Goodbye Gini/Durlemann – Die Schweiz entdeckt den Regress neu
Das Bundesgericht erleichtert den Regress des Versicherers.
Andreas Furrer und Raphael Brunner zeigen in diesem Beitrag auf, warum Transportversicherer nicht nur in anderen europäischen Ländern, sondern auch in der Schweiz über den Aufbau und die Organisation eines Regressmanagements nachdenken sollten.
Das Bundesgericht hat die Regresslandschaft der Schweiz neu geordnet. Die Burg Gini/Durlemann ist nach 64 Jahren gestürmt und wohl auch vollständig erobert worden. Ab sofort besteht in der Schweiz für einen Versicherer bei Ansprüchen aus Gefährdungs- oder Kausalhaftungen keine Regressbeschränkung mehr. Mit grosser Wahrscheinlichkeit gilt dies auch in Bezug auf vertragliche Haftungsansprüche.
Mit einem wegweisenden Entscheid hat das Bundesgericht seine eigene seit dem berüchtigten Gini/Durlemann Entscheid aus dem Jahr 1954 bestehende Rechtsprechung am 7. Mai 2018 nun endlich und ausdrücklich geändert (Entscheid 4A_602/2017, veröffentlicht am 23. Mai 2018). Ab sofort subrogiert ein Versicherer in die Ansprüche des Versicherten gegen jede Person, welche für einen Schaden aus einer Gefährdungs- oder Kausalhaftung bzw. aus ausservertraglicher Haftung haftet (Art. 72 VVG). Der Versicherer kann entsprechende Ansprüche im eigenen Namen durchsetzen. Bisher war dies nur möglich, wenn die aus einer Gefährdungs- oder Kausalhaftung oder auch aus Vertrag haftpflichtige Person den Schaden grobfahrlässig oder mit Absicht verursacht hatte.
Man darf davon ausgehen, dass mit diesem Entscheid das Bundesgericht auch den Regress des Sachversicherers gegen einen aus Vertrag haftenden Dritten geöffnet hat. Das Bundesgericht verweist auf entsprechende Lehrmeinungen, ohne diese zu kritisieren (vgl. Erwägung 2.4). Vielmehr hält es ausdrücklich fest, dass sowohl im Rahmen der gescheiterten Totalrevision des VVG als auch bei der nun geplanten Teilrevision (Art. 95c re-vVVG) die integrale Subrogation des Versicherers und damit das geplante Ende von Gini-Durleman politisch unumstritten war.
Somit wird ein Transportversicherer nun abgetretene Schadenersatzansprüche seiner Kunden gegen einen Frachtführer für einen während einem Transport entstandenen Schaden durchsetzen können, auch wenn sich dieser Anspruch auf eine vertragliche Kausalhaftung mit Entlastungsbeweis stützt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesgericht bereits mit Entscheid 132 III 626 die Regressbeschränkung in Bezug auf CMR Frachtverträge aufgehoben hatte.
Transportversicherer sollten von nun an nicht nur in anderen europäischen Ländern, sondern auch in der Schweiz über den Aufbau und die Organisation eines Regressmanagements nachdenken.
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