11. August 2020

Das Basisinformationsblatt – der Prospekt für Privatkunden

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Die Informationspflichten, welche mit der Einführung des Finanzdienstleistungsgesetz FIDLEG in Anlehnung an die europäische Finanzmarktrichtlinie MiFID II umgesetzt wurden, umfassen neben dem Prospekt neu das sogenannte Basisinformationsblatt BIB.

Ausgangslage

Die Informationspflichten, welche mit der Einführung des Finanzdienstleistungsgesetz FIDLEG in Anlehnung an die europäische Finanzmarktrichtlinie MiFID II umgesetzt wurden, umfassen neben dem Prospekt neu das sogenannte Basisinformationsblatt BIB. Während der Prospekt eine umfassende Darlegung zu Emittenten und Effekten verlangt, dient das BIB unmittelbar der Aufklärung von Privatkundinnen und Privatkunden über angebotene Finanzinstrumente. Der nachfolgende Beitrag soll Sinn und Zweck des BIB für Finanzinstrumente näherbringen sowie darauf eingehen, ob und inwiefern Token in den Anwendungsbereich des BIB fallen bzw. ob «crypto-spezifische» Ausnahmen für das BIB bestehen.

Anwendungsbereich und Ausnahmen

Gemeinsam mit der Verordnung über die Finanzdienstleistungen FIDLEV legt das FIDLEG die Rahmenbedingungen für das BIB fest. So bestimmt Art. 58 FIDLEG eingangs als Grundregel den Anwendungsbereich, wonach BIBs durch Ersteller immer dann zu erstellen sind, wenn Finanzinstrumente gemäss Art. 3 lit. a FIDLEG Privatkundinnen und -kunden angeboten werden.

Verantwortlich für die Erstellung dieses «Manuals» ist gemäss Wortlaut des Gesetzes der Ersteller, d.h. derjenige am point of production, wobei der Finanzdienstleister, welcher Privatkunden persönlich ein bestimmtes Finanzinstrument empfiehlt, für die Abgabe des BIB verantwortlich ist, sofern ein solches vom Ersteller zu erstellen war.

Für Finanzinstrumente, welche für Privatkundinnen oder -kunden ausschliesslich im Rahmen ihres Vermögensverwaltungsvertrags erworben werden dürfen, muss keine solche Broschüre erstellt werden. Weiter muss kein BIB erarbeiten, wer Aktien – sowie Aktien gleichzustellender Effekten, welche Beteiligungsrechte verleihen (wie z.B. Partizipations- oder Genussscheine) – anbietet. Der Gesetzgeber geht in diesem Fall davon aus, dass die grundlegenden Charakteristika dieser Anlageform Privatkunden bereits bekannt sind. Dazu kommt, dass einzelne Aktien als Effekten der Prospektpflicht unterliegen, womit entsprechende Informationspflichten bereits gewährleistet sind. Dieselbe Ausnahme gilt für Forderungspapiere ohne derivativen Charakter – auch hier ist kein BIB zu erstellen. Sodann besteht bei ausschliesslicher Ausführung oder Übermittlung von Kundenaufträgen (sog. execution-only Geschäfte) unter Umständen keine Pflicht zur Abgabe eines BIB oder es kann die entsprechende Produktedokumentation erst im Anschluss an das Geschäft abgegeben werden, sofern der Kunde dem zugestimmt hat. Dies bringt in der Praxis einige Erleichterungen.

In Anlehnung an die EU-Regelung anerkennt das Gesetz sowie die Verordnung FIDLEV nach ausländischem Recht gleichwertig erstellte Produkteinformationsdokumentationen. Bei dessen Vorliegen muss kein BIB nach FIDLEG mehr erstellt werden (bspw. das EU-KID für PRIIP). Vielmehr werden diese als äquivalent betrachtet.

Leitmaxime

In Übereinstimmung mit dem Anwendungsbereich des BIB für Privatkundinnen und -kunden gilt als Leitmaxime, dass das BIB sprachlich leicht verständlich sein muss und sich als eigenständiges, strukturiertes Dokument auch deutlich von Werbematerialen zu Finanzinstrumenten zu unterscheiden hat. Zu diesem Zweck sieht das Gesetz bzw. die Verordnung auch eine Mustervorlage vor (Anhang 9 FIDLEV), welches zwingend von den Erstellern zu verwenden ist. Die damit zu erzielende standardisierte Form von BIBs erlaubt Privatkundinnen und -kunden den unmittelbaren Vergleich unterschiedlicher, komplexer Finanzinstrumente. Ferner haben Finanzdienstleister den Privatkundinnen und -kunden das Basisinformationsblatt vor der Zeichnung oder vor Vertragsabschluss (Point of sale) kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Werden Vorschriften über die Erstellung von und/oder Angaben in BIB verletzt (z.B. durch Angabe falscher Tatsachen, so droht eine Busse, wobei nur die vorsätzliche Tatbegehung strafbar ist.

Inhalt

Inhaltlich soll das BIB all jene Angaben enthalten, welche Privatkundinnen und -kunden eine fundierte Anlageentscheidung erlauben und den Vergleich verschiedener Finanzinstrumente ermöglichen. Somit umfasst diese Informationsbroschüre Angaben zur Art des Finanzinstruments, dessen Risiko- und Renditeprofil unter Angabe des höchsten drohenden Verlustes, vom Anleger zu tragende Kosten, Mindesthaltedauer und Handelbarkeit des Finanzinstruments, und Weiteres.

Mit der nicht abschliessenden Aufzählung im FIDLEG wird in weiten Teilen an die europäischen Vorschriften (MiFID II, Prospektverordnung, PRIIP) angeknüpft. Dennoch fällt auf, dass der Schweizer Gesetzgeber diesbezüglich weniger weit reguliert und damit Finanzdienstleistern einen grösseren Handlungsspielraum einräumt. Nichtsdestotrotz gilt, dass sofern für die gesetzlich vorgeschriebenen Angaben (wie bspw. zu den Kosten) nur indikative Auskünfte gemacht werden können, Privatkundinnen und -kunden explizit darauf aufmerksam zu machen sind (Art. 85 FIDLEV). Im Unterschied zum Prospekt fällt derweil auch auf, dass das BIB keiner Genehmigungspflicht unterliegt.

BIB für Virtual Assets

Sofern Virtual Assets als Finanzinstrumente im Sinne von Art. 3 lit. a FIDLEG qualifizieren, ist für solche Finanzanlagen ein BIB unter den genannten Voraussetzungen zu erstellen. Der Bundesrat hat in seinem Bericht vom 14. Dezember 2018 betreffend die rechtlichen Grundlagen für Distributed Ledger-Technologie und Blockchain in der Schweiz bereits verlauten lassen, dass Zahlungs-Token keine Effekten und grundsätzlich auch keine Finanzinstrumente im Sinne des FIDLEG darstellen. Es wird aber weiter ausgeführt, dass Zahlungs-Token unter den Voraussetzungen von Art. 3 lit. a Ziff. 6 FIDLEG dann Finanzinstrumente darstellen können, wenn die Zahlungs-Token als Einlagen entgegengenommen werden, deren Rückzahlungswert oder Zins risiko- oder kursabhängig ist, ausgenommen solche, deren Zins an einen Zinsindex gebunden sind. Dies hätte grundsätzlich auch entsprechende Verhaltens- und Informationspflichten zur Folge. Nutzungs-Token, sofern diese lediglich den Zugang zu einer digitalen Nutzung oder Dienstleistung vermitteln sollen, besitzen ebenfalls keine Effektenqualität und sind grundsätzlich auch keine Finanzinstrumente im Sinne des FIDLEG, so der Bericht des Bundesrats. Die Wegleitung für Unterstellungsanfragen betreffend Initial Coin Offerings der FINMA hält aber fest, dass Nutzungs-Token, welche ganz oder teilweise die wirtschaftliche Funktion als Anlage erfüllen, von der FINMA grundsätzlich als Effekten und somit wie Anlage-Token behandelt werden. Betreffend Anlage-Token geht die FINMA grundsätzlich davon aus, dass diesen Effektenqualität zukommt mit den damit einhergehenden finanzmarktrechtlichen Konsequenzen – namentlich der Prospekt- bzw. BIB-Pflicht. Es gilt auch hier zwischen dem Herausgeber des Tokens und dem Anbieter der Finanzdienstleistung, die im Zusammenhang mit dem Token steht, zu unterscheiden. Diese Unterscheidung ist relevant für die Anknüpfung an Prospekt- und BIB-Pflichten.

Grundsätzlich muss anhand des Einzelfalls beurteilt werden, inwiefern DLT-basierte Anlagen als Finanzinstrument qualifizieren und als Folge dessen ein BIB zu erstellen ist. So ist zum Beispiel bei Token, welche Forderungspapiere ohne derivativen Charakter darstellen (bspw. Plain-Vanilla-Bond), grundsätzlich kein entsprechendes BIB zu erstellen.

Zusammenfassung

Das Basisinformationsblatt, leicht leserlich und verständlich, muss Privatkundinnen und -kunden beim Angebot von komplexen Finanzinstrumenten abgegeben werden. Als oberster Grundsatz bei der Erstellung des BIB gilt, dass das entsprechende Finanzinstrument in möglichst einfacher Sprache der Privatkundin oder dem Privatkunden effektiv nähergebracht werden kann. Die Verständlichkeit der Information hat sich am Durchschnittsverständnis der jeweiligen Kundengruppe, vorliegend Privatkundinnen und -kunden, zu messen. Mit der Einführung des BIB zieht die Schweiz mit der EU gleichauf und setzt eine weitere Produktedokumentation um. Der Anwendungsbereich wird gesetzlich festgelegt, wobei auch Ausnahmen, namentlich für Aktien, bestehen. Auch beim Angebot von DLT-basierten Finanzprodukten kann unter Umständen die Pflicht zur Erstellung und Abgabe eines Basisinformationsblattes bestehen.