06. Dezember 2022

Schweizer MWST-Qualifikation von (Native) Token

  • Artikel
  • Tax
  • Blockchain / Digital Assets

Wichtigste Aspekte der Schweizer Mehrwertsteuer im Zusammenhang mit dem Kauf und Verkauf von (Native) Tokens.

Rechtliche Grundlagen

Die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) hat am 17. Juni 2019 ihre Praxisanpassungen für die Mehrwertsteuer bezüglich Leistungen im Zusammenhang mit Blockchain- und Distributed-Ledger-Technologie veröffentlicht. Sie unterscheidet dabei zwischen den folgenden drei Haupttypen von Token:

  • Zahlungstoken dienen keinem anderen Zweck als dem der Verwendung als Zahlungsmittel für den Erwerb von Lieferungen und/oder Dienstleistungen bei einem oder mehreren Leistungserbringern. Sie berechtigen daher nicht zum Bezug bestimmter beziehungsweise bestimmbarer Leistungen, sondern stellen lediglich das vereinbarte Zahlungsmittel dar.
  • Nutzungstoken berechtigen den Inhaber zum Bezug von bestimmten oder bestimmbaren Leistungen und/oder gewähren ein Zugangsrecht zu einer Plattform, einer Applikation oder Ähnliches (Lizenz oder lizenzähnliches Recht).
  • Anlagetoken geben dem Inhaber beispielsweise Anspruch auf Beteiligung am Ertrag, Umsatz, Gewinn, einen bestimmten Teil des Ertrags oder Umsatzes, derivative Rechte oder Ähnliches. Sie basieren stets auf einem vertraglichen Rechtsverhältnis, begründen daher kein gesellschaftsrechtliches Beteiligungsverhältnis und berechtigen nicht zur Rückzahlung des ursprünglich einbezahlten Betrags (d.h. kein Eigenkapital oder Fremdkapital).

In diesem Zusammenhang ist ein separater, aber sehr relevanter Aspekt zu berücksichtigen: Die Schweizer Finanzmarktaufsicht FINMA verwendet zwar die gleichen Begriffe für die regulatorische Token-Qualifikation (d.h. Zahlungs-, Nutzungs- und Anlagetoken), aber die jeweiligen Definitionen sind unterschiedlich. Dies führt in der Praxis zu viel Verwirrung. So ist es nicht möglich, sich für Mehrwertsteuerzwecke einfach auf die FINMA-Klassifizierung zu verlassen. Es muss eine separate Analyse durchgeführt werden.

Unserer Meinung nach sind die in der Praxis der ESTV diskutierten Kategorien jedoch sehr eng definiert, lassen einige technische Funktionalitäten dezentraler Ökosysteme außer Acht und weisen grosse Lücken auf. Vollständig dezentralisierte Native Tokens oder Tokens mit Gutschein-, Eigenkapital-, Fremdkapital- oder Fondseigenschaften fehlen. Es besteht daher noch eine gewisse Unsicherheit, wie die ESTV einen Token im Einzelfall qualifizieren könnte. 

Handel mit Token

Auf der Grundlage der obigen Ausführungen stuft die ESTV den Handel mit Token wie folgt ein:

  • Die Verwendung von Zahlungstoken wird im Allgemeinen der Verwendung von gesetzlichen Zahlungsmitteln gleichgestellt. Sie stellen keine separate Leistung dar und ihr Verkauf ist ein blosser Austausch von Bargeld. Es handelt sich daher um einen für Mehrwertsteuerzwecke irrelevanten Umsatz. Der professionelle Handel mit Zahlungstoken im Rahmen einer unternehmerischen Tätigkeit ist dagegen von der Mehrwertsteuer ausgenommen (analog zum Devisenhandel). Die erhobenen Gebühren und Provisionen sowie der sich aus dem An- bzw. Verkaufspreis ergebende Spread gelten als Entgelt und damit als Umsatz.
  • Der Kauf und Verkauf von Nutzungstoken sind steuerbare Leistungen, sofern der Ort der im Token enthaltenen Leistung im Inland liegt und keine Steuerausnahme zur Anwendung kommt.  Der relevante Umsatz umfasst den gesamten Erlös (d.h. den Verkaufspreis des Tokens, unabhängig davon, ob Kursgewinne oder -verluste realisiert wurden).
  • Der Kauf und Verkauf von Anlagetoken sind von der Mehrwertsteuer ausgenommen. Der relevante Umsatz umfasst den gesamten Erlös (d. h. den Verkaufspreis des Tokens, unabhängig davon, ob Kursgewinne oder -verluste realisiert wurden).

Native Token

Da viele Token einen Native Token eines Ökosystems, eines Protokolls oder einer Anwendung darstellen (z. B. Layer-1-Protokoll-Token wie ETH, XTZ oder ADA) und daher als faktische Registrierungs-, Kommunikations- und Abrechnungseinheit im dezentralen Netzwerk fungieren, einschliesslich Gas und (potenziell) Staking, entsprechen sie oft nicht den oben genannten Definitionen der ESTV.

Native Token werden aus Sicht der FINMA meist als Nutzungstoken qualifiziert. Daher kann eine Klassifizierung als steuerpflichtiger Nutzungstoken für Mehrwertsteuerzwecke nicht ausgeschlossen werden. Wie oben erwähnt, sind die Definitionen für regulatorische und mehrwertsteuerliche Zwecke jedoch nicht identisch, weshalb die jeweiligen Qualifikationen möglicherweise nicht übereinstimmen. Folglich müssen Token, die aus Sicht der FINMA als Nutzungstoken gelten, zusätzlich nach den folgenden Mehrwertsteuerkategorien qualifiziert werden: (1) steuerpflichtige Dienstleistung oder (2) gar keine Leistung.

Nur wenn mit dem Token eine konkrete oder zumindest klar bestimmbare künftige Leistung verbunden ist (z.B. Vorauszahlung für eine genau definierte Leistung), gilt er als steuerpflichtiger Nutzungstoken im Sinne der Mehrwertsteuer. In diesem Fall unterliegen Token-Verkäufe an in der Schweiz ansässige Gegenparteien (d.h. Kunden und Broker) der Schweizer Mehrwertsteuer von derzeit 7,7%. Darüber hinaus hat auch die Käuferseite potenzielle Mehrwertsteuerrisiken (d.h. steuerpflichtige Leistung oder Bezugsteuer).

Nicht definierte Nutzungsmöglichkeiten werden für Mehrwertsteuerzwecke dagegen wie nicht steuerbare Wertgutscheine behandelt. Ihr Verkauf wird als blosser Austausch von Bargeld betrachtet und ist mangels einer entgeltlichen Leistung ein für die Mehrwertsteuer irrelevanter Umsatz (d.h. keine Schweizer Mehrwertsteuer).

Daraus folgt, dass Native Token ohne spezifische oder zumindest bestimmbare zukünftige Dienstleistung ähnlich wie (undefinierte) Wertgutscheine behandelt werden und der gleichen Logik wie Zahlungsmittel folgen, was zu einer irrelevanten Transaktion für Mehrwertsteuerzwecke führt. Hingegen ist die Schweizer Mehrwertsteuer auf Verkäufen an in der Schweiz ansässige Gegenparteien abzurechnen, wenn der Token mit einer spezifischen oder bestimmbaren Dienstleistung verbunden ist.

Schlussfolgerung und Empfehlungen

Vor diesem Hintergrund empfehlen wir, sorgfältig zu prüfen, welcher Kategorie die gehandelten Token zugeordnet werden können und die entsprechenden mehrwertsteuerlichen Implikationen zu berücksichtigen. Dabei ist die FINMA-Klassifizierung nicht direkt relevant. Es ist eine separate Analyse für die Mehrwertsteuer notwendig.

In Fällen, in denen eine Qualifikation als Nutzungstoken (gemäss MWST-Definition) nicht ausgeschlossen werden kann, schlagen wir vor, genauer zu prüfen, ob eine spezifische Leistung oder zumindest eine bestimmbare zukünftige Leistung vorliegt, die zu einer MWST-relevanten und steuerbaren (Voraus-)Zahlung führt. Basierend auf dem Ergebnis einer solchen Analyse könnte keine oder 7.7% Schweizer Mehrwertsteuer anwendbar sein.

Wenn der Umsatz mit potenziellen Nutzungstoken (gemäss MWST-Definition) erheblich ist, wird ein Ruling mit der ESTV dringend empfohlen, um Rechtssicherheit zu erhalten.

Wir empfehlen ausserdem, dass die erforderlichen Prozesse innerhalb eines Handelssystems ordnungsgemäss implementiert werden, bevor in grossem Umfang mit Nutzungstoken (gemäss MWST-Definition) gehandelt wird.


Für Fragen stehen wir zur Verfügung. Wir unterstützen Sie zudem gerne beim Aufsetzen eines geeigneten Qualifizierungsprozesses für Token aus mehrwertsteuerlicher Sicht oder bei allen anderen rechtlichen, steuerlichen oder regulatorischen Angelegenheiten.