesellschaften und gewisse der FINMA-unterstellte Unternehmen; in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren mindestens 500 Vollzeitstellen und Bilanzsumme grösser als 20 Millionen Franken oder Umsatzerlös von mehr als 40 Millionen Franken). Vorgesehen sind Pflichtbefreiungen für schweizerische Tochterunternehmen, die von einer schweizerischen Mutter kontrolliert werden, die ihrerseits einen Bericht über nichtfinanzielle Belange erstatten. Befreit sind auch schweizerische Konzerntöchter, deren ausländische Muttergesellschaft einen gleichwertigen Bericht nach ausländischem Recht erstellen muss.

 

B. Wenn ja, Aufbau der Berichterstattungsfähigkeit

Der Gesetzgeber setzt die Latte für den ESG-Bericht hoch und die Erfüllung der Berichterstattungspflicht bedarf nicht zu unterschätzender Vorarbeit und Vorlaufzeit. Wir empfehlen in einem Projekt folgende Punkte aufzuarbeiten:

  • ESG-Konzept: Das Unternehmen muss ESG-Konzepte und die angewandte Sorgfaltsprüfung nachweisen. Verfolgt das Unternehmen in Bezug auf einen oder mehrere ESG-Belange kein Konzept, so hat es dies im Bericht klar und begründet zu erläutern.
  • ESG-Massnahmen: Das Unternehmen muss die zur Umsetzung der Konzepte ergriffenen Massnahmen umsetzen und die Wirksamkeit der Massnahmen bewerten.
  • ESG-Risikoanalyse: Das Unternehmen muss die wesentlichen Risiken beschreiben. Massgebend sind Risiken aus der eigenen Geschäftstätigkeit, und, wenn dies relevant und verhältnismässig ist, jene, die sich aus den Geschäftsbeziehungen (z.B. Finanzierung), den Erzeugnissen (Lieferkette) oder den Dienstleistungen (Lieferkette) ergeben.
  • ESG-Leistungsindikatoren: Zu beschreiben sind im Bericht die für die Unternehmenstätigkeit wesentlichen Leistungsindikatoren in Bezug auf ESG-Belange.
  • ESG Referenzpunkt: Das Unternehmen kann sich bei der Berichterstattung an nationalen, europäischen oder internationalen Regelwerken orientieren. So insbesondere an den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen. Festlegung Scope: Der Bericht muss auch die vom Unternehmen allein oder zusammen mit anderen Unternehmen kontrollierten in- und ausländischen Unternehmen erfassen.
  • Festlegung Scope: Der Bericht muss auch die vom Unternehmen allein oder zusammen mit anderen Unternehmen kontrollierten in- und ausländischen Unternehmen erfassen.
  • ESG-Berichtsprozess: Der ESG Bericht über nichtfinanzielle Belange muss vom Verwaltungsrat genehmigt und unterzeichnet werden und der Generalversammlung zur Genehmigung vorgelegt werden. Der Verwaltungsrat hat sodann sicherzustellen, dass der Bericht elektronisch veröffentlicht wird und mindestens zehn Jahre lang öffentlich zugänglich bleibt.

 

C. Frage 2: Handelt oder bearbeitet das Unternehmen Konfliktmineralien (Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold enthaltende Mineralien oder Metalle)?

Unternehmen, deren Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung sich in der Schweiz befindet, müssen in der Lieferkette Sorgfaltspflichten einhalten und darüber Bericht erstatten, wenn sie Zinn, Tantal, Wolfram oder Gold enthaltende Mineralien oder Metalle aus Konflikt- und Hochrisikogebieten in den freien Verkehr der Schweiz überführen oder in der Schweiz bearbeiten.

 

D. Wenn ja, kommt ein Ausnahmetatbestand zur Anwendung?

Der Bundesrat legt jährliche Einfuhrmengen von Mineralien und Metallen fest, bis zu denen ein Unternehmen von der Sorgfalts- und Berichterstattungspflicht befreit ist.

Der Bundesrat legt auch fest, unter welchen Voraussetzungen die Unternehmen von den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten ausgenommen sind, die sich an ein international anerkanntes gleichwertiges Regelwerk, wie insbesondere die Leitsätze der OECD, halten. 

 

E. Wenn kein Ausnahmetatbestand vorliegt: Welche Pflichten gelten im Zusammenhang mit Konfliktmineralien?

1. Berichterstattungspflicht

Der Verwaltungsrat erstattet jährlich Bericht über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten. Eine Genehmigung des Berichts durch die Generalversammlung ist nicht erforderlich. Der Verwaltungsrat hat sodann sicherzustellen, dass der Bericht elektronisch veröffentlicht wird und mindestens zehn Jahre lang öffentlich zugänglich bleibt.

Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen von Unternehmen anbieten, die einen Bericht verfasst haben, müssen für diese Produkte und Dienstleistungen keinen Bericht erstellen.

2. Sorgfaltspflichten

Es gelten folgende Sorgfaltspflichten, wobei der Bundesrat diesbezüglich nähere Vorschriften erlassen kann, die sich an international anerkannten Regelwerken orientieren, wie insbesondere den Leitsätzen der OECD:

Managementsystem

Die Unternehmen führen ein Managementsystem und legen darin Folgendes fest:

  • die Lieferkettenpolitik für möglicherweise aus Konflikt- und Hochrisikogebieten stammende Mineralien und Metalle;
  • ein System, mit dem die Lieferkette zurückverfolgt werden kann

Riskmanagement

  • Unternehmen ermitteln und bewerten die Risiken schädlicher Auswirkungen in ihrer Lieferkette. Sie erstellen einen Risikomanagementplan und treffen Massnahmen zur Minimierung der festgestellten Risiken.

Prüfungspflicht durch eine unabhängige Fachperson

  • Unternehmen lassen die Einhaltung der Sorgfaltspflichten bezüglich der Mineralien und Metalle durch eine unabhängige Fachperson prüfen.

 

F. Frage 3: Besteht in der Lieferkette (Produkte oder Dienstleistungen) die Gefahr der Kinderarbeit?

Unternehmen, deren Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung sich in der Schweiz befindet, müssen in der Lieferkette Sorgfaltspflichten einhalten und darüber Bericht erstatten, wenn sie Produkte oder Dienstleistungen anbieten, bei denen ein begründeter Verdacht besteht, dass sie unter Einsatz von Kinderarbeit hergestellt oder erbracht wurden.

 

G. Wenn ja, kommt ein Ausnahmetatbestand zur Anwendung?

Der Bundesrat legt fest, unter welchen Voraussetzungen kleine und mittlere Unternehmen sowie Unternehmen mit geringen Risiken im Bereich Kinderarbeit nicht prüfen müssen, ob ein begründeter Verdacht auf Kinderarbeit besteht.

Er legt auch fest, unter welchen Voraussetzungen die Unternehmen von den Sorgfalts- und Berichterstattungspflichten ausgenommen sind, die sich an ein international anerkanntes gleichwertiges Regelwerk, wie insbesondere die Leitsätze der OECD, halten.

 

H. Wenn kein Ausnahmetatbestand vorliegt: Welche Pflichten gelten zur Vermeidung von Kinderarbeit?

1. Berichterstattungspflicht

Das oberste Leitungs- oder Verwaltungsorgan erstattet jährlich Bericht über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten. Eine Genehmigung des Berichts durch die Generalversammlung ist nicht erforderlich. Der Verwaltungsrat hat sodann sicherzustellen, dass der Bericht elektronisch veröffentlicht wird und mindestens zehn Jahre lang öffentlich zugänglich bleibt.

Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen von Unternehmen anbieten, die einen Bericht verfasst haben, müssen für diese Produkte und Dienstleistungen keinen Bericht erstellen.

2. Sorgfaltspflichten

Es gelten folgende Sorgfaltspflichten, wobei der Bundesrat diesbezüglich nähere Vorschriften erlassen kann, die sich an international anerkannten Regelwerken orientieren, wie insbesondere den Leitsätzen der OECD:

Managementsystem

Die Unternehmen führen ein Managementsystem und legen darin Folgendes fest:

  • die Lieferkettenpolitik für Produkte oder Dienstleistungen, bei denen ein begründeter Verdacht auf Kinderarbeit besteht;
  • ein System, mit dem die Lieferkette zurückverfolgt werden kann (supply chain tracability).

Riskmanagement

Unternehmen ermitteln und bewerten die Risiken schädlicher Auswirkungen in ihrer Lieferkette. Sie erstellen einen Risikomanagementplan und treffen Massnahmen zur Minimierung der festgestellten Risiken.

IV. Strafbestimmungen

Wer vorsätzlich die Berichterstattung unterlässt, in den Berichten vorsätzlich falsche Angaben macht oder der gesetzlichen Pflicht zur Aufbewahrung und Dokumentation nicht nachkommt, wird mit einer Busse von bis zu 100 000 Franken bestraft. Wer fahrlässig handelt, wird mit Busse bis zu 50 000 Franken bestraft.

 

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