18. Dezember 2020

Kollektivierung von Aussenräumen bei Neubauten - Konsequenzen für Eigentümer

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Im kommunalen Siedlungsrichtplan soll aufgenommen werden, dass bei Neu- und Umbauten Aussenräume öffentlich zugänglich gemacht werden und so Grünraum in der Stadt geschaffen wird. Bürgerliche befürchten vor allem einen künftigen Zwang zu einer Öffnung und eine massive Entwertung des Grundeigentums.

Aktuell berät das Zürcher Stadtparlament den kommunalen Siedlungsrichtplan. Die geplante Stossrichtung lässt vor allem Grundeigentümer aufhorchen. Im Richtplan soll nämlich aufgenommen werden, dass bei Neu- und Umbauten Aussenräume öffentlich zugänglich gemacht werden - beispielsweise Innenhöfe, Vorgärten und Dachterrassen. Das Motiv hinter dem Ansinnen ist die Schaffung von Grünraum in der Stadt. Gemäss Richtwert (welchen sich die Stadt selbst vorgegeben hat) sollen jedem Einwohner acht Quadratmeter und jedem Arbeitnehmer fünf Quadratmeter Grünfläche in der Stadt zur Verfügung stehen. Mit der vorgesehenen Massnahme soll damit insbesondere dem befürchteten Bevölkerungswachstum Rechnung getragen werden. Seitens der Bürgerlichen wird vor allem ein künftiger Zwang zu einer Öffnung und eine massive Entwertung des Grundeigentums befürchtet.

 

1. Schwierigkeiten des Vorhabens praktischer Natur

Das Vorhaben bringt zunächst einige Schwierigkeiten praktischer Natur mit sich und drängt zu verschiedenen Fragen, beispielsweise:

  • Wie soll der Zugang zu den öffentlichen Zonen gewährt werden (über das Treppenhaus oder eine Aussentreppe)?
  • Wer würde für den Unterhalt der Grünräume aufkommen? Die Mieter über die Nebenkosten, der Eigentümer oder die Stadt?
  • Welche Auswirkungen hätte die Öffnung auf die Sicherheit und die Lärmbelastung?
  • Wer würde in Schadensfällen haften?

Ob und wie diese Probleme im Richtplan oder allenfalls in der künftigen Bau- und Zonenordnung (BZO; siehe Ziff. 2c. nachstehend) abgehandelt werden, ist derzeit noch ungeklärt. Insbesondere die Auswirkungen auf die Sicherheit und Lärmbelastung würden sich erst mit der Zeit zeigen.

 

2. Beurteilung aus juristischer Sicht

Auch aus juristischer Sicht wirft das Vorhaben der Stadt Fragen und Bedenken auf. Eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Punkte finden Sie nachfolgend.

a. Festsetzung des kommunalen Siedlungsrichtplans

Aufgabe eines kommunalen Richtplans ist die Konkretisierung übergeordneter regionaler und kantonaler Richtpläne. Er ist ein Koordinationsinstrument und dient einer umwelt- und sozialverträglichen Stadtentwicklung. Im Sinne von Mindestangaben soll der kommunale Richtplan insbesondere aufzeigen, wie die Anforderungen an eine qualitätsvolle räumliche Entwicklung vor dem Hintergrund des anhaltenden Bevölkerungswachstums erfüllt werden können.

Derzeit wird der kommunale Richtplan durch die städtische Verwaltung erarbeitet und befindet sich aktuell in der Beratung im Gemeinderat. Geplant ist, dass der Gemeinderat ihn noch in diesem Jahr festsetzt. Nach seiner Festsetzung wird er im kommenden Jahr an die Baudirektion zur Genehmigung überwiesen (siehe hier).

b. Genehmigung des kommunalen Siedlungsrichtplans

Die Baudirektion überprüft den Richtplan auf seine Recht- und Zweckmässigkeit. Ein kommunaler Richtplan beinhaltet grundsätzlich Vorgaben im Sinne behördenverbindlicher Aufträge für die nachfolgende Planungsebene.

Vorliegend ist diskutabel, ob die geplante Öffnung der Grünräume im Richtplan rechtmässig ist oder ob dies zu weit geht. Die Bürgerlichen räumen vor allem ein, der Richtplan sei zu detailliert. Damit gebe er eigentlich keine raumplanerische Richtung mehr vor, sondern versuche bereits parzellenscharf alles punktgenau zu regeln.

Der Richtplan ist für Private weder verbindlich noch entfaltet er für diese direkte Rechtswirkung. Deshalb kann weder seine Festsetzung noch seine Genehmigung von Privaten – insbesondere Grundeigentümern oder Verbänden mit ideellen Zwecken –angefochten werden.

c. Wirkungen des kommunalen Richtplans für Grundeigentümer

Vor diesem Hintergrund ist denkbar, dass der Richtplan mit einer entsprechenden Bestimmung, wonach z.B. Dachterrassen in Neubauten grundsätzlich öffentlich zugänglich sein sollen, in Kraft tritt – ohne dass Private aus juristischer Sicht etwas dagegen unternehmen können. Die Behörden haben sich nach einer allfälligen Genehmigung des Richtplans an die darin enthaltenen Vorgaben zu halten.

Konkret bedeutet dies Folgendes: Ein Richtplan bildet die Grundlage für eine neue BZO. Entsprechend müssen die Anweisungen darin in der BZO konkretisiert werden. Die BZO wiederum ist für Private und damit für alle Grundeigentümer verbindlich.

Möglich bleibt für Private einzig die vorfrageweise Anfechtung des Richtplans im Zuge der Nutzungsplanung (d.h. der BZO) oder allenfalls auch im Rahmen eines Baubewilligungsverfahrens. Ein betroffener Grundeigentümer muss daher mit einer Anfechtung und gegebenfalls mit der Geltendmachung von Ansprüchen aus materieller Enteignung bis zur Verabschiedung des Nutzungsplans zuwarten.

Es bleibt abzuwarten, ob die Politik mit ihrem Ansinnen durchkommen wird und wie mit den sich daraus ergebenden praktischen Schwierigkeiten umzugehen ist. Aus juristischer ist das Fazit ernüchternd: Private können in naher Zukunft nichts gegen das Vorhaben unternehmen.

Ihr Team