25. November 2020

«Green Public Procurement» / Revision des öffentlichen Beschaffungsrechts

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Das öffentliche Beschaffungsrecht regelt ein wichtiges Segment der Schweizer Volkswirtschaft. Seine Grundlagen findet es im WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA).

1. Einleitung

Das öffentliche Beschaffungsrecht regelt ein wichtiges Segment der Schweizer Volkswirtschaft. Seine Grundlagen findet es im WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA), das auf Ebene Bund durch das Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen und die zugehörige Verordnung sowie von den Kantonen durch die Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen umgesetzt wird, sowie im bilateralen Abkommen mit der EU über bestimmte Aspekte des öffentlichen Beschaffungswesens. Aufgrund der 2012 abgeschlossenen Revision des GPA sind Anpassungen im nationalen Recht erforderlich. Gleichzeitig sollen die Beschaffungsordnungen von Bund und Kantonen einander inhaltlich soweit möglich und sinnvoll angeglichen werden.

2. Politischer Ablauf

National- und Ständerat haben die Totalrevision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB; SR 172.056.1) am 21. Juni 2019 einstimmig verabschiedet. Während mehrerer Sessionen haben die Eidgenössischen Räte intensiv über die Vorlage debattiert und schliesslich ihre Differenzen bereinigt. Parallel dazu hat das Parlament das revidierte WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA 2012; SR 0.632.231.422) ebenfalls einstimmig angenommen. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 12. Februar 2020 die revidierte Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen (VöB; SR 172.056.11) verabschiedet. Zurzeit werden die Umsetzungsinstrumente erarbeitet. Die beiden revidierten Erlasse treten am 1. Januar 2021 in Kraft.

3. Ziele und Zweck der Totalrevision: Harmonisierung und Nachhaltigkeit

Nebst der Umsetzung des GPA 2012 im BöB war ein Hauptziel, die Beschaffungsordnungen von Bund und Kantonen einander soweit möglich und sinnvoll anzugleichen. Dies entspricht seit Jahren einem Anliegen der Wirtschaft, da die heutige heterogene Rechtslage zu unnötigen Rechtsunsicherheiten und kostspieligen Verfahren führt. Seit 2012 haben der Bund und die Kantone in einer paritätisch zusammengesetzten Arbeitsgruppe die inhaltlich harmonisierten Revisionstexte für das Bundesgesetz und die neue Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB) vorbereitet.

Mit dem klaren Bekenntnis zur Vorlage des Bundes stimmten die Eidgenössischen Räte auch dem gemeinschaftlichen Vorhaben von Bund und Kantonen zu. Nachdem die Kantone die IVöB an der Sonderplenarversammlung vom 15. November 2019 ebenfalls einstimmig verabschiedet haben, stehen nun die Umsetzungsarbeiten im Fokus. Dabei wird hohes Gewicht auf die Zusammenarbeit und die Koordination mit den anderen föderalen Ebenen gelegt, um die Harmonisierungsbestrebungen auch im Hinblick auf den Vollzug fortzusetzen. Die schweizweit harmonisierten Beschaffungsordnungen werden die Rechtssicherheit sowie die Anwenderfreundlichkeit erhöhen, wovon die Unternehmen, namentlich die KMU, Nutzen ziehen können.

Grosse Bedeutung kommt ausserdem der Umsetzung des vom Bundesparlament festgelegten Paradigmenwechsels im öffentlichen Beschaffungswesen hin zu mehr Nachhaltigkeit und Qualitätswettbewerb zu.

4. Ökologisches Beschaffungsrecht

Der neue Nachhaltigkeitsgrundsatz ist im Zweckartikel Art. 2a BöB festgehalten und bezweckt den wirtschaftlichen und den volkswirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltigen Einsatz der öffentlichen Mittel. Durch die ökologische Beschaffung (auch unter dem englischen Begriff «Green Public Procurement» bekannt) kann die Umweltbilanz eines Beschaffungsgeschäfts berücksichtigt werden. Im revidierten Beschaffungsrecht haben ökologische Kriterien Stellenwert. Der neue Zweckartikel nennt den ökologisch und sozial nachhaltigen Einsatz der öffentlichen Mittel an erster Stelle, noch vor den bisherigen Grundsätzen wie Transparenz, Wettbewerb, Wirtschaftlichkeit und Gleichbehandlung.

Was bedeutet ökologisches Beschaffungsrecht konkret? Sowohl bei den technischen Spezifikationen wie auch bei den Zuschlagskriterien, kann die Nachhaltigkeit berücksichtigt werden. Die Auftraggeberin kann neu technische Spezifikationen zur Erhaltung der natürlichen Ressourcen oder zum Schutz der Umwelt vorsehen (Art. 30 Abs.4 BöB), wobei die WTO/GAP-Nichtdiskriminierungsregeln beachtet werden müssen. Die Auftraggeberin prüft die Angebote anhand leistungsbezogener Zuschlagskriterien. Sie berücksichtigt neben dem Preis und der Qualität der Leistung, insbesondere Kriterien wie Zweckmässigkeit, Termine, technischer Wert, Wirtschaftlichkeit, Ästhetik, Nachhaltigkeit (Art. 29 BöB). Auch Eignungskriterien können ökologische Aspekte beinhalten. Nachhaltigkeit ist in Art. 27 BöB nicht explizit erwähnt. Gemäss Art. 12 BöB hat jede Anbieterin die Schweizer Umweltgesetzgebung einzuhalten. Neu ist die Missachtung der Umweltgesetzgebung ein Ausschlussgrund (Art. 44 BöB).

Die Verankerung des Nachhaltigkeitsgrundsatzes unterstreicht, dass sich die Beschaffungsstelle für die Evaluation des besten Angebots nicht nur am Preis zu orientieren hat, sondern ein grosses Ermessen bei der Wahl und Gewichtung der Zuschlagskriterien hat. Ökologische Nachhaltigkeit ist somit als Qualitätsmerkmal eines Produktes oder einer Dienstleistung im Gesetz festgehalten. Der Bundesrat hat an seiner Sitzung vom 28. Oktober 2020 die Beschaffungsstrategie der Bundesverwaltung verabschiedet. Für die Strategieperiode 2021 bis 2030 steht die Umsetzung des total revidierten öffentlichen Beschaffungsrechts im Fokus. Künftig sollen vermehrt Nachhaltigkeitsüberlegungen, der Qualitätswettbewerb und Innovationen im Zentrum der Bundesbeschaffungen stehen. Die Beschaffungs- und Bedarfsstellen haben entlang des gesamten Beschaffungsablaufs die Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen. Sie formulieren in der Regel geeignete, auf den jeweiligen Beschaffungsgegenstand zutreffende, nachhaltigkeitsorientierte Spezifikationen, Eignungs- und Zuschlagskriterien.

Der Bund hat im Bundesamt für Umwelt (BAFU) eine Fachstelle ökologische öffentliche Beschaffung geschaffen. Die Fachstelle hat den Auftrag, einen konkreten Beitrag zur nachhaltigen Beschaffung zu liefern und Verantwortungsträger für das öffentliche Beschaffungswesen in Bund, Kantonen und Gemeinden (z.B. Beschaffungsstellen, Aufsichtsbehörden) zu unterstützen. Die Fachstelle führt jedoch keine ökologischen Produkteabklärungen für Beschaffungsstellen durch und gibt keine Produktempfehlungen ab. Sie vermittelt jedoch Informationen und Kontakte zum Thema nachhaltige Beschaffung und ist in zahlreichen Gremien/Organisationen vertreten (z.B. OECD Steering Group on Greener Public Purchasing GPP; IGöB; BKB).

Das öffentliche Beschaffungsrecht regelt ein bedeutendes Segment der Schweizer Volkswirtschaft. Allein die zentrale Bundesverwaltung beschaffte im Jahr 2018 Bauleistungen, Waren und Dienstleistungen im Wert von 5,55 Milliarden Franken. Das revidierte WTO-Übereinkommen erweitert das Marktzugangspotential um rund 80 bis 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Das ökologische Beschaffungswesen kann daher einen nachhaltigen Impact haben.

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